Blinder Eifer
alle Farmer aus der ganzen Landschaft
mit ihren Damen. Große Sache! Na, und
da bediente Samuel denn ja auch mit, und
zwar an der Spitze. Er kommandierte die
anderen und war ganz der Oberboy. Na,
vielleicht stand ihm das tschä auch langsam
zu. Jedenfalls ließen wir ihn gewähren,
meine Anna-Sybille und ich, und schließlich
fiel der Kerl unseren Gästen auf. «Ree/
hieß es, „Lüdringsen, wo habt ihr bloß man
den flinken Boy her? — „Tschä/ sag ich,
„wo soll ich ihn her haben: So'ne Kerls
muß man sich eben ziehen, denn hat man
sie!" And ich lehne mich in meinem Sessel
zurecht und sage gerade: „Auf Samuel ist
jedenfalls vollkommen Verlaß!" Da ent-
steht ein furchtbares Gelächter und hört
nicht wieder auf. Ich kucke meine Frau an,
und sie kuckt mich an. Wo wir im Jahre doch
nur eine Gesellschaft geben, und da wird
ja denn, wo doch sowieso nicht viel passiert,
auch 'n ganzes Jahr hintennach über jede
Kleinigkeit geredet. And nun so 'ne Bla-
mage, wo ich gerade so mit meinem herr-
lichen Samuel renommiert habe."
„Ja, um Gottes willen, was hat er denn
bloß gemacht?"
„Was er gemacht hat, meine Damen?
Das will ich Ihnen erzählen. Ich hatte
damals — in der Litze will man doch keinen
Landgriff zu viel tun, hier in Europa be-
nehme ich mich natürlich anders — die
leidige Angewohnheit, meine Zigarren vorm
Anzünden abzubeißen. Samuel hatte das
gesehen, und um mir und meinen Gästen
nun alle Arbeit abzunehmen und sich ganz
besonders auszuzeichnen, hatte er von allen
sechs Kisten, die er gerade nach dem Essen
herumreichte, sämtliche Zigarren draußen
im voraus abgebiffen. — Tschä, meine
Damen, das war Samuel."
Zeichnung von M. Claus
Ein Büchermensch „Die Stare sind da, Onkel!" — „Schon? Das kann kaum
stimmen; ich werde gleich mal im Brehm Nachlesen."
Gans contra Würstchen
„Anna.Anna.!"
Mit trippelnden Schritten näherte sich Anna,
die Perle, und erschien endlich vor der Lausfrau,
die ihr etwas wichtiges mitzuteilen hatte.
„Anna, höre gut zu," sprach die Lausfrau.
„Was ich dir jetzt sage, mußt du genau befol-
gen. Also, für morgen haben sich Bekannte zum
Mittagessen angesagt, was mich alles andere als
erfreut, denn meine Wirtschaftskasse hat im
Augenblick ein großes Loch. Ich kann daher dem
Besuch kein lukullisches Mahl Herrichten, sondern
muß mich vielmehr auf das beschränken, was
zur Zeit im Lause ist. Das wiederum sind nur
3 Paar Würstchen. Wir müssen also auf eine
List verfallen, verstehst du das bis hierher, Anna ?"
Anna verstand bis hierher, so daß die Laus-
ftau fortfahren konnte: „Wir werden die Sache
also folgendermaßen drechseln: Ich sage den
Gästen, es gibt Gans, während du draußen die
Würstchen zubereitest. Auf mein Zeichen voll-
führst du dann in der Küche einen nicht zu über-
bietenden Lärm, läßt einen Teller fallen, kommst
zu uns ins Eßzimmer gerannt und sagst mit
weinender Stimme: „Gnädige Frau, mir ist so-
Der Wassermann
Ein Wassermann, hab ich gedacht,
Ist eine Märchenbuchgestalt.
Er haust in finsterm Brunnenschacht,
Sein Vollbart ist aus Schilf gemacht
Und seine Seele feucht und kalt.
Hier Nix, dort Nöck geheißen, neckt
Er gern die ganze Sagenwelt,
Und wenn er aus der Flut sich redet,
Dann bleibt nur einer ungeschreckt;
Der schöne Märchenprinz und Held.
Dem Fabelreich gehört er an
Und nicht der Welt der Wirklichkeit?
Wie sehr man sich doch irren kann!
Glaubt’s oder nicht: der Wassermann,
Er lebt tatsächlich, und noch heut!
Er ist mit seinesgleichen gar
ln einem Bund, das war mir neu,
Und tagt mit einer großen Schar
Von Wassermännern jedes Jahr.
(Gasmänner sind meist auch dabei.)
Joachim Lange
eben die Gans aus dem Fenster gefallen." And
dann bieten wir eben die Würstchen an oder
gehen auf Kosten der Gäste ins Restaurant.
Last du alles verstanden, Anna?"
Anna hatte alles verstanden.
And dann kam der besagte Abend. Die Gäste
erschienen pünktlich, und die Lausfrau erklärte
mit strahlender Miene, daß es heute Gans gäbe.
In diesem Augenblick, gerade, als sich der Besuch
an den Tisch setzen wollte, ertönte in der Küche
ein ohrenbetäubender Lärm. Schreckensbleich
wandte sich die Lausfrau zur Küche, da kam
auch schon Anna, die Perle, angerannt und
schluchzte: „Gnädige Frau. . . gnä— gnädige
Frau..."
„Was ist los, Anna," ermunterte sie die Laus-
frau, „du machst ja ein Geschrei, als wenn die
Gans aus dem Fenster gefallen wäre."
„Da ... das ist, ist auch der Fall," stammelte
Anna.
„Was, die Gans liegt unten, die schöne, teure
Gans hast du aus dem Fenster fallen lassen?"
„Rnnnnein, nicht die Gans," sprach Anna
weinend, dann schmetterte fie heraus: „Nicht
die Gans, sondern die Würstchen.I"
Gerhard Tomiclch
147
alle Farmer aus der ganzen Landschaft
mit ihren Damen. Große Sache! Na, und
da bediente Samuel denn ja auch mit, und
zwar an der Spitze. Er kommandierte die
anderen und war ganz der Oberboy. Na,
vielleicht stand ihm das tschä auch langsam
zu. Jedenfalls ließen wir ihn gewähren,
meine Anna-Sybille und ich, und schließlich
fiel der Kerl unseren Gästen auf. «Ree/
hieß es, „Lüdringsen, wo habt ihr bloß man
den flinken Boy her? — „Tschä/ sag ich,
„wo soll ich ihn her haben: So'ne Kerls
muß man sich eben ziehen, denn hat man
sie!" And ich lehne mich in meinem Sessel
zurecht und sage gerade: „Auf Samuel ist
jedenfalls vollkommen Verlaß!" Da ent-
steht ein furchtbares Gelächter und hört
nicht wieder auf. Ich kucke meine Frau an,
und sie kuckt mich an. Wo wir im Jahre doch
nur eine Gesellschaft geben, und da wird
ja denn, wo doch sowieso nicht viel passiert,
auch 'n ganzes Jahr hintennach über jede
Kleinigkeit geredet. And nun so 'ne Bla-
mage, wo ich gerade so mit meinem herr-
lichen Samuel renommiert habe."
„Ja, um Gottes willen, was hat er denn
bloß gemacht?"
„Was er gemacht hat, meine Damen?
Das will ich Ihnen erzählen. Ich hatte
damals — in der Litze will man doch keinen
Landgriff zu viel tun, hier in Europa be-
nehme ich mich natürlich anders — die
leidige Angewohnheit, meine Zigarren vorm
Anzünden abzubeißen. Samuel hatte das
gesehen, und um mir und meinen Gästen
nun alle Arbeit abzunehmen und sich ganz
besonders auszuzeichnen, hatte er von allen
sechs Kisten, die er gerade nach dem Essen
herumreichte, sämtliche Zigarren draußen
im voraus abgebiffen. — Tschä, meine
Damen, das war Samuel."
Zeichnung von M. Claus
Ein Büchermensch „Die Stare sind da, Onkel!" — „Schon? Das kann kaum
stimmen; ich werde gleich mal im Brehm Nachlesen."
Gans contra Würstchen
„Anna.Anna.!"
Mit trippelnden Schritten näherte sich Anna,
die Perle, und erschien endlich vor der Lausfrau,
die ihr etwas wichtiges mitzuteilen hatte.
„Anna, höre gut zu," sprach die Lausfrau.
„Was ich dir jetzt sage, mußt du genau befol-
gen. Also, für morgen haben sich Bekannte zum
Mittagessen angesagt, was mich alles andere als
erfreut, denn meine Wirtschaftskasse hat im
Augenblick ein großes Loch. Ich kann daher dem
Besuch kein lukullisches Mahl Herrichten, sondern
muß mich vielmehr auf das beschränken, was
zur Zeit im Lause ist. Das wiederum sind nur
3 Paar Würstchen. Wir müssen also auf eine
List verfallen, verstehst du das bis hierher, Anna ?"
Anna verstand bis hierher, so daß die Laus-
ftau fortfahren konnte: „Wir werden die Sache
also folgendermaßen drechseln: Ich sage den
Gästen, es gibt Gans, während du draußen die
Würstchen zubereitest. Auf mein Zeichen voll-
führst du dann in der Küche einen nicht zu über-
bietenden Lärm, läßt einen Teller fallen, kommst
zu uns ins Eßzimmer gerannt und sagst mit
weinender Stimme: „Gnädige Frau, mir ist so-
Der Wassermann
Ein Wassermann, hab ich gedacht,
Ist eine Märchenbuchgestalt.
Er haust in finsterm Brunnenschacht,
Sein Vollbart ist aus Schilf gemacht
Und seine Seele feucht und kalt.
Hier Nix, dort Nöck geheißen, neckt
Er gern die ganze Sagenwelt,
Und wenn er aus der Flut sich redet,
Dann bleibt nur einer ungeschreckt;
Der schöne Märchenprinz und Held.
Dem Fabelreich gehört er an
Und nicht der Welt der Wirklichkeit?
Wie sehr man sich doch irren kann!
Glaubt’s oder nicht: der Wassermann,
Er lebt tatsächlich, und noch heut!
Er ist mit seinesgleichen gar
ln einem Bund, das war mir neu,
Und tagt mit einer großen Schar
Von Wassermännern jedes Jahr.
(Gasmänner sind meist auch dabei.)
Joachim Lange
eben die Gans aus dem Fenster gefallen." And
dann bieten wir eben die Würstchen an oder
gehen auf Kosten der Gäste ins Restaurant.
Last du alles verstanden, Anna?"
Anna hatte alles verstanden.
And dann kam der besagte Abend. Die Gäste
erschienen pünktlich, und die Lausfrau erklärte
mit strahlender Miene, daß es heute Gans gäbe.
In diesem Augenblick, gerade, als sich der Besuch
an den Tisch setzen wollte, ertönte in der Küche
ein ohrenbetäubender Lärm. Schreckensbleich
wandte sich die Lausfrau zur Küche, da kam
auch schon Anna, die Perle, angerannt und
schluchzte: „Gnädige Frau. . . gnä— gnädige
Frau..."
„Was ist los, Anna," ermunterte sie die Laus-
frau, „du machst ja ein Geschrei, als wenn die
Gans aus dem Fenster gefallen wäre."
„Da ... das ist, ist auch der Fall," stammelte
Anna.
„Was, die Gans liegt unten, die schöne, teure
Gans hast du aus dem Fenster fallen lassen?"
„Rnnnnein, nicht die Gans," sprach Anna
weinend, dann schmetterte fie heraus: „Nicht
die Gans, sondern die Würstchen.I"
Gerhard Tomiclch
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Büchermensch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4939, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg