Kinkerlitzchen
Der Pariser „Excelsior" hat geschrieben,
man brauche nicht zu verheimlichen, daß die
fromme und bibelfürchtige Sprache Chamber-
lains die Franzosen immer überrasche und
manchmal aus der Fassung bringe.
Die Franzosen können doch nicht erwarten,
von Chamberlain Worte zu hören, die mit
seinen Taten übereinstimmen.
Die englische Presse hat den Oberbefehls-
haber der englischen Truppen in Frankreich,
Lord Gort, sehr gerühmt, weil er bereits vier-
mal die Maginotlinie besucht habe. Beim
letzten Besuch sei er der deutschen Front so-
gar bis auf 800 Meter nahe gekommen.
Alle Achtung! Da ist dieser britische Ober-
befehlshaber seinen Truppen weit voraus
gewesen. —«n.
Eine Unterhaltung in Paris
Im Luke de la Paix sitzt ein älterer Lerr
namens Durand. Er hat einen schwarzen
Kaffee getrunken; der Kellner hat ihm dann
nebst einem Gläschen den Carafon hingestellt,
das markierte Fläschchen mit Cognak, aber
Durand hat sich noch nicht entschließen können,
sich davon einzuschenken. Das Leben ist teuer
genug. Durand steht sehr bekümmert aus,
beinahe als ob er gleich weinen wollte.
Jetzt kommt ein Lerr namens Picon und
nimmt an Durands Tisch Platz. Durand
wirft einen mißtrauischen Blick aus ihn und
schaut dann fort; die fremde Gesellschaft ist
ihm unangenehm. Picon will erst Kaffee
trinken, aber er raucht schon, eine Breva, an
der er wild herumbeißt; er sieht verärgert
aus, beinahe, als ob er gleich brüllen möchte.
Durand sieht traurig aus den Boulevard des Capucines hinaus.
Vielleicht merkt er es in seinen trüben Gedanken gar nicht, daß ihm
ein schwerer Seufzer entfährt.
Picon merkt auf; die Gelegenheit zur Unterhaltung scheint ihm
zu passen, „Sie haben recht, Monsieur; Sie haben vollkommen recht.
Ja, so ist es!"
Durand erschrickt. „Aber ich habe ja nichts gesagt, Monsieur;
nicht ein Wort."
„Aber Sie haben geseufzt, furchtbar geseufzt. Sieber die all
gemeine Lage, nicht wahr?"
„Durchaus nicht!" Durand windet sich ängstlich, er stottert ver-
legen: „Sollte ich geseufzt haben, so war es nur-ja, so war es
nur ein persönliches Anbehagen. Ich habe nämlich-ja, ich habe
Lühneraugen, die gerade sehr schmerzen."
„Seien Sie froh!" knurrt Picon. „Das lenkt Sie ab. Aber wenn
Ihnen die Lühneraugen nicht mehr wehtun, dann wird Ihne» der
Jammer wieder einfallen, und Sie werden erst recht seufzen."
„Aber nein! Ich weiß von keinem Jammer was!" versichert Durand
eifrig. „Ich bin vollkommen zufrieden mit der Lage."
„So sehen Sie gerade aus! Zufrieden? Pah, Sie sind doch sicherlich
nicht Kriegslieserant."
„Allerdings nicht; ich bin Rentier. Aber Sie dürfen mir glauben:
nur die Lühneraugen-"
„Lören Sie doch auf mit Ihren Lühneraugen!" Picon zermatscht
seine Zigarre. „Ich bin auch Rentier; ich habe mächtig schuften müs-
sen, um das zu erreichen."
„Oh, ich habe auch arbeitsame Jahre hinter mir!" Durand erklärt
das mit einigem Stolz, aber er scheint sich des Erfolges doch nicht
152
recht zu freuen. Anwillkürlich seufzt er wieder.
„Ra also!" Picon tippt ihm gegen die
Brust. „Da werden Sie mir doch nichts vor-
machen. Sie denken natürlich genau so wie
ich. Sie denken: Frankreich ist ein gesegnetes
Land, aber es braucht seine Ruhe. Vergnügt
und glücklich könnten wir leben, wenn nicht
dieser blödsinnige Krieg gekommen wäre."
„Aber nein! Aber nein!" Beschwörend
hebt Durand die Lände. „Ich bin ganz ein-
verstanden mit dem Krieg, ich bin sogar be-
geistert. Aber ich kann das im Augenblick
nicht so zeigen, denn der Mensch ist schwach,
und wenn ihm die Lühneraugen-"
„Fangen Sie doch nicht wieder davon an!
Zu Lause werden Sie ganz anders reden."
„Allerdings — da ziehe ich meine Stiefel
aus und Pantoffel an, und das wird mir
Erleichterung bringen."
„Laha, und wenn Sie die Pantoffel an-
sehen, dann werden Sie sagen: Es ist ein
Skandal, wie Frankreich unter dem Pantoffel
Englands steht!"
Durand legt eine zitternde Land aufs
Lerz. „Jeder derartige Gedanke liegt mir fern,
Monsieur. Gewiß — wir sind England ge-
folgt, aber das war richtig. England, das mäch-
tige England, will nur Frankreichs Bestes."
„Sein Gold, meinen Sie. Seine Soldaten,
sein Blut. Sind Sie denken: Wir haben eine
schöne Regierung, die uns das eingebrockt
hat." Picon zischelt das, aber es ist ihm anzu-
merken, daß er es hinausschreien möchte.
„Rein, nein!" jammert Durand. „Ich bin
mit allem einverstanden; mir gefällt alles,
was Daladier getan hat."
„Laha, aber Sie haben eben bei dem
Namen mit den Zähnen geknirscht."
„Nur wegen der Lühneraugen."
In diesem Augenblick tritt ein dritter Lerr an den Tisch. Er
haut Picon auf die Schulter. „Tag, Gaston I Wie geht's? Natür-
lich dreckig!" Dann wendet er sich zu Durand. „Tag, Monsieur
Durand! Sieht man Sie auch einmal? Seit wann kennen Sie denn
meinen Schwager Picon?"
Durand seufzt, aber diesmal ist es ein Seufzer der Erleichterung.
„Der Lerr ist Ihr Schwager, Monsieur Poivret? Ich hatte keine
Ahnung; wir kamen zufällig ins Gespräch." And jetzt begrüßt er
Picon mit einem Ländedruck, „Sehr erfreut, Monsieur Picon.
Wiffen Sie, wofür ich Sie gehalten habe? Für einen der vielen
Agenten der Geheimpolizei, die jetzt überall nach sogenannten De-
faitisten herumschnüffeln. Mit den Lühneraugen habe ich Sie ein
bißchen beschwindelt; ich habe gar keine. And ich stimme natürlich
allem zu, was Sie gesagt haben."
Dann gießt sich Durand einen Cognak ein, stärkt sich damit und
fängt an: „Also diese verdammte Schweinerei-" —o».
Der Feldpostbrief
„Schade, daß meine Frau so kurz schreibt — nur vier Seiten!
Geredet hat sie daheim immer 16 Seiten."
Junge Mädchen
„Irma hat ihren Verlobten auf dem Eise kennen gelernt: sie fiel
hin, und er hob sie aus."
„And wir haben immer über sie gelacht, weil sie so ungeschickt lief."
Anthony Eden, der britische Salonlöwe
Der Pariser „Excelsior" hat geschrieben,
man brauche nicht zu verheimlichen, daß die
fromme und bibelfürchtige Sprache Chamber-
lains die Franzosen immer überrasche und
manchmal aus der Fassung bringe.
Die Franzosen können doch nicht erwarten,
von Chamberlain Worte zu hören, die mit
seinen Taten übereinstimmen.
Die englische Presse hat den Oberbefehls-
haber der englischen Truppen in Frankreich,
Lord Gort, sehr gerühmt, weil er bereits vier-
mal die Maginotlinie besucht habe. Beim
letzten Besuch sei er der deutschen Front so-
gar bis auf 800 Meter nahe gekommen.
Alle Achtung! Da ist dieser britische Ober-
befehlshaber seinen Truppen weit voraus
gewesen. —«n.
Eine Unterhaltung in Paris
Im Luke de la Paix sitzt ein älterer Lerr
namens Durand. Er hat einen schwarzen
Kaffee getrunken; der Kellner hat ihm dann
nebst einem Gläschen den Carafon hingestellt,
das markierte Fläschchen mit Cognak, aber
Durand hat sich noch nicht entschließen können,
sich davon einzuschenken. Das Leben ist teuer
genug. Durand steht sehr bekümmert aus,
beinahe als ob er gleich weinen wollte.
Jetzt kommt ein Lerr namens Picon und
nimmt an Durands Tisch Platz. Durand
wirft einen mißtrauischen Blick aus ihn und
schaut dann fort; die fremde Gesellschaft ist
ihm unangenehm. Picon will erst Kaffee
trinken, aber er raucht schon, eine Breva, an
der er wild herumbeißt; er sieht verärgert
aus, beinahe, als ob er gleich brüllen möchte.
Durand sieht traurig aus den Boulevard des Capucines hinaus.
Vielleicht merkt er es in seinen trüben Gedanken gar nicht, daß ihm
ein schwerer Seufzer entfährt.
Picon merkt auf; die Gelegenheit zur Unterhaltung scheint ihm
zu passen, „Sie haben recht, Monsieur; Sie haben vollkommen recht.
Ja, so ist es!"
Durand erschrickt. „Aber ich habe ja nichts gesagt, Monsieur;
nicht ein Wort."
„Aber Sie haben geseufzt, furchtbar geseufzt. Sieber die all
gemeine Lage, nicht wahr?"
„Durchaus nicht!" Durand windet sich ängstlich, er stottert ver-
legen: „Sollte ich geseufzt haben, so war es nur-ja, so war es
nur ein persönliches Anbehagen. Ich habe nämlich-ja, ich habe
Lühneraugen, die gerade sehr schmerzen."
„Seien Sie froh!" knurrt Picon. „Das lenkt Sie ab. Aber wenn
Ihnen die Lühneraugen nicht mehr wehtun, dann wird Ihne» der
Jammer wieder einfallen, und Sie werden erst recht seufzen."
„Aber nein! Ich weiß von keinem Jammer was!" versichert Durand
eifrig. „Ich bin vollkommen zufrieden mit der Lage."
„So sehen Sie gerade aus! Zufrieden? Pah, Sie sind doch sicherlich
nicht Kriegslieserant."
„Allerdings nicht; ich bin Rentier. Aber Sie dürfen mir glauben:
nur die Lühneraugen-"
„Lören Sie doch auf mit Ihren Lühneraugen!" Picon zermatscht
seine Zigarre. „Ich bin auch Rentier; ich habe mächtig schuften müs-
sen, um das zu erreichen."
„Oh, ich habe auch arbeitsame Jahre hinter mir!" Durand erklärt
das mit einigem Stolz, aber er scheint sich des Erfolges doch nicht
152
recht zu freuen. Anwillkürlich seufzt er wieder.
„Ra also!" Picon tippt ihm gegen die
Brust. „Da werden Sie mir doch nichts vor-
machen. Sie denken natürlich genau so wie
ich. Sie denken: Frankreich ist ein gesegnetes
Land, aber es braucht seine Ruhe. Vergnügt
und glücklich könnten wir leben, wenn nicht
dieser blödsinnige Krieg gekommen wäre."
„Aber nein! Aber nein!" Beschwörend
hebt Durand die Lände. „Ich bin ganz ein-
verstanden mit dem Krieg, ich bin sogar be-
geistert. Aber ich kann das im Augenblick
nicht so zeigen, denn der Mensch ist schwach,
und wenn ihm die Lühneraugen-"
„Fangen Sie doch nicht wieder davon an!
Zu Lause werden Sie ganz anders reden."
„Allerdings — da ziehe ich meine Stiefel
aus und Pantoffel an, und das wird mir
Erleichterung bringen."
„Laha, und wenn Sie die Pantoffel an-
sehen, dann werden Sie sagen: Es ist ein
Skandal, wie Frankreich unter dem Pantoffel
Englands steht!"
Durand legt eine zitternde Land aufs
Lerz. „Jeder derartige Gedanke liegt mir fern,
Monsieur. Gewiß — wir sind England ge-
folgt, aber das war richtig. England, das mäch-
tige England, will nur Frankreichs Bestes."
„Sein Gold, meinen Sie. Seine Soldaten,
sein Blut. Sind Sie denken: Wir haben eine
schöne Regierung, die uns das eingebrockt
hat." Picon zischelt das, aber es ist ihm anzu-
merken, daß er es hinausschreien möchte.
„Rein, nein!" jammert Durand. „Ich bin
mit allem einverstanden; mir gefällt alles,
was Daladier getan hat."
„Laha, aber Sie haben eben bei dem
Namen mit den Zähnen geknirscht."
„Nur wegen der Lühneraugen."
In diesem Augenblick tritt ein dritter Lerr an den Tisch. Er
haut Picon auf die Schulter. „Tag, Gaston I Wie geht's? Natür-
lich dreckig!" Dann wendet er sich zu Durand. „Tag, Monsieur
Durand! Sieht man Sie auch einmal? Seit wann kennen Sie denn
meinen Schwager Picon?"
Durand seufzt, aber diesmal ist es ein Seufzer der Erleichterung.
„Der Lerr ist Ihr Schwager, Monsieur Poivret? Ich hatte keine
Ahnung; wir kamen zufällig ins Gespräch." And jetzt begrüßt er
Picon mit einem Ländedruck, „Sehr erfreut, Monsieur Picon.
Wiffen Sie, wofür ich Sie gehalten habe? Für einen der vielen
Agenten der Geheimpolizei, die jetzt überall nach sogenannten De-
faitisten herumschnüffeln. Mit den Lühneraugen habe ich Sie ein
bißchen beschwindelt; ich habe gar keine. And ich stimme natürlich
allem zu, was Sie gesagt haben."
Dann gießt sich Durand einen Cognak ein, stärkt sich damit und
fängt an: „Also diese verdammte Schweinerei-" —o».
Der Feldpostbrief
„Schade, daß meine Frau so kurz schreibt — nur vier Seiten!
Geredet hat sie daheim immer 16 Seiten."
Junge Mädchen
„Irma hat ihren Verlobten auf dem Eise kennen gelernt: sie fiel
hin, und er hob sie aus."
„And wir haben immer über sie gelacht, weil sie so ungeschickt lief."
Anthony Eden, der britische Salonlöwe
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Anthony Eden, der britische Salonlöwe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4939, S. 152
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg