Fliegende Blätter (193.1940 (Nr. 4953-4978) = 96. Jahrg.)

„Wozu sollen wir eigentlich die

Ortschaften unkenntlich machen, wenn die deutschen Bomber das viel gründlicher besorgen?"'

Schiller« .Landschuh"

Inneren. „Loffentlich bleibt sie nun auch drin!" bangte der Leinerich,
und die Lisa wollte sich kaputt lachen.

Gerade da kehrten die Erwachsenen zum Tische zurück. Die Kinder
bemerkten es rechtzeitig und saßen wie die Lolzpuppen. Der Dr. Rühr-
mus sah es mit Genugtuung und sagte zu Lerrn Moppenstiel: „Er
ist eigentlich ein ganz artiger Junge — nur mit dem Lernen, mit

dem Lernen halt-Schillers „Landschuh" zum Beispiel neulich,

wenn das so weiter geht, dann gibts eine Katastrophe."

And schon war die Katastrophe da. Man zahlte und wollte gehen.
Der Dr. Rührmus ergriff seine Landschuhe und zog sie an. Mitten-
drin aber benahm er sich sonderbar. Er schrie ganz laut auf, daß alle
Nachbarschaft herschaute, und schlenkerte sich den einen Landschuh
von den Fingern. And so heftig und unbedacht, daß das Luder zum
Nebentisch flog und sich mit den Fingern einer Dame, die gerade
trinken wollte, wie eine Würgehand um Taffe und Nase legte. Es
sah furchtbar komisch aus. Der Lerr neben der Dame aber stand
auf und kam her, und es gab einen furchtbaren Krach. Der Leinerich
lief und hob den Landschuh auf, brachte ihn dem Dr. Rührmus und
murmelte dabei: „Den Dank, Dame, begehr ich nicht." Der Dr.Rührmus
aber hörte es sehr wohl, wenn er auch gerade mit dem feindlichen
Nachbarherr» zankte, und begann zu stutzen. „Wie? sollte der Leinerich
da Anfug mit der Wespe — ?"

Auf dem Leimweg dachte der Dr. Rührmus lange über dieses
seelische Problem nach. Aber schließlich mußte er allen Verdacht doch
von sich weisen: Pah! Wespen, dieses kriegerische Leldenvolk, sind
doch wohl die letzten, die sich anfaffen und von einem dummen
Knaben in einen Landschuhfinger hineinsperren lassen — I

Am Periskop

Die Franzosen fragen sich jetzt, was der ungeheuer kostspielige
Bau der Maginotlinie eigentlich genützt habe.

Es war immerhin die einzige große Linie, die die französische
Politik in den letzten 20 Jahren gehabt hat.

Rumänien hat das seinerzeit gemachte englische Garantieangebot
abgewiesen.

Rumänien hat eingesehen, daß jeder, dem England eine Garantie
liefert, garantiert geliefert ist.

Die Juden haben dem englischen König angeboten, den Titel
„König von Judäa" anzunehmen.

Wie wäre es noch mit den Zusatztiteln: Fürst der Makkabäer,
Lerzog von Nebbich?

Das Britische Museum hat bombensichere Keller für seine Mu-
mien bauen lassen.

Wie wir erfahren, hat Downing Street für seine Mumien das-
selbe getan.

Eine englische Zeitung sagt, der Weltkrieg sei gegen den jetzigen
Krieg nur eine Whistpartie gewesen.

Dex jetzige Krieg ist allerdings für England ein Lasardspiel.

Es verlautet, daß in England schon wieder eine Regierungsum-
bildung bevorsteht.

King Lall wird wegen seiner unsterblichen Verdienste um das
Briefeschreibe^ Postminister.

Ein französischer General, der mit den Engländern dienstlich zu
tun halte, äußerte sich über die Verbündeten: „In diesem Kriege
haben die Engländer den Gentleman zu Lause gelassen."

Also einen Gentleman haben sie doch noch?

Bürgermeister und Einwohner mehrerer flandrischer Orte haben
schriftlich bestätigt, daß die Engländer vor ihrem Abzug plünderten.

Das ist ein häßlicher Ausdruck dafür, daß man sich ein paar
Andenken an die lieben Verbündeten mitnimmt.

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