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Vater und die Kleiderkarte
Von Alfred Richter
„Wo ist meine Kleiderkarte?" brauste Lerr Zwitsche zu Frau
und Tochter ins Wohnzimmer, „ich muß mal wieder rechnen —I"
„Deine Kleiderkarte," bemerkte Frau Zwitsche, „liegt dort, wo
sie immer liegt: in deinem mittleren Schreibtischfach." — „Weißt
du das bestimmt? Ich überlege mir nämlich gerade-hallo, wer
läutet da Sturm?" Alle drei schauten sich hoffnungsvoll — erregt
an. So klingelte nur Lans, der Sohn, der Soldat, der neugebackene
Vaterlandsverteidiger. Lerrgott, daß man seinen Schritt in Ge-
nagelten aus der Treppe nicht einmal gehört hattel
In den nächsten Stunden hatte nun alles andere zurückzutreten.
Lans hatte sich bloß eben ein paar Stunden freigemacht, um rasch
noch einmal zu Lause vorzusprechen. Am 17 Ahr 59 fuhr der Zug,
der den jungen Mann zu einem Ausbildungslehrgang entführte.
Seine ganze soldatische Zukunft hinge von diesem Kursus ab, ver-
sicherte er. Mit Anruhe war er geladen und steckte die ganze Fa-
milie an.
Vater und Mutter und Schwester begleiteten' ihn dann zum
Bahnhof. Nach der Rückkehr saßen sie zusammen über dem Thema
„der Sohn".
Am nächsten Mittag aber fiel Lerrn Zwitsche seine Kleiderkarte
wieder ein. „Also," begann er, nach dem Suppenlöffel greifend.
„Martha, ich lasse mir nun doch einen neuen Anzug machen. Ich
glaube, ich habe noch genau 60 Punkte. Loffentlich sind es nicht
bloß 591 Ihr schaut mich an — wo ist übrigens meine Kleiderkarte?"
Da ihm niemand antwortete, weil diese ewige Frage nicht mehr
zog, legte er beleidigt das Mundtuch weg und marschierte hinüber
in sein Lerrenzimmer, um sogleich nachzuschauen, wo seine Kleider-
karte -„Ja, Lerrgott, was hat denn Vater?" Mutter und
Tochter hörten einen dumpfen Lärm und blickten sich erschrocken an.
Da erschien der Gereizte auch schon im Türrahmen und brüllte:
„Sie ist fortl" — Die Frauen fuhren hoch, ließen ihr Essen stehen
und halfen sofort dem Vater suchen. Nachdem das ganze Lerren-
zimmer durchforscht war, meinte Lisa: „Vielleicht hast du sie in der
Brieftasche?" Ein wütender Blick Vaters machte sie verstummen.
„Dort habe ich natürlich zuerst nachgesehen," klang es dumpf wie
Gewittergrollen. — „In die Aktentasche kann sie wohl nicht geraten
sein?" fragte beherzt die Mutter. — „Ansinn," knurrte der Gattenlöwe,
„ganz so liederlich bin ich doch nicht!" Schweigend kramten alle
drei weiter. „Du hast heute früh noch einen großen Brief fertig-
gemacht. Du wirst sie doch nicht da hineingesteckt haben?" Diesen
Blödsinn fragte natürlich Lisa. Es war ihr Glück, daß Vater tat,
als hätte er überhaupt nichts gehört. „Oder vielleicht ist sie herunter-
Druckfehler
Im Leben jedes Junggesellen ist ein
bedauerlicher Leerfauf festzustellen.
Berufsehre
Der Vater war in seiner Ehre ge-
troffen. — Er nahm sich den Sohn vor:
„Was? Du als Sohn eines Eier-
großhändlers weißt nicht, wer Christoph
Kolumbus war?"
Eänsler senior drängt, daß sein
Sohn Lerbert endlich heirate. Eine
glänzende Partie hat er für ihn in Aus-
sicht: die Lulda Knobbe.
„Ausgeschlossen!" erklärt Lerbert.
„Kommt gar nicht für mich in Frage."
„Bei dem Vermögen!" jammert
Gänsler senior. „And sie ist doch ein
ganz nettes Mädchen. Die hätte ich
auch genommen." — „Das ist ganz was
andres — — da wäre sie auch noch
im richtigen Alter gewesen."
86
„Wenn Sie zwischen blond und schwarz unschlüssig
sind, liebes Fräulein, probieren Sie's doch mit mir,
ich bin neutral!"
Von der hiesigen Puppenklinik er-
hielt ich folgende Postkarte:
„Sehr geehrter Lerr!
Ihr schöner, großer Zelluloid-Babykopf
ist wieder hergestellt, und können Sie
denselben für Rm. 1.— abholen lassen.
Leil Litler!
Puppenklinik."
Neuerdings tragen manche Damen
so merkwürdige Lüte.
Frau Agathe Schwalb hat eine groß-
mütige Anwandlung: sie will Emma,
der Lausgehilfin, den Lut schenken, den
sie erst drei Wochen getragen hat.
Emma wird verlegen. „Ach nein,
gnä' Frau — ich will den Lut lieber
nicht. Den kann ich nicht aufsetzen."
„Aber Emma, ich habe ihn doch auch
getragen."
„Ja, Sie sind auch schon zehn Jahre
verheiratet. Aber mein Bräutigam
würde dann am Ende nichts mehr von
mir wissen wollen."
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Vater und die Kleiderkarte
Von Alfred Richter
„Wo ist meine Kleiderkarte?" brauste Lerr Zwitsche zu Frau
und Tochter ins Wohnzimmer, „ich muß mal wieder rechnen —I"
„Deine Kleiderkarte," bemerkte Frau Zwitsche, „liegt dort, wo
sie immer liegt: in deinem mittleren Schreibtischfach." — „Weißt
du das bestimmt? Ich überlege mir nämlich gerade-hallo, wer
läutet da Sturm?" Alle drei schauten sich hoffnungsvoll — erregt
an. So klingelte nur Lans, der Sohn, der Soldat, der neugebackene
Vaterlandsverteidiger. Lerrgott, daß man seinen Schritt in Ge-
nagelten aus der Treppe nicht einmal gehört hattel
In den nächsten Stunden hatte nun alles andere zurückzutreten.
Lans hatte sich bloß eben ein paar Stunden freigemacht, um rasch
noch einmal zu Lause vorzusprechen. Am 17 Ahr 59 fuhr der Zug,
der den jungen Mann zu einem Ausbildungslehrgang entführte.
Seine ganze soldatische Zukunft hinge von diesem Kursus ab, ver-
sicherte er. Mit Anruhe war er geladen und steckte die ganze Fa-
milie an.
Vater und Mutter und Schwester begleiteten' ihn dann zum
Bahnhof. Nach der Rückkehr saßen sie zusammen über dem Thema
„der Sohn".
Am nächsten Mittag aber fiel Lerrn Zwitsche seine Kleiderkarte
wieder ein. „Also," begann er, nach dem Suppenlöffel greifend.
„Martha, ich lasse mir nun doch einen neuen Anzug machen. Ich
glaube, ich habe noch genau 60 Punkte. Loffentlich sind es nicht
bloß 591 Ihr schaut mich an — wo ist übrigens meine Kleiderkarte?"
Da ihm niemand antwortete, weil diese ewige Frage nicht mehr
zog, legte er beleidigt das Mundtuch weg und marschierte hinüber
in sein Lerrenzimmer, um sogleich nachzuschauen, wo seine Kleider-
karte -„Ja, Lerrgott, was hat denn Vater?" Mutter und
Tochter hörten einen dumpfen Lärm und blickten sich erschrocken an.
Da erschien der Gereizte auch schon im Türrahmen und brüllte:
„Sie ist fortl" — Die Frauen fuhren hoch, ließen ihr Essen stehen
und halfen sofort dem Vater suchen. Nachdem das ganze Lerren-
zimmer durchforscht war, meinte Lisa: „Vielleicht hast du sie in der
Brieftasche?" Ein wütender Blick Vaters machte sie verstummen.
„Dort habe ich natürlich zuerst nachgesehen," klang es dumpf wie
Gewittergrollen. — „In die Aktentasche kann sie wohl nicht geraten
sein?" fragte beherzt die Mutter. — „Ansinn," knurrte der Gattenlöwe,
„ganz so liederlich bin ich doch nicht!" Schweigend kramten alle
drei weiter. „Du hast heute früh noch einen großen Brief fertig-
gemacht. Du wirst sie doch nicht da hineingesteckt haben?" Diesen
Blödsinn fragte natürlich Lisa. Es war ihr Glück, daß Vater tat,
als hätte er überhaupt nichts gehört. „Oder vielleicht ist sie herunter-
Druckfehler
Im Leben jedes Junggesellen ist ein
bedauerlicher Leerfauf festzustellen.
Berufsehre
Der Vater war in seiner Ehre ge-
troffen. — Er nahm sich den Sohn vor:
„Was? Du als Sohn eines Eier-
großhändlers weißt nicht, wer Christoph
Kolumbus war?"
Eänsler senior drängt, daß sein
Sohn Lerbert endlich heirate. Eine
glänzende Partie hat er für ihn in Aus-
sicht: die Lulda Knobbe.
„Ausgeschlossen!" erklärt Lerbert.
„Kommt gar nicht für mich in Frage."
„Bei dem Vermögen!" jammert
Gänsler senior. „And sie ist doch ein
ganz nettes Mädchen. Die hätte ich
auch genommen." — „Das ist ganz was
andres — — da wäre sie auch noch
im richtigen Alter gewesen."
86
„Wenn Sie zwischen blond und schwarz unschlüssig
sind, liebes Fräulein, probieren Sie's doch mit mir,
ich bin neutral!"
Von der hiesigen Puppenklinik er-
hielt ich folgende Postkarte:
„Sehr geehrter Lerr!
Ihr schöner, großer Zelluloid-Babykopf
ist wieder hergestellt, und können Sie
denselben für Rm. 1.— abholen lassen.
Leil Litler!
Puppenklinik."
Neuerdings tragen manche Damen
so merkwürdige Lüte.
Frau Agathe Schwalb hat eine groß-
mütige Anwandlung: sie will Emma,
der Lausgehilfin, den Lut schenken, den
sie erst drei Wochen getragen hat.
Emma wird verlegen. „Ach nein,
gnä' Frau — ich will den Lut lieber
nicht. Den kann ich nicht aufsetzen."
„Aber Emma, ich habe ihn doch auch
getragen."
„Ja, Sie sind auch schon zehn Jahre
verheiratet. Aber mein Bräutigam
würde dann am Ende nichts mehr von
mir wissen wollen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn Sie zwischen blond und schwarz unschlüssig sind, liebes Fräulein, probieren Sie's doch mit mir, ich bin neutral!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4960, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg