Kleine Chronik
Der englische Rundfunk hat die Bewohner
der Provinz gewarnt, den „Geschichtenerzählern
aus London" zu glauben; was die aus der
Hauptstadt Geflüchteten über die dortigen
Zustände berichteten, seien verrückte Aebertrei-
bungen.
Der Rundfunk hat aber nicht hinzugefügt,
daß die Ausgeriffenen eben vor Angst und
Schrecken halb verrückt geworden seien.
In London wird auf den Resten jedes zer-
störten Gebäudes und jeder zerstörten Anlage
der Union-Jack gehißt.
Zuletzt wird der Union-Jack über den Trüm-
mern eines Weltreiches wehen.
Großbritannien und Siam, das jetzt Thai-
land heißt, haben einen Nichtangriffspakt ab-
geschloffen.
Churchill kann also dem aufatmenden Unter-
haus« Mitteilen, daß England von Siam keine
Gefahr drohe.
Schulden
Kredit ist für die Volkswirtschaft durchaus
notwendig. Basner, der tüchtige Kaufmann,
arbeitet auch mit Kredit. Er ist ein zuverläs-
siger Mann; feine Wechsel werden prompt
eingelöst.
Basner sitzt mit dem Registrator Woggen-
Der Dachschühe
„Goddam, das ist also der Ersatz für die Äöhen-
luftkur, die mir mein Hausarzt verordnet hat."
226
Lord Bluefox und sein Versuchskaninchen
„poor little Bessy, das hast du nicht
geahnt, daß ich mich an dir noch üben würde
für meinen künftigen Pelztierjägerberuf
in Kanada."
fuß zusammen. Zufällig spricht er von seinen
laufenden Verbindlichkeiten. Der Registrator
Woggenfuß erschaudert bei dem Gedanken, daß
er an Basners Stelle wäre. „Nein, das
könnte ich nicht; da hätteM keine ruhige
Stunde. Schulden zu haben — eine
schreckliche Vorstellung für mich! Wenn
ich abends mein müdes Haupt auf das
Kissen lege," - Woggenfuß drückt sich
gern geschwollen aus — „dann ist es
ein beruhigender, das Einschlafen beför-
dernder Gedanke für mich, daß ich auch
nicht einen Pfennig schuldig bin."
„Das stimmt nicht," sagt Basner.
„Sie sind doch was schuldig."
„Liber nein! Ich bezahle alles bar."
„So? Sie haben aber
doch Gas in der Küche
und im Badezimmer,
nicht wahr? And elektri-
sches Licht haben Sie
auch. Na also! And wenn
Sie eben erst die Gas-
und Stromrechnung be-
zahlt haben, sind Sie
doch schon wieder was
schuldig, denn seit dem
Ablesen der Zähler ist
gewöhnlich eine Woche
oder mehr vergangen."
DerRegistratorWog-
genfuß wird ganz blaß.
„Wahrhaftig, Sie ha-
ben recht. Ich werde
mir gleich einen Gas-
automaten aufstellen
lasten. And hoffentlich
gibt es auch einen für
die Elektrizität."
Der Große Kurfürst
<Am 1. Dezember 1910 werden es 300 Jahre, daß
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, zur
Regierung kam.)
Wie stanü's in jenen schlimmen Tagen
Um Deutschlands Schicksal doch so schlecht:
Ein Volk, uneinig und zerschlagen,
In langer Kriegesnot geschwächt,
Ein Kaiserhaus, das längst schon offen
Die eigne Hausmacht nur gewollt —
Da schien für Deutschland nicht zu hoffen.
Daß je es wieder blühen sollt'.
Da ward dem Brandenburger Lande
Ein neuer Herr, ein Jüngling zwar,
Dem doch die Pflicht im Fürstenstande
Dom ersten Tag das Höchste war.
Sein Land war klein, dazu zerrissen
Und arm und ohne Heereskraft,
Doch, trotzend allen Hindernissen,
Hat er das schwerste Werk geschafft.
Es galt seit Gustav Adolfs Tagen
Der Schwede doch als eine Macht,
Mit der nicht leicht ein Kampf zu wagen.
Dann kam die Fehrbelliner Schlacht,
2n der mit seinen jungen Jahnen
Herr Friedrich Wilhelm Sieg gewann.
Da mochte mancher vielleicht ahnen:
Hier wächst ein großer Staat heran.
Weit gingen Friedrich Wilhelms Blicke,
Ein größres Später zu erschaun:
Das Meer bringt günstige Geschicke,
Und Brandenburg muß Schiffe baun!
Am afrikanischen Gestade
Die Feste Friedrichsburg erstand.
Flieg', roter Adler, ferne Pfade!
Heil dir, du Brandenburger Land!
Dreihundert Jahre sind gegangen,
Seit Friedrich Wilhelm, kühn und klug,
Sein großes Werk einst angefangen,
Das Brandenburg zur Höhe trug.
Er hat zuerst den Weg gewiesen,
Wie Deutschlands Größe könnt' gedeihn.
Sein Angedenken soll gepriesen
Und allen Deutschen teuer sein!
„Meine Herren von der Presse! Hier habe ich den
schlagenden Beweis für die Pulverisierung der deutschen
Industriegebiete! Ein englischer Flieger brachte von einem
Feindflug diesen Beutel voll Staub und Mörtel mit!"
Der englische Rundfunk hat die Bewohner
der Provinz gewarnt, den „Geschichtenerzählern
aus London" zu glauben; was die aus der
Hauptstadt Geflüchteten über die dortigen
Zustände berichteten, seien verrückte Aebertrei-
bungen.
Der Rundfunk hat aber nicht hinzugefügt,
daß die Ausgeriffenen eben vor Angst und
Schrecken halb verrückt geworden seien.
In London wird auf den Resten jedes zer-
störten Gebäudes und jeder zerstörten Anlage
der Union-Jack gehißt.
Zuletzt wird der Union-Jack über den Trüm-
mern eines Weltreiches wehen.
Großbritannien und Siam, das jetzt Thai-
land heißt, haben einen Nichtangriffspakt ab-
geschloffen.
Churchill kann also dem aufatmenden Unter-
haus« Mitteilen, daß England von Siam keine
Gefahr drohe.
Schulden
Kredit ist für die Volkswirtschaft durchaus
notwendig. Basner, der tüchtige Kaufmann,
arbeitet auch mit Kredit. Er ist ein zuverläs-
siger Mann; feine Wechsel werden prompt
eingelöst.
Basner sitzt mit dem Registrator Woggen-
Der Dachschühe
„Goddam, das ist also der Ersatz für die Äöhen-
luftkur, die mir mein Hausarzt verordnet hat."
226
Lord Bluefox und sein Versuchskaninchen
„poor little Bessy, das hast du nicht
geahnt, daß ich mich an dir noch üben würde
für meinen künftigen Pelztierjägerberuf
in Kanada."
fuß zusammen. Zufällig spricht er von seinen
laufenden Verbindlichkeiten. Der Registrator
Woggenfuß erschaudert bei dem Gedanken, daß
er an Basners Stelle wäre. „Nein, das
könnte ich nicht; da hätteM keine ruhige
Stunde. Schulden zu haben — eine
schreckliche Vorstellung für mich! Wenn
ich abends mein müdes Haupt auf das
Kissen lege," - Woggenfuß drückt sich
gern geschwollen aus — „dann ist es
ein beruhigender, das Einschlafen beför-
dernder Gedanke für mich, daß ich auch
nicht einen Pfennig schuldig bin."
„Das stimmt nicht," sagt Basner.
„Sie sind doch was schuldig."
„Liber nein! Ich bezahle alles bar."
„So? Sie haben aber
doch Gas in der Küche
und im Badezimmer,
nicht wahr? And elektri-
sches Licht haben Sie
auch. Na also! And wenn
Sie eben erst die Gas-
und Stromrechnung be-
zahlt haben, sind Sie
doch schon wieder was
schuldig, denn seit dem
Ablesen der Zähler ist
gewöhnlich eine Woche
oder mehr vergangen."
DerRegistratorWog-
genfuß wird ganz blaß.
„Wahrhaftig, Sie ha-
ben recht. Ich werde
mir gleich einen Gas-
automaten aufstellen
lasten. And hoffentlich
gibt es auch einen für
die Elektrizität."
Der Große Kurfürst
<Am 1. Dezember 1910 werden es 300 Jahre, daß
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, zur
Regierung kam.)
Wie stanü's in jenen schlimmen Tagen
Um Deutschlands Schicksal doch so schlecht:
Ein Volk, uneinig und zerschlagen,
In langer Kriegesnot geschwächt,
Ein Kaiserhaus, das längst schon offen
Die eigne Hausmacht nur gewollt —
Da schien für Deutschland nicht zu hoffen.
Daß je es wieder blühen sollt'.
Da ward dem Brandenburger Lande
Ein neuer Herr, ein Jüngling zwar,
Dem doch die Pflicht im Fürstenstande
Dom ersten Tag das Höchste war.
Sein Land war klein, dazu zerrissen
Und arm und ohne Heereskraft,
Doch, trotzend allen Hindernissen,
Hat er das schwerste Werk geschafft.
Es galt seit Gustav Adolfs Tagen
Der Schwede doch als eine Macht,
Mit der nicht leicht ein Kampf zu wagen.
Dann kam die Fehrbelliner Schlacht,
2n der mit seinen jungen Jahnen
Herr Friedrich Wilhelm Sieg gewann.
Da mochte mancher vielleicht ahnen:
Hier wächst ein großer Staat heran.
Weit gingen Friedrich Wilhelms Blicke,
Ein größres Später zu erschaun:
Das Meer bringt günstige Geschicke,
Und Brandenburg muß Schiffe baun!
Am afrikanischen Gestade
Die Feste Friedrichsburg erstand.
Flieg', roter Adler, ferne Pfade!
Heil dir, du Brandenburger Land!
Dreihundert Jahre sind gegangen,
Seit Friedrich Wilhelm, kühn und klug,
Sein großes Werk einst angefangen,
Das Brandenburg zur Höhe trug.
Er hat zuerst den Weg gewiesen,
Wie Deutschlands Größe könnt' gedeihn.
Sein Angedenken soll gepriesen
Und allen Deutschen teuer sein!
„Meine Herren von der Presse! Hier habe ich den
schlagenden Beweis für die Pulverisierung der deutschen
Industriegebiete! Ein englischer Flieger brachte von einem
Feindflug diesen Beutel voll Staub und Mörtel mit!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lord Bluefox und sein Versuchskaninchen" "Der Dachschütze" "Meine Herren von der Presse! Hier habe ich den schlagenden Beweis für die Pulverisierung der deutschen Industriegebiete!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4971, S. 226
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg