Die Widmung
Nein, „Mitarbeit", das war nichts. — Sakra, Sakra, wie hieß nun
endlich das allein treffende Wort, mit dem man nicht zu viel und
nicht zu wenig sagte? „Reisetätigkeit?" — Torheit! Die drei Lerren
reisten nur ein paar Tage in der Woche und arbeiteten die übrige
Zeit an ihre» Wohnplätzen. — Zudem waren sie Landelsvertreter
rein auf Provisionsbasis und überhaupt nicht eigentlich Reisende,
die ja festbesoldete Angestellte sind. — Der Chef schwitzte.
Wie wäre es mit „Verkaufsleistung?" — Ganz gut, gewiß. Aber
das Beiwvrt „Verkaufs", enthielt es nicht im Grunde eine War-
nung: Vorsicht, vor dir steht eine Verkaufskanone! Ein Mann, der
mehr notiert, als man bestellen will. — Mit einem fetten Strich
löschte Bronnicke das Wort „Verkaufs" aus der Bindung, und
übrig behielt er: „Leistung". Einfach „Leistung". Nichts sonst,
„Leistung." Der Chef betrachtete das so bekannte und geläufige Wort
lange. „Leistung," dieses gute alte Wort, es war auch hier nicht
schlecht gewählt, wirklich, gar nicht schlecht, denn: Es war diskret! —
Es war sogar dezent. Es steckte voller Anerkennung, ganz ohne
Zweifel. „Leistung?" Wenn man es richtig überlegte, drückte es
eigentlich alles Erforderliche aus. Es ehrte die Vertreter, es ehrte
die eigene Firma, und der Kundschaft, der tat es nicht den gering-
sten Zwang an; es brachte ihr sogar Lochachtung bei. „Leistung,"
ja, das war am Ende doch das richtige!
Also blieb Bronnicke bei der Fassung: „Für hervorragende Leistung."
Machte man nun noch die Mehrzahl daraus, so war damit die Viel-
fältigkeit der Bemühungen angedeutet, die ein Vertreter zu bewäl-
tigen hat, sonst gelangt, er eben nicht zu „Leistungen." — Also
„Leistungen." Großartig! Der Chef schrieb deutlich die Mehrzahl-
endung hinzu, schaute an, was er gemacht hatte, und siehe da: Es
war sehr gut.
Weiter. — Weiter? Was denn nun noch? Mehr war doch eigent-
lich nicht zu sagen! Einen Roman konnte man schließlich nicht in einen
Uhrdeckel gravieren. — Also nun noch die Firma „Bronnicke & Co."
dahinter, und die ganze Widmung war fertig.
So. Schön. Sehr schön. — And nun wollen wir mal diesen Döskopp
von einem Bommes Hereinrufen und ihm zeigen, wie sowas gemacht
wird! Der Senior senkte den Zeigefinger auf den Klingelknopf. Da-
bei überlas er »och einmal rasch beide Texte, die nebeneinander vor
ihm lagen.
Aber was war das! Er erbleichte und zuckte zusammen, den» cs
war furchtbar, was er entdeckt hatte: Bommes Text und sein eigener
stimmten wortwörtlich überein!
Dem Alten blieb gerade noch soviel Zeit, sein eigenes Kunstwerk
geschwind in der Schublade des Schreibtisches verschwinden zu lassen,
als der Korrespondent auch schon eintrat. Was würde es nun schon
wieder geben?
Der Chef aber sagte, tief aus den Tisch gebeugt und sein Gesicht
>>» Schatten haltend: „Was ich sagen wollte, lieber Bommes — sind
eigentlich die Offerten für das Iapangeschäft schon in Butter? —
Ja? Na, dann is gut!" Er nickte dem verblüfften Korrespondenten
zu und meinte noch: „Uebrigens, an den Uhrentext bin ich natürlich
keineswegs gelangt. Latte zuviel Abhaltung. — Na ja, nehmen wir
also den Ihrigen! Sprachen ja schon kurz darüber. So ganz war
ich ja von ihm auf Anhieb nicht überzogen. Aber schließlich: Wir
wollen uns unsere Lerren Vertreter nicht gar zu üppig machen.
Wenn Sie das bei Ihrer etwas simplen Formulierung im Sinne
hatten: gut." Er schob dem Korrespondenten, der sich so unerwartet
in die alte Ehre wieder eingesetzt sah, dessen Text zu und winkte
nach den Uhren hin: „Nehmen Sie die Dinger gleich mit und ver-
anlassen Sie, bitte, alles weitere." — Wie ein Torero marschierte
der kleine Bommes, die Nase ge» Limmel, hinaus.
Der Alte lauschte ihm nach, und als er sich vor Ueberraschung
sicher glaubte, zog er seinen eigenen Entwurf aus der Schublade
und zerriß ihn, ohne noch einen Blick darauf zu werfen, in so zahl-
lose Stückchen, daß kein Papierkünstler der Welt ihn wieder hätte
zusammensehen können. Erst wollte er die Schnitzel in den Papier-
korb versenken, dann besann er sich aber eines besseren u»d steckte
sie tief in die Westentasche.
Darauf steckte er sich umständlich eine Zigarre an. Dabei' mar-
schierte aus seiue» Augenwinkeln ein Lächeln auf und nahm, sieghaft
vordringend, von dem ganzen guten, breiten Bicdermannsgesicht
Besitz. Ja, schließlich wurde es zu einem deutlich glucksenden Lachen.
Die Bronnickes, Gott sei Dank, gehörten zu der Menschenart.
die Lumor hat!
Kleine Chronik
Der englische Schriftsteller Norman
Angell hat in New Vork vor einer
„Franenliga für Palästina" erklärt,
das Judentum sei in tödlicher Ge-
fahr, wenn England zugrunde gehe.
Ja ja — ei» Kompaniegeschäft,
dem die Pleite droht.
General Wawell sollte vom King
zum „Viscount of Benghasi" er-
nannt werden. Das C ekcet war be-
reits ausgefertigt, als die Engländer
Benghasi räumen mußten.
Mit der Ernennung war es wie
mit Wavells Truppen: beide mußten
zurückgenommen werden.
Reuter hat erklärt: „DieBerichtedes
Kriegsministeriums können manch-
mal nicht zutreffen, denn sie sind dann
nicht für das englische Publikum,
sondern zur Täuschung des Feindes
bestimmt."
Das englische Publikum wird sin-
den, daß im Laufe dieses Krieges das
Kriegsministerium gar zu oft — frei-
lich vergeblich — versucht hat, den
Feind zu täuschen.
Der Schweizer Bundesrat hat be-
schlossen, daß die von der Schweiz
gecharterte» Schiffe die Schweizer
Flagge führen sollen.
Man muß der Schweiz wünschen,
daß die Engländer ihre Flagge nicht
mit deren Umkehrung, den: Zeichen
des Roten Kreuzes, verwechseln und
die Schiffe deshalb angreifen.
Ein Seufzer der „Times": „Die
Gegenwart ist dunkel, und die Zu-
kunft scheint nicht hell."
Allerdings — die Sonne Englands
ist ein für allemal untergegangen.
Das britische Schiffahrtsministc-
rium wird die Verluste an Landels-
tonnage nicht mehr wöchentlich, son-
dern nur noch monatlich bekannt geben.
Ein Schritt zur Besserung: man
will nicht mehr so oft schwindeln.
Jimmy Roosevelt, der älteste Sohn
des Präsidenten, wollte als „Beob-
achter" nach Jugoslawien gehen, hat
aber diesen Plan angesichts der
Schnelligkeit des deutschen Vor-
gehens aufgegeben. — Jetzt beobach-
tet er nur Stillschweigen.
„Wenn ihr Lunger habt, dann denkt daran, daß unsere
armen Prinzessinnen Elisabeth und Margaret-Rose auf
ihren Pudding verzichten müssen."
233
Nein, „Mitarbeit", das war nichts. — Sakra, Sakra, wie hieß nun
endlich das allein treffende Wort, mit dem man nicht zu viel und
nicht zu wenig sagte? „Reisetätigkeit?" — Torheit! Die drei Lerren
reisten nur ein paar Tage in der Woche und arbeiteten die übrige
Zeit an ihre» Wohnplätzen. — Zudem waren sie Landelsvertreter
rein auf Provisionsbasis und überhaupt nicht eigentlich Reisende,
die ja festbesoldete Angestellte sind. — Der Chef schwitzte.
Wie wäre es mit „Verkaufsleistung?" — Ganz gut, gewiß. Aber
das Beiwvrt „Verkaufs", enthielt es nicht im Grunde eine War-
nung: Vorsicht, vor dir steht eine Verkaufskanone! Ein Mann, der
mehr notiert, als man bestellen will. — Mit einem fetten Strich
löschte Bronnicke das Wort „Verkaufs" aus der Bindung, und
übrig behielt er: „Leistung". Einfach „Leistung". Nichts sonst,
„Leistung." Der Chef betrachtete das so bekannte und geläufige Wort
lange. „Leistung," dieses gute alte Wort, es war auch hier nicht
schlecht gewählt, wirklich, gar nicht schlecht, denn: Es war diskret! —
Es war sogar dezent. Es steckte voller Anerkennung, ganz ohne
Zweifel. „Leistung?" Wenn man es richtig überlegte, drückte es
eigentlich alles Erforderliche aus. Es ehrte die Vertreter, es ehrte
die eigene Firma, und der Kundschaft, der tat es nicht den gering-
sten Zwang an; es brachte ihr sogar Lochachtung bei. „Leistung,"
ja, das war am Ende doch das richtige!
Also blieb Bronnicke bei der Fassung: „Für hervorragende Leistung."
Machte man nun noch die Mehrzahl daraus, so war damit die Viel-
fältigkeit der Bemühungen angedeutet, die ein Vertreter zu bewäl-
tigen hat, sonst gelangt, er eben nicht zu „Leistungen." — Also
„Leistungen." Großartig! Der Chef schrieb deutlich die Mehrzahl-
endung hinzu, schaute an, was er gemacht hatte, und siehe da: Es
war sehr gut.
Weiter. — Weiter? Was denn nun noch? Mehr war doch eigent-
lich nicht zu sagen! Einen Roman konnte man schließlich nicht in einen
Uhrdeckel gravieren. — Also nun noch die Firma „Bronnicke & Co."
dahinter, und die ganze Widmung war fertig.
So. Schön. Sehr schön. — And nun wollen wir mal diesen Döskopp
von einem Bommes Hereinrufen und ihm zeigen, wie sowas gemacht
wird! Der Senior senkte den Zeigefinger auf den Klingelknopf. Da-
bei überlas er »och einmal rasch beide Texte, die nebeneinander vor
ihm lagen.
Aber was war das! Er erbleichte und zuckte zusammen, den» cs
war furchtbar, was er entdeckt hatte: Bommes Text und sein eigener
stimmten wortwörtlich überein!
Dem Alten blieb gerade noch soviel Zeit, sein eigenes Kunstwerk
geschwind in der Schublade des Schreibtisches verschwinden zu lassen,
als der Korrespondent auch schon eintrat. Was würde es nun schon
wieder geben?
Der Chef aber sagte, tief aus den Tisch gebeugt und sein Gesicht
>>» Schatten haltend: „Was ich sagen wollte, lieber Bommes — sind
eigentlich die Offerten für das Iapangeschäft schon in Butter? —
Ja? Na, dann is gut!" Er nickte dem verblüfften Korrespondenten
zu und meinte noch: „Uebrigens, an den Uhrentext bin ich natürlich
keineswegs gelangt. Latte zuviel Abhaltung. — Na ja, nehmen wir
also den Ihrigen! Sprachen ja schon kurz darüber. So ganz war
ich ja von ihm auf Anhieb nicht überzogen. Aber schließlich: Wir
wollen uns unsere Lerren Vertreter nicht gar zu üppig machen.
Wenn Sie das bei Ihrer etwas simplen Formulierung im Sinne
hatten: gut." Er schob dem Korrespondenten, der sich so unerwartet
in die alte Ehre wieder eingesetzt sah, dessen Text zu und winkte
nach den Uhren hin: „Nehmen Sie die Dinger gleich mit und ver-
anlassen Sie, bitte, alles weitere." — Wie ein Torero marschierte
der kleine Bommes, die Nase ge» Limmel, hinaus.
Der Alte lauschte ihm nach, und als er sich vor Ueberraschung
sicher glaubte, zog er seinen eigenen Entwurf aus der Schublade
und zerriß ihn, ohne noch einen Blick darauf zu werfen, in so zahl-
lose Stückchen, daß kein Papierkünstler der Welt ihn wieder hätte
zusammensehen können. Erst wollte er die Schnitzel in den Papier-
korb versenken, dann besann er sich aber eines besseren u»d steckte
sie tief in die Westentasche.
Darauf steckte er sich umständlich eine Zigarre an. Dabei' mar-
schierte aus seiue» Augenwinkeln ein Lächeln auf und nahm, sieghaft
vordringend, von dem ganzen guten, breiten Bicdermannsgesicht
Besitz. Ja, schließlich wurde es zu einem deutlich glucksenden Lachen.
Die Bronnickes, Gott sei Dank, gehörten zu der Menschenart.
die Lumor hat!
Kleine Chronik
Der englische Schriftsteller Norman
Angell hat in New Vork vor einer
„Franenliga für Palästina" erklärt,
das Judentum sei in tödlicher Ge-
fahr, wenn England zugrunde gehe.
Ja ja — ei» Kompaniegeschäft,
dem die Pleite droht.
General Wawell sollte vom King
zum „Viscount of Benghasi" er-
nannt werden. Das C ekcet war be-
reits ausgefertigt, als die Engländer
Benghasi räumen mußten.
Mit der Ernennung war es wie
mit Wavells Truppen: beide mußten
zurückgenommen werden.
Reuter hat erklärt: „DieBerichtedes
Kriegsministeriums können manch-
mal nicht zutreffen, denn sie sind dann
nicht für das englische Publikum,
sondern zur Täuschung des Feindes
bestimmt."
Das englische Publikum wird sin-
den, daß im Laufe dieses Krieges das
Kriegsministerium gar zu oft — frei-
lich vergeblich — versucht hat, den
Feind zu täuschen.
Der Schweizer Bundesrat hat be-
schlossen, daß die von der Schweiz
gecharterte» Schiffe die Schweizer
Flagge führen sollen.
Man muß der Schweiz wünschen,
daß die Engländer ihre Flagge nicht
mit deren Umkehrung, den: Zeichen
des Roten Kreuzes, verwechseln und
die Schiffe deshalb angreifen.
Ein Seufzer der „Times": „Die
Gegenwart ist dunkel, und die Zu-
kunft scheint nicht hell."
Allerdings — die Sonne Englands
ist ein für allemal untergegangen.
Das britische Schiffahrtsministc-
rium wird die Verluste an Landels-
tonnage nicht mehr wöchentlich, son-
dern nur noch monatlich bekannt geben.
Ein Schritt zur Besserung: man
will nicht mehr so oft schwindeln.
Jimmy Roosevelt, der älteste Sohn
des Präsidenten, wollte als „Beob-
achter" nach Jugoslawien gehen, hat
aber diesen Plan angesichts der
Schnelligkeit des deutschen Vor-
gehens aufgegeben. — Jetzt beobach-
tet er nur Stillschweigen.
„Wenn ihr Lunger habt, dann denkt daran, daß unsere
armen Prinzessinnen Elisabeth und Margaret-Rose auf
ihren Pudding verzichten müssen."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn ihr Hungert habt..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 194.1941, Nr. 4998, S. 233
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg