Der Zitronensirup V°» Alfr.v Richter
Ich studierte gerade in Weltvergessenheit eine er-
leuchtete Abhandlung des Dr. Florian Lasenflug über
die Apanishaden der Weden, als meine Frau in mein Zim-
mer geprasselt kam mit der Frage: „Sag mal, magst du
Zitronensirup?"
Wenn man gerade in die Apanishaden der Weden ver-
sunken ist, kann man sich nicht so ohne weiteres in den
Zitronensirup hineinversetzen. Ich muß meine Frau also
ziemlich blöde angeschaut haben. Sie wurde ungeduldig.
„Weißt du nicht, was Zitronensirup ist?" fragte sie.
Nein, das wußte ich nicht. Ich gestand es ein. „Aber
Zitronenstrup ist doch etwas kolossal Praktisches!" rief meine
Frau, „Tuschen Timpetank schreibt gerade, daß sie ihn auch
verwendet!" Noch immer im Banne der Apanishaden
und somit zu törichten Fragen aufgelegt, erkundigte ich
mich, wer eigentlich Suschen Timpetank sei.
„Das ist meine beste Freundin aus der Pension!" ries
meine Frau, „ich bin glücklich, daß Suschen Timpetank
nach zwanzig Jahren mal wieder an mich schreibt!"
„Da wird es ja Zeit," meinte ich, „aber da sie dir eine
lebenswichtige Mitteilung über den Zitronensirup macht,
soll sie mir gepriesen sein! Wie verwendet man denn den
Zitronenstrup?"
„Das kann man machen, wie man will, dafür gibt es
vielerlei Verwendungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall muß
man ihn erst mal haben!" erklärte meine Frau.
Lätte ich ihr darin widersprechen können? Sie hatte
recht! „Was du erfahren von der Freundin hast, erwirb
es, um es zu verwenden!" oder so ähnlich sagt Schiller in
Goethes Faust, ein Zitat, das man unbedingt beherzigen
muß. Ich war dazu ohne weiteres bereit. „Schön," sagte
ich, „gehe nur gleich und kaufe Zitronensirup ein!" und
wollte mich wieder den zitronensirupfreien Apanishaden der Weden zu-
wenden. Das sollte mir aber nicht gelingen. „Ich hatte eigentlich einen
andern Vorschlag," fiel mir meine Frau in die Gedanken, „du reisest
doch heute abend nach Berlin, Berlin ist Weltstadt, Berlin ist Berlin,
in Berlin muß es Zitronensirup geben!"
„And hier gibt's keinen?"
„Es wird hier vielleicht auch welchen geben, warum nicht? Aber in
Berlin ist er bestimmt billiger!"
„Meinst du?"
„Ich meine nicht, sondern ich weiß es! Suschen Timpetank schreibt
es doch! Die wohnt doch in Berlin."
„Was kostet er denn in Berlin?"
„Du hast doch mehr Glück wie ich, bei mir fressen se nich mal
den Köder weg!"
„Das weiß ich nicht. Den genauen Betrag hat Suschen Tim-
petank nicht mitgeteilt. Sie schreibt nur: „And er ist sehr billig!"
„Also gut," seufzte ich und wandte mich nunmehr endgültig
den verwaisten Apanishaden der Weden wieder zu, „ich werde dir
Zitronenstrup aus Berlin mitbringen. Aebrigens, ick fahre nicht
direkt nach Berlin, damit du's weißt, ich habe erst noch in Mag-
deburg zu tun und bleibe also einen Tag in Magdeburg."
„Das ist ja großartig," freute sich meine Frau, „da fragst du
also auch gleich in Magdeburg nach Zitronenstrup. Wo er billiger
ist, da nimmst du ihn."
„Ja, wenn ich in Magdeburg zuerst frage, weiß ich doch noch
nicht, was er danach in Berlin kostet!"
Meine Frau sah mich mit jenem Mitleid an, daß man immer
den törichten Gelehrten zollt, und erklärte: „Dann nimmst du eben
in Magdeburg auf jeden Fall eine Flasche, und wenn du danach
in Berlin billigeren siehst, auch noch eine. In Zukunft würden
wir ihn dann natürlich immer von Berlin beziehen."
Diese praktische Lösung leuchtete mir ein, und ich verfuhr nach
ihr. Ich stahl mir in Magdeburg die Zeit ab und flanierte nack-
einschlägigen Geschäften umher, und richtig, es gab Zitronenstrup,
und er kostete 78 Pfennig. Ich nahm an, daß das billig sei, und
kaufte eine Pulle. In Berlin gab es dann welchen, der war noch
billiger und kostete nur 76 Pfennig. Ich erwarb auch hier eine
Flasche und war mit mir sehr zufrieden. Wie würde meine prak-
tische und sparsame Frau mich loben! Als ich dann wieder zu
Lause war, packte ich denn auch als erstes den Zitronenstrup aus
und baute ihn auf den Tisch. Meine Frau aber, statt in Lobes-
hymnen sich zu ergießen, schaute die beiden Pullen mit einem
strengen Blick an. „Was kostet das Zeug denn?" fragte sie.
„Der Magdeburger 78 und der Berliner 76," erklärte ich eifrig.
Da traf mich ein vernichtender Blick. „Ja," sagte meine Frau
mit Grabesstimme, „Männer muß man bloß schicken. Nachdem
du abgereist warst, habe ich mich hier erkundigt: bei uns am Ort
kostet er nämlich nur 74!"
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Ich studierte gerade in Weltvergessenheit eine er-
leuchtete Abhandlung des Dr. Florian Lasenflug über
die Apanishaden der Weden, als meine Frau in mein Zim-
mer geprasselt kam mit der Frage: „Sag mal, magst du
Zitronensirup?"
Wenn man gerade in die Apanishaden der Weden ver-
sunken ist, kann man sich nicht so ohne weiteres in den
Zitronensirup hineinversetzen. Ich muß meine Frau also
ziemlich blöde angeschaut haben. Sie wurde ungeduldig.
„Weißt du nicht, was Zitronensirup ist?" fragte sie.
Nein, das wußte ich nicht. Ich gestand es ein. „Aber
Zitronenstrup ist doch etwas kolossal Praktisches!" rief meine
Frau, „Tuschen Timpetank schreibt gerade, daß sie ihn auch
verwendet!" Noch immer im Banne der Apanishaden
und somit zu törichten Fragen aufgelegt, erkundigte ich
mich, wer eigentlich Suschen Timpetank sei.
„Das ist meine beste Freundin aus der Pension!" ries
meine Frau, „ich bin glücklich, daß Suschen Timpetank
nach zwanzig Jahren mal wieder an mich schreibt!"
„Da wird es ja Zeit," meinte ich, „aber da sie dir eine
lebenswichtige Mitteilung über den Zitronensirup macht,
soll sie mir gepriesen sein! Wie verwendet man denn den
Zitronenstrup?"
„Das kann man machen, wie man will, dafür gibt es
vielerlei Verwendungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall muß
man ihn erst mal haben!" erklärte meine Frau.
Lätte ich ihr darin widersprechen können? Sie hatte
recht! „Was du erfahren von der Freundin hast, erwirb
es, um es zu verwenden!" oder so ähnlich sagt Schiller in
Goethes Faust, ein Zitat, das man unbedingt beherzigen
muß. Ich war dazu ohne weiteres bereit. „Schön," sagte
ich, „gehe nur gleich und kaufe Zitronensirup ein!" und
wollte mich wieder den zitronensirupfreien Apanishaden der Weden zu-
wenden. Das sollte mir aber nicht gelingen. „Ich hatte eigentlich einen
andern Vorschlag," fiel mir meine Frau in die Gedanken, „du reisest
doch heute abend nach Berlin, Berlin ist Weltstadt, Berlin ist Berlin,
in Berlin muß es Zitronensirup geben!"
„And hier gibt's keinen?"
„Es wird hier vielleicht auch welchen geben, warum nicht? Aber in
Berlin ist er bestimmt billiger!"
„Meinst du?"
„Ich meine nicht, sondern ich weiß es! Suschen Timpetank schreibt
es doch! Die wohnt doch in Berlin."
„Was kostet er denn in Berlin?"
„Du hast doch mehr Glück wie ich, bei mir fressen se nich mal
den Köder weg!"
„Das weiß ich nicht. Den genauen Betrag hat Suschen Tim-
petank nicht mitgeteilt. Sie schreibt nur: „And er ist sehr billig!"
„Also gut," seufzte ich und wandte mich nunmehr endgültig
den verwaisten Apanishaden der Weden wieder zu, „ich werde dir
Zitronenstrup aus Berlin mitbringen. Aebrigens, ick fahre nicht
direkt nach Berlin, damit du's weißt, ich habe erst noch in Mag-
deburg zu tun und bleibe also einen Tag in Magdeburg."
„Das ist ja großartig," freute sich meine Frau, „da fragst du
also auch gleich in Magdeburg nach Zitronenstrup. Wo er billiger
ist, da nimmst du ihn."
„Ja, wenn ich in Magdeburg zuerst frage, weiß ich doch noch
nicht, was er danach in Berlin kostet!"
Meine Frau sah mich mit jenem Mitleid an, daß man immer
den törichten Gelehrten zollt, und erklärte: „Dann nimmst du eben
in Magdeburg auf jeden Fall eine Flasche, und wenn du danach
in Berlin billigeren siehst, auch noch eine. In Zukunft würden
wir ihn dann natürlich immer von Berlin beziehen."
Diese praktische Lösung leuchtete mir ein, und ich verfuhr nach
ihr. Ich stahl mir in Magdeburg die Zeit ab und flanierte nack-
einschlägigen Geschäften umher, und richtig, es gab Zitronenstrup,
und er kostete 78 Pfennig. Ich nahm an, daß das billig sei, und
kaufte eine Pulle. In Berlin gab es dann welchen, der war noch
billiger und kostete nur 76 Pfennig. Ich erwarb auch hier eine
Flasche und war mit mir sehr zufrieden. Wie würde meine prak-
tische und sparsame Frau mich loben! Als ich dann wieder zu
Lause war, packte ich denn auch als erstes den Zitronenstrup aus
und baute ihn auf den Tisch. Meine Frau aber, statt in Lobes-
hymnen sich zu ergießen, schaute die beiden Pullen mit einem
strengen Blick an. „Was kostet das Zeug denn?" fragte sie.
„Der Magdeburger 78 und der Berliner 76," erklärte ich eifrig.
Da traf mich ein vernichtender Blick. „Ja," sagte meine Frau
mit Grabesstimme, „Männer muß man bloß schicken. Nachdem
du abgereist warst, habe ich mich hier erkundigt: bei uns am Ort
kostet er nämlich nur 74!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"So, mein Junge..." "Du hast doch mehr Glück wie ich..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5005, S. 7
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg