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Arkadij geht es immer besser .. .

Von Josef Robert Larrer

Auch Arkadij ist ein Opfer der Segnungen Lenins und Stalins.
Aber er ist zum Unterschiede von den Millionen anderer ein
Opfer mit zwei lachenden Augen. Arkadij hatte vor Jahren ein
Monatseinkommen von einigen hundert Rubel. Damals ging es ihm
nicht schlecht; er hatte zwar Schulden, man sperrte ihm jeden zweiten
Monat das elektrische Licht und das Gas ab; er wurde jedes Viertel-
jahr fünfmal gepfändet; seine Frau mußte sich die Lüte von einem
Freund zahlen lassen, und beim Kartenspiel mußte Arkadij dem Glücke
durch Schwindeln nachhelfen.

Jetzt, im schönen Zeitalter Väterchen Stalins hat Arkadij kaum ein
Drittel seines früheren Einkommens, gar nicht abgerechnet: Krisensteuer,
Verheiratetensteuer, Luftschnappsteuer, Straßenbenützungsextrasteuer,
Speisesodasteuer, Richthühneraugenbesitzersteuer, rote Propaganda-
steuer und freiwillige Abgabe für Stalins künftigen goldenen Sarg. Er
zahlt auch jeden Montag um acht Ahr die Aebergangssteuer, die alle
Russen zahlen müssen, die eine größere Schuhnummer als 48 haben.

And dennoch geht es Arkadij besser als früher. Das ist so gekommen.

Arkadij hat alle Ersparungsmöglichkeiten in monatelanger Denkarbeit
erwogen. Er hat zu diesem Zwecke Philosophie und Geschichte studiert.
Er hat sich den großen Geistern der Vergangenheit genähert.

Arkadij raucht nicht. Auch
Peter der Große hat nicht
geraucht; daß aber Peter
einem guten Tropfen Wein
oder Schnaps nicht abgeneigt
war, das interessiert Arkadij
nicht. Er ahmt nur das nach,
wobei er sich etwas ersparen
kann. — Was den Wein be-
trifft, hält er sich nämlich an
den großen Propheten Mo-
hammed, der den Rebensaft
verabscheut hat. — Arkadij
geht in kein Kaffeehaus oder
Gasthaus; auch Boris Go-
dunow mied die Gaststätten.

Weil sich aber Arkadij bei
seinen Studien durchaus nicht
auf seine Leimat beschränkte,
sondern auch die großen Gei-
ster der ganzen Welt in Be-
tracht zog, fand er für alles
etwas Nachahmenswertes.

Er kauft z. B. nur faule
Aepfel und denkt dabei an
Schiller. Er gehtin kein Kino,
denn auch Dante besuchte
Zeit seines Lebens kein Kino.

Ihm ist auch das Theater
fremd; er hat nirgends ge-
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lesen, daß Buddha je in einem Theater gewesen wäre. — Arkadij
trinkt keinen Kaffee; auch Cäsar hat nie Kaffee getrunken.

Arkadij fährt nicht mit der Straßenbahn; auch Marko Polo ist
nie mit der Straßenbahn gefahren.

Arkadij benützt keinen Lift, kein Motorboot, kein Fernglas;
Alexander der Große, Kolumbus, Aeneas haben ihn das gelehrt.

Arkadij liest kein Buch mehr; auch der sagenhafte Adam der Erste
hat nie ein Buch gelesen. Arkadij kauft kein Vereinsabzeichen, keinen
Radiolautsprecher, keine Zeitung, keine Füllfeder: Katharina, die
Männertolle, Spinoza, Papst Gregor und Ovid sind schuld daran.
Arkadij braucht kein Weekendhaus für den Sommer, keinen Regen-
schirm, kein Feuerzeug, keine Bügelfalte; Grund: Diogenes, Alrich
von Lutten, Sokrates, Wallenstein. — And deshalb geht es Arkadij
immer besser. Er erspart sich monatlich fünf Rubel; für das tägliche
Leben braucht er nur einen Rubel; davon kann auch seine Frau
leben. Der Rest gehört dem herrlichen Staate Stalins.

Man sperrt ihm weder Gas noch elektrisches Licht ab: er braucht
beides nicht. Er wird nicht mehr gepfändet, er muß beim Kartenspiel
nicht mehr schwindeln, denn er rührt keine Spielkarte mehr an. Seine
Frau braucht keinen Freund, der ihre Lüte bezahlt. Sie trägt

keine Lüte mehr.

Kurz: Arkadij samt Frau
geht es gut, geht es
besser...

Aber allen anderen geht
es schlechter: dem Tabakver-
käuser, dem Kaffeehaus, dem
Kino, dem Lutgeschäft und
so weiter. Schuld daran ist,
daß Arkadij ein unsoziales
Leben führt, weil er endlich
so lebt, wie er seinem Ein-
kommen nach leben muß. Aber
dafür hat Väterchen Stalin
kein Verständnis. Er hat
Arkadij vor das Gericht stel-
len kaffen- Obwohl er dem
Richter beweist, daß er nicht
anders leben kann, ohne sich
in Schulden zu stürzen, wird
er wegen Sabotage verur-
teilt. Er muß wieder über
seine Verhältnisse leben, er
muß Schulden machen, denn
es darf nicht den Anschein
haben, als ob es den Men-
schen im Sowjetstaat schlecht
gehe ... Er mutz über seine
Verhältnisse leben, sonst wird
er erschossen . . .

„Mutti, heute hat's Zeugnisse gegeben. Ich Hab drei Vierer."
„Dann laß dich nur nicht vor Vater sehen I"

„Er sieht wohl finster aus?" — „Ja, stockfinster."
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Titel/Objekt
"Mutti, heute hat's Zeugnisse gegeben"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Traub, Gustav
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5015, S. 162

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