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Der Vagabund

„Vorläufig liegt er noch im Bett. And weggegessen hat er uns
eigentlich nichts. Allerdings, zu trinken verlangte er sofort."

Was machte Freund Braun für Augen, als er dieses vernehmen
mußte. „Was?" rief er entsetzt, „gleich zu trinken? Also, ein Säufer
ist er obendrein? Ja, was sagt denn deine Frau zu dem allem?"
„Die? Die ist eifriger als ich bei der ganzen Sache. And gerade sie
ist es, die mich zu dir geschickt hat. Du willst ja nun aber durchaus
nicht mitkommen!"

„Wenn deiner Frau so viel daran liegt," erklärte aber Freund
Braun, „dann muß ich ja wohl meine Bedenken zurückstellen. Denn
natürlich hat deine Frau wieder einmal die Lauptlast —"

„Die hat sie," bekräftigte Mörgner bereitwillig, „da hast du aller-
dings recht." (Fortsetzung auf Sette 38»

Recht wörtlich

„Diese Landschuhe habe ich mir vom Munde abgespart!"
„Gehungert?" — „Nein; drei Monate keine Lippenstifte gekauft!"

Liebe auf den ersten Blick Von R°-ph urban

„Acht Mark sechzig," sagte der Beamte am Schalter der Anzeigen-
annahine. Die Land, die sich am Weg Richtung Losentasche und
Geldbörse befand, zuckte heftig, und der dazugehörige Mann sprach:
„Das ist viel. Ich werde einige Worte streichen." Damit nahm er
den Zettel mit dem Anzeigentext wieder an sich, trat an eines der
Schreibpulte im Schalterraum und gleichzeitig in das Leben des
Fräulein Lilde von Schneider & Co., die bereits dort stand und die
abgeholten Bewerbungsschreiben auf eine Zeitungsanzeige der
Firma in die Aktenmappe verstaute. Einer der Briefe ent-
glitt ihr und schwebte zu Boden. Der eben hinzukommende Lerr
Siebenfrost bückte sich danach und sah so aus nächster Nähe

Der Kavalier

Sie: „Ist das hier eine Litze! Wenn ich doch
eine kleine Erfrischung hätte!"
Er: „Soll ich das Fenster öffnen. Liebste?"

verboten hübsche Knie. Sich wieder aufrichtend, sah er weiter oben
in ein bezauberndes Lächeln, das von Reklamelippen und in etwas
fernerer Amgebung von Hellen Locken umrahmt war.

„Sehr liebenswürdig," erklang es aus dem Lächeln heraus.
„Bitte, bitte," sagte Lerr Siebensrost und griff unwillkürlich nach
der Krawatte. Da ihm aber sonst nichts einfiel, räusperte er sich
männlich und begann, den Text auf seinem Zettel zu behandeln.
Fräulein Lilde nahm die nun fertig gepackte Tasche vom Stehpult,
nickte noch grüßend und ging ab. Der Mann sah ihr fragend nach,
dann machte er zwei energische Striche über den Zettel und ging
ebenfalls. Bald holte er sie ein. „Mein Fräulein," sagte er, „ver-
zeihen Sie, wenn ich es wage. Sie anzusprechen. Es ist sonst nicht
meine Gewohnheit. Aber ich bin erst seit kurzem hierher versetzt
und habe überhaupt niemanden —"

Lilde schielte nach jener Stelle, an der Ehemänner einen gülde-
nen Ring oder wenigstens einen helleren verräterischen Streifen zu
haben Pflegen, nickte und meinte: „Es ist sonst auch nicht meine
Gewohnheit, aber ausnahmsweise können Sie ein Stück mitkommen."
Das Stück zog sich in die Länge und wurde am nächsten Abend fort-
gesetzt. Lilde wäre ganz gerne in ein Cafe oder ins Kino gegangen,
aber Lerr Siebenfrost erklärte, die Natur wäre gesünder. So ging
Lilde neben ihm her, und ihre Laune besserte sich zusehends, zumal
der Mann über ernste Dinge sprach, die schließlich jedes Mädchen
interessant findet. „Diese Abzüge sind schrecklich," behauptete er
unter anderm, „man lebt heute billiger, wenn man verheiratet ist.
Eigentlich müßte man sich um eine nette kleine Frau umsehen —"
„Nur wegen der Abzüge?" meinte Lilde neckisch.

„Natürlich nicht, natürlich nicht," versicherte Lerr Siebensrost,
„aber die materielle Seite des Lebens ist auch wichtig. Ich bin näm-
lich sehr sparsam. And trotz meiner steuerbelasteten Bezüge habe ich
mir doch ein paar tausend Mark auf die Seite
legen können."

„Au!" rief Lilde und klammerte sich an den
Mann. „Mein Fuß!"

„Was ist geschehen?" fragte Lerr Siebenfrost
bestürzt.

„Ich habe ihn mir überknackst," klagte das
Mädchen und zitterte an seiner Brust so heftig
mit den halbgeöffneten Lippen, daß sie auch ein
Stein geküßt hätte. Aber Stein war er gar keiner,
und mit dem Fuß wurde es rasch besser.

Drei Monate später hieß Lilde daher Sieben-
frost. — Ein Jahr vergeht rasch, und innerhalb
eines Jahres gewöhnt eine junge Frau auch dem
knausrigsten Mann übertriebene Sparsamkeit ab.
Als sich der Tag ihrer Lochzeit zum erstenmal
jährte, mußte Lerr Siebenfrost folglich die seiner-
zeit unter allen möglichen Ausflüchten hinausge-
schobene Lochzeitsreise nachholen.

„Wie gut für dich," sagte eines Tages Lilde,
„daß du mich damals kennenlerntest. Lätten wir
uns nicht im Anzeigenbüro — was hattest du
übrigens dort gemacht?"

„Jetzt kann ich es dir ja sagen," gestand der
Mann. „Ich war des Alleinseins müde und auch
der Abzüge und so — und da wollte ich eine
Leiratsanzeige aufgeben. Im letzten Augenblick
sah ich dann glücklicherweise dich —"

„And verliebtest dich auf den ersten Blick in
mich?" — „Das natürlich auch. Aber außerdem
ersparte ich mir dadurch acht Mark sechzig —"
„Fein!" rief Lilde, die sich als Frau die
Pointe stets vorbehielt, „dafür werden wir heute
abend eine Flasche Sekt trinken!"

„So eine Frau," seufzte Lerr Siebensrost,
„kommt eigentlich recht teuer."

„Dafür hast du mich auch lang," tröstete
ihn Lilde.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Kavalier"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5027, S. 358

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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