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Die Meldung Don Ralph Urban

Lauptfeldwebel Labeköten ging am Sonnabendmorgen mit einer
Sorgenfalte auf der Stirn über den Kasernenhof Richtung Schneider-
werkstätte. Als Spieß von der Dritten versah er seinen schweren
Dienst mit Pflichtbewußtsein und Strenge, war aber auch wegen
seines unbestechlichen Gerechtigkeitssinnes rühmlich bekannt.

Der Rekrut Lehnert kam ihm entgegen und leistete die vorschrifts-
mäßige Ehrenbezeugung gar nicht schlecht anbetracht seiner erst
vierzehn Tage währenden Dienstzeit. Labeköten stellte dies zufrieden
fest. Ja, der zweite Zug war auf Draht.

„Lerr Lauptfeldwebel, ich möchte —" erklang
es da etwas zaghaft und etwas vertraulich.

Der Spieß fuhr herum, sein Antlitz erstarrte
in Strenge, denn er liebte weder Zaghaftigkeit
und schon gar nicht Vertrauliches. Vor ihm
stand der Rekrut Lehnert, der nochmals kehrt
gemacht und ihn nun angeflüstert hatte.

„Lören Sie, Lehnert," sprach der Äauptfeld-
webel, noch immer mit einem Schuß kompanie-
mütterlichen Wohlwollens, „ich glaube schon,
daß Sie möchten, ich möchte auch Verschiedenes.

Aber bei der Wehrmacht gibt es nur eine Bitte,
wenn man einen bescheidenen Wunsch zu äußern
berechtigt sein zu scheinen glaubt, und eine Mel-
dung, falls man etwas zu sagen hat. Was wollen
Sie also?"

„Ich möchte Lerrn Lauptfeldwebel nur —
nur —“ flüsterte der Rekrut.

„Gewöhnen Sie sich endlich das Zivilistische
ab," schwoll der Lautsprecher in der Soldaten-
kehle an, „bitten Sie, oder melden Sie. And
flüstern Sie nicht so, als ob Sie mit mir ver-
heiratet wären. Fünfzehn Schritt marsch, dann
kehrt, dann überlegen Sie sich gut, was Sie zu
sagen haben, und dann bitten Sie, oder melden
Sie. Verstanden?"

, „Iawoll, Lerr Lauptfeldwebel!" Der Lehnert
ging fünfzehn Schritte, machte eine tadellose
Wendung und sagte: „Ich bitte, Lerrn Laupt-
seldwebel melde» zu dürfen —"

„Erstens verstehe ich von Ihrem Gepiepse kein
Wort," brüllte der Spieß, während ringsum
in den Stockwerken wißbegierige Fenster auf-
gingen, „und zweitens ist das Quatsch. Entweder
Sie bitten, oder Sie melden. And jetzt los, sonst
geht mir der Lut hoch."

Der Rekrut Lehnert riß sich zusammen. „Ich
melde," so rief er mit allem Aufwand an Stimme,

„daß Lerr Lauptfeldwebel einen gewissen Knopf
an der Lose offen haben."

„Ra also," rief Lauptfeldwebel Labeköten
nach flüchtigem Blick entlang seiner Erscheinung
zurück. „Zwar kein gewisser, sondern der vierte.

Aber es ist gut, so etwas darf natürlich nicht
Vorkommen und schon gar nicht bei einem alten
Soldaten Ich werde de» Mann bestrafen." And
ging seines Weges zur Werkstätte weiter.

An diesem Sonnabendnachmittag ging der Spieß von der Dritten
nicht aus. Er blieb in der Schreibstube und arbeitete alle Rückstände
auf. Am Mitternacht brannte dort noch das Licht.

So war der Lauptfeldwebel Labeköten.

Die Lleberraschung D°n W. sasenzahi

Das war irgendwo in einer kleinen ostmärkische» Stadt, in der
es außer dem Gericht, dem Gymnasium und einer Bildungsanstalt
für höhere Töchter auch ein Institut gab, in dem den angehenden
Oberförstern ein abschließender Anterricht und somit der letzte Schliff
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zuteil wurde. Der Leiter dieses Instituts, Professor Quandl, war ein
strenger und ganz und gar unwienerischer Mann.

„Meine Lerren," sagte er eines Tages zu uns, „ich habe volles
Verständnis dafür, wenn Sie bei einer gewissen Schneelage eine tiefe
Sehnsucht »ach den Bergen und — ich bin selbst ein Freund der
Bretter — nach dem Schi haben. Aber wir sind hier nun einmal
zusammengekommen, um zu arbeiten. And wenn jemandem von Ihnen
das Anglück zustößt, und er jene Mandelentzündung bekommt, die in
der letzten Zeit so erschreckend häufig aufzutreten pflegt, so bitte
ich mir ein für allemal aus, daß er sich nicht braun gebrannt wieder
bei mir gesund meldet! Sie haben mich verstanden!"

Professor Quandl blitzte den Kandidaten
Fürchtenicht an. Der Kandidat Fürchtenicht zuckte
zusammen, versuchte, die Gletscherbrandbräune'
hinter dem Vordermann zu verstecken, und fürch-
tete sich.

„Du," sagte Alex zu mir, „bei diesem Wetter
arbeiten? Last du Lust dazu?" Er zeigte auf
die Berge, die in Sonne, Dunst und Pulver-
schnee dalagen.

„Ich habe keine Lust dazu," flüsterte ich,
„aber gesetzt den Fall, wir meldeten uns wirk-
lich krank-"

„Pscht," machte Alex, „ich habe in der Dro-
gerie eine grüne Salbe entdeckt. Diese Salbe
verschluckt nicht nur alle Sonnenstrahlen, nein,
sie greift sogar die Laut ein wenig an, sie macht

blaß. Verstehst du?" Ich verstand.-

Oben war es unvorstellbar schön. In der
Pillhütte schlugen wir, als einzige Gäste, das
Standquartier aus. Dann ging es die Länge
hinauf und hinunter. . . „Willy," sagte Alex
am Mittag des zweiten Tages, „möchtest du jetzt
in die Stadt zurück?"

„Ich möchte nicht," murmelte ich, „aber wer
länger als drei Tage krank ist, braucht ein ärzt-
liches Attest, und ob wir es mit Quandl so ganz
und gar verscherzen können...?"

Alex überlegte. „Ich sause zum Schötzensee-
hof hinunter," sagte er dann, „und telefoniere
mit Fürchtenicht. Er soll mir berichten, wie die
Luft im Institut ist, und überhaupt..."

Ich verstand nicht recht, welchen Sinn dieses
Telefongespräch haben sollte. Aber es gibt Men-
schen, denen die guten Einfälle nicht aus dem Lirn,
sondern unmittelbar vom Limmel kommen. Zu
diesen Menschen gehörte Alex. Zwei Stunden
später nämlich war er zurück. Er weinte fast
vor Freude. „Willy," rief er, „kannst du dir so
etwas vorstellen? Quandl ist krank, seit gestern
schon, und er hat — was sagst du dazu? —
ausgerechnet Mandelentzündung!"

Alexens Glückseligkeit ergriff auch mich.
„Mandelentzündung!" jauchzte ich. „Das be-
deutet: wir haben Zeit, und wir fahren ab nach
oben, nach ganz oben. . ."

„Aufi gehts zur Landinerhütte!" lachte Alex.

Aufi gings zur Landinerhütte. Anterwegs aber gab es ein paar
Zwischenfälle. Wind kam auf. Der Schnee stäubte. Eine Bindung
riß. Erst am Mittag des nächsten Tages hatten wir das Ziel, die
schönste, höchste und einsamste Lütte erreicht. Wir öffneten die Tür.
Aber leider... Ganz so einsam, wie wir es uns gedacht hatten, war
es hier nicht. Ein Mann saß vor dem prasselnden Feuer. Er wandte
langsam den Kopf, als wir eintraten. Ans stockte der Lerzschlag,
und es schien, als ob Posaunen und Paukenklänge von irgendwoher
auf uns eindrangen. Mit weit aufgerissenen, fast gläsernen Augen
starrte er uns an. Es war Professor Quandl.

„Gemeinheit, was die Kritik über
mein Stück geschrieben hat: ,Das
Werk schillert in allen Farben" —
aber Schillert großgeschrieben!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gemeinheit, was die Kritik über mein Stück geschrieben hat"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5030, S. 406

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