„Jetzt soll ich mit dir hier im Park herumlaufen, Emma? Ich muß doch zur
Probe; unser Quartett wartet."
„Quartett? Sei nicht so unlogisch, Adolar! Es warten doch nur drei Leute."
Die Nachhilfe Von Alfred Richter
Bei Berchtenbrechts waren drei nette Töchter da.
Es war auch sonst allerhand da. Aber sonderbar, noch
immer hatte keiner angebiffen. And Mama Berchten-
brecht hängte doch immer wieder ihre Angel aus!
Jetzt war ein Lehramtskandidat da, der Mariechen
mit aller Deutlichkeit den Los machte. And er führte
so gescheite und gebildete Reden dabei! Vielleicht
lag es gerade hieran, daß er ewig nicht dazu gelangte,
sich nun ernstlich zu erklären. Mariechen seufzte,
Mama seufzte noch mehr, Vater ächzte, und die beiden
Schwestern lächelten einander etwas schadenfroh zu
Als der Kandidat wieder einmal stundenlang dage-
hockt und geredet und geredet hatte, ohne daß man
über die Komplexe der höheren Bildung hinaus-
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Verteilte Rollen
Das heben ist wie ein Theaterstück:
der eine hat gleich beim Debüt schon Glück,
der andre aber ist Statist geblieben,
der dritte schließlich muß Kulissen schieben.
Und all' die vielen andern ringsherum
sind gutes oder schlechtes Publikum,
Doch grollet nicht, und hegt auch keinen Neid,
wenn ihr nicht mit bei den Solisten seid!
Nicht jeder kann ja Heldenrollen meistern,
im Pampenlichte durch sein Spiel begeistern.
Sagt selbst: wo bliebe des Theaters Zweck,
fiel alles Publikum für immer weg?
Drum tröstet euch, und seid stets guten Mutes,
spielt Publikum, doch, bitte schön, nur gutes!
Martin Trübe
gelangt wäre in die Vorzonen der
Standesämter, erklärte Mama resolut
dem Galten und Vater: „Weißt du,
wir sind irgendwie zu dumm dazu.
Ans fehlt der Mumm. Wir haben
Lemmungen und verstehen es nicht,
dem gleichfalls irgendwie — ich glaube,
ich glaube, durch allzuviele Bildung —
gehemmten jungen Manne das richtige
Stichwort zu geben. Ich bin der Mei-
nung, wir stecken uns mal ein bißchen
hinter deine Schwester. Tante Lene hat
das richtige Mundwerk, und sie hat
auch, wie ein Feldherr, den richtigen
Blick und die Nase für den geeignetsten
Moment, wo man losschlagen muß, das
hat sie schon oft bewiesen."
„Na," zweifelte aber der Gatte,
„ist Lene nicht doch ein bißchen zu sehr
geradezu für sowas?"
„A wo," lehnte aber Mama den Ein-
wand ab, „ich weihe sie ein, wir müssen end-
lich mal weiterkommen in der Sache, das
arme Kind wird uns ja ganz wirr gemacht.
Laß uns Frauen nur machen, wir kommen
damit zu Rande, und tapse ja nicht irgend-
wie hinein, ihr Männer verderbt alles."
Tante war ohnedies durch ihr eigenes
Zutun längst informiert, aber sie stellte sich
unwissend und ließ sich noch einmal von der
lieben Schwägerin genau aufklären. And
dann traf sie auf der Stelle ihre Dispo-
sitionen. Also, der junge, dieser unge-
schickte junge Mann war hochgebildet,
viel zu gebildet, er rannte in die Kon-
zerte, in das Theater, und da mußte
man sich wappnen. Tante besuchte der
Reihe nach vierzehn Tage lang alle
Ausführungen neuer Stücke. And als
sie solchermaßen Material gesammelt
hatte, erschien sie am Sonntag nachmit-
tag bei Berchtenbrechts. Der Kandidat
saß natürlich schon da, und die Ent-
scheidungsschlacht konnte eingeleitet wer-
den. Der Feind ahnte nichts, aber das
gerade war die Hauptsache. Mit Aeber-
raschungen schlägt man auch den Gut-
gerüsteten. Der Kandidat war, wie nicht
anders erwartet werden konnte, dabei,
einen Vortrag aus dem Bildungswesen
zu halten, und Tante lenkte ihn unschwer
aus das Thema Theater. Ob er die
letzten Aufführungen besucht hätte? And
was er für ein Arteil hätte über die
einzelnen Stücke?
Nun, das war Wasser auf die Mühle
des Herrn Kandidaten! Er putzte seine
Brille, setzte sich zurecht und legte los.
Er holte dabei ei» bißchen weit aus, kam
auf Lessings Lamburgische Dramaturgie
zu sprechen und ließ nebenher Lichter
auch auf andere Kunsttheorien fallen,
und alle, voran Tante Lene, hörten ihm
ergebungsvoll zu. Als er endlich zu
strömen aufhörte, schloß er ganz von
selbst — denn höflich war er — die
Frage an, welches Stück denn den Da-
men am besten gefallen hätte?
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Jetzt soll ich mit dir hier im Park herumlaufen, Emma?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5039, S. 134
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg