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Die Mainzer Kaschen

Von Willy Lasenzahl

Ich hatte in einer Feinkosthandlung drei goldgelbe Mainzer Käs-
chen ergattert. Oh, wie sie dufteten! Mit gehackter Zwiebel und
Butter angemacht, mußten sie eine Götterspeise ergeben.

Gerade wollte ich das Geschäft verlassen, da stieß ich mit Blandine,
der schönen Salondame des Stadttheaters, zusammen. Sie trug eine
ausgewachsene Krokodilledertasche in der Land und führte um die
Schultern zwei herrliche Blaufüchse spazieren. „Sieh da/ rief sie mir
fröhlich entgegen, „eine Ewigkeit habe ich Sie nicht mehr gesehen,
kommen Sie und begleiten Sie mich!"

Wir traten auf die Straße, und mein Lerz pochte verliebt.

Plötzlich schnupperte Blandine. Am Limmelswillen, meine Mainzer
Kaschen! durchfuhr es mich. Rasch steckte ich sie in die linke Mantel-
tasche, aber auch daraus rochen sie noch aufdringlich genug; in der
Wolke ihres penetranten Duftes schritt ich schuldbeladen an Vlan-
dines Seite. Als wir auf Bekannte trafen, schnupperten sie und em-
pfahlen sich eilig. Bald fand ich, daß alle Leute uns spöttisch nach-
sahen. Kein Wunder, da ging ein elegantes Paar und hinterließ
Gerüche, die man selbst bei stärk-
stem Schnupfen nicht als Parfüm
bezeichnen konnte. Schockschwere-
not, ich mußte meine Mainzer
Käschen loswerden. Leimlich zog
ich sie aus der Tasche und ließ
sie fallen, während ich krampfhaft
auf meine schöne Begleiterin ein-
sprach. Ein Stein fiel mir mit
ihnen vom Lerzen. Siehste wohl,
nun ist's vorbei mit der Aebel-
dufterei! Da kam uns ein Junge
nachgelaufen und schrie: „Sie
Lerr, Sie haben etwas verloren."

„Ich?" tat ich erstaunt.

„Ja, ich habe es genau ge-
sehen, das Paket ist Ihnen aus
der Tasche gefallen." Blandine
sah auf das Paketchen und
schnupperte.

„Ach ja, meine Mandarinen,"
griff ich zerstreut danach, „vielen
Dank."

Wütend steckte ich meine Käs-
cbe» wieder ei». Im Weitergehen
schien es mir, als ob bereits die
ganze Stadt mit Mainzer Man-
darinen verpestet wäre.

Da kam mir eine Idee. „Darf
ich mir schnell ein paar Zigaretten
kaufen?" fragte ich die schöne
Salondame, und schon war ich in
einem Zigarrenladen, kaufte Ta-
bak und ließ mein Päckchen liegen.

Doch ebenso rasch stürzte mir die Verkäuferin nach, und ich mußte
es abermals in Empfang nehmen. Blandine schnupperte. „Ich mache
Ihnen einen Vorschlag," sagte sie, „kommen Sie mit mir nach Lause,
ich lade Sie zu einem frugalen Abendbrot ein." And schon hängte
sie sich übermütig bei mir ein und zog mich zur Straßenbahn. Der
Wagen, den wir bestiegen, war überfüllt. Aber die Leute schnupper-
ten und machten uns gerne Platz. „Es gibt noch Käse in Deutsch-
land," bemerkte ein arroganter Jüngling halblaut und begab sich auf
die Plattform hinaus. Latte es Blandine gehört? Beim Aussteigen
blieb mein Paket im Wagen liege». Der Schaffner machte mich brumm-
bärtig darauf aufmerksam, nachdem er vorher geschnuppert hatte.

Nach kurzer Wanderung standen wir vor dem Laus der Schau-
spielerin. Es war klar, in ihre Wohnung konnte ich mein duf-
tendes Angebinde nicht einschleppen. Vielleicht gelang es mir, es
auf der Treppe wegzuwerfen. Blandine läutete, das Mädchen
sperrte die Tür auf und stieg dann hinter uns die Treppe empor. Es
schnupperte. Im Korridor hängte ich meinen Mantel hin. Lux, der

Lund, schnupperte gleichfalls.

Dann saß ich in einem breiten
Ledersessel und hatte nur den einen
Gedanken, wie ich draußen aus
dem Korridor die Vergasung ver-
hindern könnte. Das Glück war
mir günstig. Blandine verschwand
auf einen Augenblick, um sich um-
zukleiden. Schnell stürzte ich hin-
aus, um mein Paket aus dem
Mantel zu holen und es in den
Orkus zu schleudern. Schon stand
ich im Begriff dazu, da regte sich
mein Gewissen. War mein Tun
in dieser Zeit am Platze? —
„Nein," rief mir eine innere
Stimme zu, „Kampf dem Ver-
derb!" And dann tat ich mit mei-
nen Käschen etwas, was ich nie
und nimmer jemandem zugestehen
würde: nicht der Orkus schlang
sie hinab — sondern ich. Äierauf
begab ich mich wieder ins Zimmer
zurück. Da stand bereits der Tee-
tisch mit dem Abendbrot. Blan-
dine erschien in einem bezaubern-
den Kleid und setzte sich. „Ich
kann Ihnen zwar nicht viel an-
bieten," sprach sie, „aber dafür
gibt es als Nachspeise etwas
Exquisites, was Ihnen Ihre Nase
vielleicht schon unterwegs verraten
hat,-frische Mainzer Käs-

chen mit Zwiebel und Butter."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nur ein Viertelstündchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5040, S. 146
 
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