Der gekürzte Hollywood-Star „Mit welch erschütternder
Realistik er den armen Mann spielt — seitdem das Äöchst-
einkommen auf 25000 Dollar jährlich festgesetzt wurde!"
Die Narrenliste
wollte noch gar nicht weise sein. Er wollte leben, wollte Leben sehen,
riechen und schmecken und fühlen und hören, ihm grauste vor dem
Großwesir und dessen übergroßer Gescheitheit; die gleisnerischen,
falschen, eifersüchtigen Äaremsdamen langweilten ihn, das ewige
Einerlei des strengen Zeremoniells brachte ihn zur Verzweiflung.
Er mußte, er wollte hinaus ins Leben.
Natürlich ließ ihn der Großwesir bei seinen heimlichen Gängen
beobachten und machte sich schwere Gedanken darüber, was daraus
entstehen könnte. Er wartete auf eine Gelegenheit, um seinen Lerrn
wohlmeinend zu warnen, und richtig begann der Kalif eines Morgens
»ach dem üblichen Ministervortrag: „Warum, o Großwesir, lacht
eigentlich nie jemand in meiner Umgebung?" Der Lerrscher hatte
in den Basare» und auf den Gassen immer wieder und überall viele
lachende Menschen gesehen und war vor Neid fast geplatzt. Und er
war sich klar darüber, daß sie nur lächelten und lachten, weil sie ihn
nicht erkannten. And das ärgerte ihn. Er bekam einen Laß auf den
Großwesir und wollte ihm nun endlich einmal die Meinung sagen.
Der Großwesir aber verneigte sich tief und erwiderte: „In deinem
Palaste, großmächtigster Lerr, sind keine Narren. Darum lacht hier
keiner." — „Wie?" runzelte der Kalif die Stirn, „lachen denn bloß
Narren?" — „In Gegenwart eines Kalifen gewiß," antwortete
schlagfertig der listige Wesir, denn nun mußte es ja herauskomme»,
daß der Kalis heimlich und verkleidet sich in die Gassen begab. Der
Kalif brauchte bloß zu antworten: „Aber sie haben mich doch gar
nicht erkannt!" Dann konnte der Großwesir ihm erwidern: „Wie,
Lerr! Wobei und wann soll dich denn jemand nicht erkannt haben?"
Der Kalif war aber nicht weniger geistesgegenwärtig als sein Wesir,
und so erwiderte er lächelnd: „Ich möchte einmal wissen, Abu Kal,
wieviele solcher Narren ich wohl in meinem Reiche habe, Narren,
die es wagen würden, in meiner Gegenwart zu lachen. Kannst du
ihre Namen feststellen, Abu Kal?" — „Das vermag ich," verneigte
92
sich der Großwesir, „ich werde den blinden Omar fragen, der weiß
solche Dinge; das Volk verehrt ihn als den weisesten aller Bettler.
Er sitzt tagaus, tagein am Brunnen und hält das Gesicht in die
Sonne, und von dort kommt ihm die Erleuchtung." O, der Großwesir
war sehr schlau! Er schob den armseligen Omar vor, an dessen Leben
ja nichts gelegen war, und hütete sich wohl, selber die Verantwor-
tung zu übernehmen für einen Befehl, der ganz einfach nicht aus-
führbar war, denn welcher Großwesir irgend eines muselmännischen
Reiches hätte wohl eine Liste aller Narren aufstellen können, ohne
daß ihm sein Äerr jederzeit mit Leichtigkeit Fehler hätte Nachweisen
könne»? Gewiß wollte ihm, dem Abu Kal, sein Äerr mit dieser
Aufgabe eine böse Falle stellen, um ihn abzuhalftern, zu verbannen
oder gar köpfen zu lassen!
Der Kalif studierte aufmerksam die Züge seines Großwesirs und
erkannte sehr wohl in den Augen ein unstetes Flackern. „Laß Omar
herbringen!" befahl der Kalif, „ich will ihn selber fragen!"
Omar ward herbeigebracht und vernahm, die Land zum besseren
Lören an die große Ohrmuschel haltend, was man von ihm verlangte.
„Die Liste, großmächtigster Sultan," sprach er ehrfurchtsvoll, „will
ich dir sogleich in den Sand schreiben. Geruhe, mir einen Stecken
reichen zu lassen." Man willfahrte seiner Bitte und führte ihn in den
Los, der Kalif folgte ihm und der halbe Äofstaat, alle tief ver-
wundert, und Omar hockte sich auf die Erde und begann im Sande
zu malen. Das erste war ein Turban und daneben ein Ring. „Was
soll das bedeuten?" fragte der Kalif verwundert. — „Das bist du,"
antwortete Omar ohne Scheu und blickte mit seinen glaiizloien
Augen in die Richtung, aus der des Kalifen Stimme zu ihm drang,
„du, o Sultan, bist der oberste in meiner Liste." Als das die Schran-
zen vernahmen, erblaßten sie und stierten einander entsetzt an. Der
Großwesir gar schwankte, als wäre er vom Schlage getroffen. Der
einzige, der vernünftig blieb, war der Kalif selber. Er trat dicht zu
dem Blinden und fragte mit ganz milder Stimme: „Und warum,
Omar, setzest du gerade mich an die erste Stelle?" — „Weil du,"
I
„Der Junge ist ei» Dickkopf; ich kann gar nicht
mit ihm fertig werden."
„Das hat er von Ihrem Mann, Frau Meier."
„Pah, mit dem werde ich doch fertig."
Realistik er den armen Mann spielt — seitdem das Äöchst-
einkommen auf 25000 Dollar jährlich festgesetzt wurde!"
Die Narrenliste
wollte noch gar nicht weise sein. Er wollte leben, wollte Leben sehen,
riechen und schmecken und fühlen und hören, ihm grauste vor dem
Großwesir und dessen übergroßer Gescheitheit; die gleisnerischen,
falschen, eifersüchtigen Äaremsdamen langweilten ihn, das ewige
Einerlei des strengen Zeremoniells brachte ihn zur Verzweiflung.
Er mußte, er wollte hinaus ins Leben.
Natürlich ließ ihn der Großwesir bei seinen heimlichen Gängen
beobachten und machte sich schwere Gedanken darüber, was daraus
entstehen könnte. Er wartete auf eine Gelegenheit, um seinen Lerrn
wohlmeinend zu warnen, und richtig begann der Kalif eines Morgens
»ach dem üblichen Ministervortrag: „Warum, o Großwesir, lacht
eigentlich nie jemand in meiner Umgebung?" Der Lerrscher hatte
in den Basare» und auf den Gassen immer wieder und überall viele
lachende Menschen gesehen und war vor Neid fast geplatzt. Und er
war sich klar darüber, daß sie nur lächelten und lachten, weil sie ihn
nicht erkannten. And das ärgerte ihn. Er bekam einen Laß auf den
Großwesir und wollte ihm nun endlich einmal die Meinung sagen.
Der Großwesir aber verneigte sich tief und erwiderte: „In deinem
Palaste, großmächtigster Lerr, sind keine Narren. Darum lacht hier
keiner." — „Wie?" runzelte der Kalif die Stirn, „lachen denn bloß
Narren?" — „In Gegenwart eines Kalifen gewiß," antwortete
schlagfertig der listige Wesir, denn nun mußte es ja herauskomme»,
daß der Kalis heimlich und verkleidet sich in die Gassen begab. Der
Kalif brauchte bloß zu antworten: „Aber sie haben mich doch gar
nicht erkannt!" Dann konnte der Großwesir ihm erwidern: „Wie,
Lerr! Wobei und wann soll dich denn jemand nicht erkannt haben?"
Der Kalif war aber nicht weniger geistesgegenwärtig als sein Wesir,
und so erwiderte er lächelnd: „Ich möchte einmal wissen, Abu Kal,
wieviele solcher Narren ich wohl in meinem Reiche habe, Narren,
die es wagen würden, in meiner Gegenwart zu lachen. Kannst du
ihre Namen feststellen, Abu Kal?" — „Das vermag ich," verneigte
92
sich der Großwesir, „ich werde den blinden Omar fragen, der weiß
solche Dinge; das Volk verehrt ihn als den weisesten aller Bettler.
Er sitzt tagaus, tagein am Brunnen und hält das Gesicht in die
Sonne, und von dort kommt ihm die Erleuchtung." O, der Großwesir
war sehr schlau! Er schob den armseligen Omar vor, an dessen Leben
ja nichts gelegen war, und hütete sich wohl, selber die Verantwor-
tung zu übernehmen für einen Befehl, der ganz einfach nicht aus-
führbar war, denn welcher Großwesir irgend eines muselmännischen
Reiches hätte wohl eine Liste aller Narren aufstellen können, ohne
daß ihm sein Äerr jederzeit mit Leichtigkeit Fehler hätte Nachweisen
könne»? Gewiß wollte ihm, dem Abu Kal, sein Äerr mit dieser
Aufgabe eine böse Falle stellen, um ihn abzuhalftern, zu verbannen
oder gar köpfen zu lassen!
Der Kalif studierte aufmerksam die Züge seines Großwesirs und
erkannte sehr wohl in den Augen ein unstetes Flackern. „Laß Omar
herbringen!" befahl der Kalif, „ich will ihn selber fragen!"
Omar ward herbeigebracht und vernahm, die Land zum besseren
Lören an die große Ohrmuschel haltend, was man von ihm verlangte.
„Die Liste, großmächtigster Sultan," sprach er ehrfurchtsvoll, „will
ich dir sogleich in den Sand schreiben. Geruhe, mir einen Stecken
reichen zu lassen." Man willfahrte seiner Bitte und führte ihn in den
Los, der Kalif folgte ihm und der halbe Äofstaat, alle tief ver-
wundert, und Omar hockte sich auf die Erde und begann im Sande
zu malen. Das erste war ein Turban und daneben ein Ring. „Was
soll das bedeuten?" fragte der Kalif verwundert. — „Das bist du,"
antwortete Omar ohne Scheu und blickte mit seinen glaiizloien
Augen in die Richtung, aus der des Kalifen Stimme zu ihm drang,
„du, o Sultan, bist der oberste in meiner Liste." Als das die Schran-
zen vernahmen, erblaßten sie und stierten einander entsetzt an. Der
Großwesir gar schwankte, als wäre er vom Schlage getroffen. Der
einzige, der vernünftig blieb, war der Kalif selber. Er trat dicht zu
dem Blinden und fragte mit ganz milder Stimme: „Und warum,
Omar, setzest du gerade mich an die erste Stelle?" — „Weil du,"
I
„Der Junge ist ei» Dickkopf; ich kann gar nicht
mit ihm fertig werden."
„Das hat er von Ihrem Mann, Frau Meier."
„Pah, mit dem werde ich doch fertig."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der gekürzte Hollywood-Star" "Der Junge ist ein Dickkopf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5063, S. 92
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg