Fliegende Blätter (197.1942 (Nr. 5057-5083) = 98. Jahrgang)

FRAQE: WER RETTET HIER WEN?

Die Grundleine

zu rudern — bald kam eine Welle, und die Riemen griffen zu tief
ins Wasser, bald schwangen sie ohne Widerstand in einem Wellental.

„Lalt nur gegen den Wind!" rief Fridde und blickte vom Grund-
leinenkasten auf, den er umfaßt hielt. „Wir müffen zu den Gründen,
die du dort hinten siehst. Das ist ein feiner Varschgrund."

Ich wandte den Kopf in die Richtung, die er mir zeigte, und
sah einige Wellenberge mit weißem Schaum. — „So weit?"

„Weit? Meinst du, daß das weit ist?" Fridde lachte. „Aber die
Fische kommen bei dem Wetter nicht näher ans Land."

Von seinem Gesichtspunkt war die Sache klar. And ich arbeitete
und ruderte, so gut ich konnte. Das Vorderteil knallte gegen die
Wellenberge, und das Wasser spritzte über meinen Rücken.

„Rein, mehr rechts, mehr rechts I" riefFridde und zeigte milder Land.

Endlich lagen die Gründe in Lee, und Fridde machte sich fertig.
Er sah sich gespannt um, zeigte wieder mit der Land, und dann
ließ er das Steingewicht hinab. Der Schwimmer, ein gewöhnliches
Stück Birke, kam hinterher, und dann die Leine mit all ihren über
hundert Laken.

„Vorwärts, weiter, du Narr!" schrie Fridde. „Laß das Boot
nicht treiben!" — Ich tat mein Bestes.

„Zum Donnerwetter!" brüllte Fridde. „Ruder mit dem Backbord-
riemen — zum Teufel, nein, backbord, backbord! Kannst du nicht
hören, was ich sage? Luvwärtsrudern — verstehst du kein Deutsch?
Na, endlich. Aber kräftiger! Kräftiger! Last du Marmelade in den
Armen?" — Ich tat wirklich mein Allerbestes. Ein Laken nach
dem andern verschwand im Wasser.

„Zurück, du Idiot! Das hat sich hier verheddert — hast du denn
keine Augen im Kopf?"

„Wieder vorwärts jetzt! Nein, vorwärts. Oh, du Trottel —
kannst du nicht sehen, daß wir treiben? Lalt gegen, du Esel - nein,
nicht so viel. Dabei kann man ja verrückt werden! Du bist ja ein
geborener Idiot!" Das Boot hüpfte auf und nieder, schlingerte
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launenhaft, der Wind nahm zu und ergriff die Leine, sobald sie sich
aus dem Kasten ringelte. Fridde machte den einen Laken nach dem
andern los, ließ ihn über die Bordkante gehen, aber bald spannte
die Leine, bald lag sie unheilvoll schlapp und drohte, sich zu ver-
wickeln. Ich tat mein Bestes, ich hatte mir nichts vorzuwerfen, ich
tat wirklich mein allerbestes, aber ich war weder Seemann noch
Fischer. And Fridde schrie hochrot im Gesicht:

„Leeriemen! Leeriemen! Ordentlicher Schlag! Du verdammter
Träumer, kannst du nicht folgen! Tausend Teufel — nun verwickelt
es sich wieder — zurück, zurück. Zurück! Teufel noch mal. Nein,
rudern, rudern! Lörst du nicht? Nach Steuerbord! Last du geschla-
fen? Wir treiben ja wieder! So rudere doch und sitz nicht und gaffe!"

Ich ruderte aus Leibeskräften. Aber wieder war es falsch, und
wieder rief Fridde alle dunklen Mächte in ihre» wechselnden Gestal-
ten an. Das Boot rollte und flog vorm Wind.

„Du stellst dich schlimmer als der größte Idiot an. Nein, so, jetzt
ist es gut — einige Laken verschwanden — nein, zum Teufel! Vor-
wärts! Vorwärts, du Narr, du Narr! Last du Watte in den Ohren?
Vorwärts!"

Ich fühlte mich vollkommen zerknirscht, minderwertig, zu nichts
nütze. Niemals war ich so zusammengescholten, niemals Hab ich mich
so töricht und untauglich gefühlt. Nun habe ich ihm das ganze zer-
stört, dachte ich. Er wird meine Angeschicklichkeit niemals vergessen
und sie mir niemals verzeihen. And als der letzte Laken in der
Tiefe verschwand und Fridde den Schwimmer auswarf und das
Gewicht, ließ ich den Kopf sinken, während ich ermattet das Boot
zum Land wandte.

„Sieh, so," sagte Fridde und blickte vergnügt übers Wasser. Er rieb
sich die Lände und stellte den leeren Grundleinenkasten auf den Boots-
boden zwischen seine Füße. Sein ganzes Wesen hatte sich Plötzlich ver-
ändert, er lachte. „Sieh, so," wiederholte er. „Jetzt liegt sie gut,
glaube ich. Vielen Dank fürs Ruder». Das ging ja ausgezeichnet. And
morgen früh werden wir sie wieder aufziehe»."