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Ein gräflicher Steuerverweigerer

Von Peter Robinson

Die Geschichte ist mir schon, vor vielen Jahren erzählt worden,
und da der Mann, von dem ich sie habe, inzwischen diese so unruhig
gewordene Welt verlassen hat, darf sie wohl weitergegeben werden.
Ich fand in ihm einen einstigen, halb vergessenen Schulkameraden,
als ich damals eine kleine, aber tüchtige, um eine alte Ordensburg
sich schmiegende Stadt im Osten besuchte. Auf dem Marktplatz war
da eine ganz ansehnliche Buchhandlung mit dem Schilde: „Eugen
Matriciani", und da fiel mir ein, daß ich ja zu Lause ein altes
Exemplar von Freitags „Soll und Laben" stehen hätte, das in
unausgereifter Schülerhandschrift jenen doch seltenen Namen als
den des Eigentümers trug. Er war dann von mir durchgestrichen
und durch meinen eigenen Namen ersetzt worden, denn ich hatte
das Buch rechtmäßig erworben — damals, als der Untersekundaner
Eugen Matriciani aus der Schule ausriß, aus dem Alumnat, in
dem es ihm gar nicht mehr gefiel. Wie war es doch gewesen?
Richtig — für Matriciani war von Lause ein Paket gekommen, in
dem seine allzu besorgte Mutter ihm Würste und köstliche Kuchen
schickte, wahrscheinlich auf seine Klage über die Alumnatskost. Dem
Direktor war das Paket aufgefallen; der Schüler Matriciani hatte
es vor ihm öffnen müssen, und da aus der Fülle des Inhalts auf
die vorausgegangene, natürlich zu beanstandende Klage geschlossen
wurde, mußte alles wieder eingepackt und zurückgeschickt werden.
Matriciani hatte dann im höchsten Grimme erklärt — aber natürlich
nicht dem Direktor, sondern der Genossenschaft auf Wohnstube 6 —
jetzt wäre es für ihn aus mit dem Alumnat; ihn hungerte nach
Freiheit. Das stimmte aber nicht ganz; ihn hungerte mehr nach den
entgangenen Würsten und Kuchen. Zur Beschaffung des Reisegeldes
verkloppte er dann ziemlich seine ganze Labe — dabei erstand ich
„Soll und Laben" — und am nächsten Morgen verschwand er nach
dem Frühstück. Erst in der
dritten Schulstunde wurde sein
Fehlen bemerkt, und da war
es zu spät, ihm in die andert-
halb Meilen entfernte Stadt
nachzusetzen und ihn noch auf
dem Bahnhof abzufassen. Er
ist dann auch nicht mehr wie-
dergekommen.

Sollte nun hier dieser Buch-
händler Matriciani jener ein-
stige Schuldeserteur sein? Ich
glaubte, mich zu erinnern, daß
er aus dieser Stadt stammte,
und ging in den Laden hinein.

Wirklich, das Gesicht des et-
was korpulenten Lerrn, der
mich da empfing, schien mir un-
klar vertraut; es war bartlos,

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und das erhält ja die Züge der Jugend eher. Ich begann also: „Ich
glaube, wir haben schon einmal ein Büchergeschäft gemacht. &
handelte sich dabei um ein eiliges Verkloppen zur Erlangung not'

wendigen Ausreißgeldes, nachdem ein gewisses Paket-—"

Aber weiter kam ich nicht. Der Buchhändler erstrahlte und rief!
„Mensch, wie kommst du hierher?" und das war eine so ordentliche,
für einen alten Schulkameraden sich geziemende Begrüßung, daß die
dann folgende Einladung zu einem gemütlichen Abend bei ihm meine
herzliche Bereitschaft fand.

Wir fingen natürlich zuerst von der Schulzeit an. „Es war frei'
lich ein Blödsinn," gestand Matriciani, „daß ich damals von det
Schule ausriß und danach auch weder durch Drohungen des Vaters
noch durch Bitten der Mutter zu bewegen war, mich zurückspedieren
zu lassen. Was ich damals alles viel bequemer hätte lernen können,
mußte ich mir dann später ja doch selber aneignen. Aber es sollte
wohl sein; sonst säße ich jetzt wahrscheinlich nicht in meinem hübschen,
mich ganz zufriedenstellenden Buchladen; ich wäre wohl, wie mein
Vater wollte, Beamter geworden. Aber das ging nicht; ich leicht'
fertiger Bursche hatte ja nicht einmal, obwohl nur ein halbes Iaht
dazu fehlte, bis zu dem damals so wichtigen Einjährigen durchge'
halten. Der damalige Inhaber dieses Geschäfts, ein alleinstehendes
altes Lerrchen, nahm es damit aber nicht so genau und deshalb
mich in die Lehre. Später habe ich dann das Geschäft von ihm et'
worben — auf Kredit, gegen eine monatlich zu zahlende Rente. Sit
war ganz ansehnlich, und es ist mir anfangs manchmal schwer ge'
fallen, den Betrag zusammenzubekommen. Ja, ein paarmal mußt«
ich mir sogar mit kleinen Anleihen helfen. Die bekam ich ohne wei'
teres, denn man wußte mich im Besitz eines von meinem inzwischen
verstorbenen Vater — der sonst nur sein Gehalt gehabt hatte

mir überkommenen bedeuten'
den Wertgegenstandes, det
wohl nur aus Pietät nicht
veräußert wurde, für den Not'
fall aber eben doch da war-
Lier ist er l"

Matriciani holte aus se>'
nem Schreibtisch ein kleines
Schmuckkästchen: ein LerreN'
ring lag darin mit einem iw'
ponierenden Brillanten, ei'
nem „Brillanten von wahn'
sinnigem Wert", wie Lilien'
cron gesagt haben würde-
Matriciani sah mit lächeln'
dem Wohlgefallen daraus
„Dieser Ring hat eine Ge'
schichte, die früher einmal hiet
überall in der Gegend erzähl

„Mei Backenbart hat d'r net paßt, mei Schnauzbart war d'r zwider,
ond jetzt willst mir a no mein Gamsbart zammrichten."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mei Backenbart hat d'r net paßt ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5087, S. 50

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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