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Der Waschkorb
Von Lerbert Lesttboudots
Vor zwölf Jahren fing es an: eines Tages krähte und strampelte
die kleine Ingeborg in dem großen neuen Korb, den die junge Frau
sich eigentlich für ihre Wäsche gekauft hatte. Aber das ist ja überall
so, wo das Leben wirklich zu Lause ist, daß mit einem Male solch
ein Waschkorb ungewohnte Arbeit zu bewältigen hat. Da zappelt
und spektakelt es in seiner warm gepolsterten Löhle, da muß er
Bett und Wohnung, Welt und Ankerplatz
gleicherweise für den Menschenanfang sein —
oje, man kennt das ja l Doch die Ingeborg
hielt es nicht lange in dieser Wohnung aus,
sie wurde schnell größer. „Viel zu schnell!"
meinte die gute Oma besorgt, die vom Leben
schon allerlei wußte und erfahren hakte. „Wenn
ihr das man gut ist?! Doch den Korb stellt
man nicht so weit weg — kann sein, ihr braucht
ihn bald wieder! . . ."
„OmaI Oma!" drohte die junge Mutter
schelmisch. „Was du nur redest?!" —
And so ging die Zeit ins Land. Was nun
die Ingeborg war, da hat die Oma nicht recht
behalten. Das schnelle Wachsen bekam ihr
besser als gedacht, und sie wurde ein prächti-
ges Mädelchen über Wochen und Monate.
Aber daß die Mutter den Korb immer bei
der Land gelassen hatte, das war nach einem
runden Jahre richtig ein Verdienst der Oma
geworden--
„Denn das wäre ja noch schöner, wenn ich
vergessen hätte, wie das bei mir zuging, als
ich jung verheiratet war I" lachte sie, kaum daß
sie nach ihrer großen Reise in der Türe war.
„And jetzt muß ich mir doch erst mal die Brille
aussetzen und begucken, was da diesmal den
Korb bekleckert . . ."
„Aber Oma!" entrüstete sich die Mama vom
Bett her. „Wie du dich nur wieder ausdrückstl?"
„Ach, Deern! Stell dich man bloß nicht so
an!" schimpfte Oma. „Das ist nun mal nicht
anders: damit sängt es an, und wenn das
nicht klappt, klappt das ganze Leben nicht!
Aber wo ist denn überhaupt der Vater? Steht da in der Ecke und
sagt kein Piep . . ."
Doch statt des Vaters meldete sich der Junge im Korb und piepste
los, wie das eben nur so ein Junge nach zwei Tagen Leben kann.
„Na ja, wenigstens nicht so maulfaul wie der Lerr Papa!"
stellte Oma mit Genugtuung fest. „Lunger hat der kleine Kerl ...
98
Früher haben wir uns nicht so gut
verstanden!"
Ja, ja — wenn man alt ist, versieht
man manches besser!"
denn zeig ihm mal gleich mal, was 'ne Brust ist, Deern!"
Oma lachte, Oma war in ihrem Element. And der Vater grunzte
vergnügt aus seiner Ecke: „Eine feine Frau wirst du auch nicht mehr,
Oma, das ist mal gewiß."
„Vielleicht nicht fein, aber — oho!" sagte Oma und stemmte
kriegerisch die Arme in die Lüften. „And du bist überhaupt fein
still dahinten! Nach zwei Jahren Ehe genügt
das schon für einen Waschkorb — der kommt
jetzt auf den Boden und kriegt Schonzeit,
mein Junge! Last du mich verstanden?" —
Der Lerr Papa verstand und trollte sich-
Da war die Ingeborg, da war nun der Karl'
Jürgen, dick und rund und ohne Fehl — das
Leben ließ sich an, dachte er und brachte nach
Wochen dann wirklich den Waschkorb auf de«
Boden.
And wieder ging die Zeit ins Land. Ein
Jahr und zwei Jahre, drei Jahre und auch
ein viertes noch. Karl-Jürgen war schon ein
großer Strolch und Rabauke geworden /
und die Ingeborg — alles was recht ist: damit
konnte ein Vater ohne Schande spazierengehen-
„Lol mir doch mal den alten Waschkorb
vom Boden!" konnte die Mutter doch bei'
spielsweise zu ihrem Töchterchen schon sagen-
And wenn die Ingeborg zuerst auch etwas
altklug meinte: „Aber Mutti — wir haben
doch den schönen, neuen Korb!" so sprang f,e
doch gleich die Treppen hinauf, als die Mut'
ter lächelte: „Nein, nein, Kind! Es soll det
alte sein, darin du schon und der Karl-Jürgen
gelegen haben. Den machen wir wieder hübs^
zurecht — und dann woll'n wir mal sehe"?
was passiert. . ."
And der Vater fügte hinzu: „Die Scho"'
zeit ist nämlich um, Ingeborg!"
Zum Glück hörte die Kleine das nicht meht'
sonst hätte es wohl eine Fragerei gegeben
nach dem Wieso und Warum und Wesh<w
— ach endelos.
Ja, die Zeit war wieder einmal reif für den alten Waschkocb'
er wurde gereinigt und mit freundlichem Tuch garniert, es kaM^
Kissen hinein und eine kleine Decke — und dann dauerte es au^
gar nicht mehr lange, daß die Oma, frisch und munter wie nur y
und je, in der Tür stand, den altmodischen Lut vorsichtig vom Laup^
hob und fröhlich krähte: „Is he all doar?"
Der Waschkorb
Von Lerbert Lesttboudots
Vor zwölf Jahren fing es an: eines Tages krähte und strampelte
die kleine Ingeborg in dem großen neuen Korb, den die junge Frau
sich eigentlich für ihre Wäsche gekauft hatte. Aber das ist ja überall
so, wo das Leben wirklich zu Lause ist, daß mit einem Male solch
ein Waschkorb ungewohnte Arbeit zu bewältigen hat. Da zappelt
und spektakelt es in seiner warm gepolsterten Löhle, da muß er
Bett und Wohnung, Welt und Ankerplatz
gleicherweise für den Menschenanfang sein —
oje, man kennt das ja l Doch die Ingeborg
hielt es nicht lange in dieser Wohnung aus,
sie wurde schnell größer. „Viel zu schnell!"
meinte die gute Oma besorgt, die vom Leben
schon allerlei wußte und erfahren hakte. „Wenn
ihr das man gut ist?! Doch den Korb stellt
man nicht so weit weg — kann sein, ihr braucht
ihn bald wieder! . . ."
„OmaI Oma!" drohte die junge Mutter
schelmisch. „Was du nur redest?!" —
And so ging die Zeit ins Land. Was nun
die Ingeborg war, da hat die Oma nicht recht
behalten. Das schnelle Wachsen bekam ihr
besser als gedacht, und sie wurde ein prächti-
ges Mädelchen über Wochen und Monate.
Aber daß die Mutter den Korb immer bei
der Land gelassen hatte, das war nach einem
runden Jahre richtig ein Verdienst der Oma
geworden--
„Denn das wäre ja noch schöner, wenn ich
vergessen hätte, wie das bei mir zuging, als
ich jung verheiratet war I" lachte sie, kaum daß
sie nach ihrer großen Reise in der Türe war.
„And jetzt muß ich mir doch erst mal die Brille
aussetzen und begucken, was da diesmal den
Korb bekleckert . . ."
„Aber Oma!" entrüstete sich die Mama vom
Bett her. „Wie du dich nur wieder ausdrückstl?"
„Ach, Deern! Stell dich man bloß nicht so
an!" schimpfte Oma. „Das ist nun mal nicht
anders: damit sängt es an, und wenn das
nicht klappt, klappt das ganze Leben nicht!
Aber wo ist denn überhaupt der Vater? Steht da in der Ecke und
sagt kein Piep . . ."
Doch statt des Vaters meldete sich der Junge im Korb und piepste
los, wie das eben nur so ein Junge nach zwei Tagen Leben kann.
„Na ja, wenigstens nicht so maulfaul wie der Lerr Papa!"
stellte Oma mit Genugtuung fest. „Lunger hat der kleine Kerl ...
98
Früher haben wir uns nicht so gut
verstanden!"
Ja, ja — wenn man alt ist, versieht
man manches besser!"
denn zeig ihm mal gleich mal, was 'ne Brust ist, Deern!"
Oma lachte, Oma war in ihrem Element. And der Vater grunzte
vergnügt aus seiner Ecke: „Eine feine Frau wirst du auch nicht mehr,
Oma, das ist mal gewiß."
„Vielleicht nicht fein, aber — oho!" sagte Oma und stemmte
kriegerisch die Arme in die Lüften. „And du bist überhaupt fein
still dahinten! Nach zwei Jahren Ehe genügt
das schon für einen Waschkorb — der kommt
jetzt auf den Boden und kriegt Schonzeit,
mein Junge! Last du mich verstanden?" —
Der Lerr Papa verstand und trollte sich-
Da war die Ingeborg, da war nun der Karl'
Jürgen, dick und rund und ohne Fehl — das
Leben ließ sich an, dachte er und brachte nach
Wochen dann wirklich den Waschkorb auf de«
Boden.
And wieder ging die Zeit ins Land. Ein
Jahr und zwei Jahre, drei Jahre und auch
ein viertes noch. Karl-Jürgen war schon ein
großer Strolch und Rabauke geworden /
und die Ingeborg — alles was recht ist: damit
konnte ein Vater ohne Schande spazierengehen-
„Lol mir doch mal den alten Waschkorb
vom Boden!" konnte die Mutter doch bei'
spielsweise zu ihrem Töchterchen schon sagen-
And wenn die Ingeborg zuerst auch etwas
altklug meinte: „Aber Mutti — wir haben
doch den schönen, neuen Korb!" so sprang f,e
doch gleich die Treppen hinauf, als die Mut'
ter lächelte: „Nein, nein, Kind! Es soll det
alte sein, darin du schon und der Karl-Jürgen
gelegen haben. Den machen wir wieder hübs^
zurecht — und dann woll'n wir mal sehe"?
was passiert. . ."
And der Vater fügte hinzu: „Die Scho"'
zeit ist nämlich um, Ingeborg!"
Zum Glück hörte die Kleine das nicht meht'
sonst hätte es wohl eine Fragerei gegeben
nach dem Wieso und Warum und Wesh<w
— ach endelos.
Ja, die Zeit war wieder einmal reif für den alten Waschkocb'
er wurde gereinigt und mit freundlichem Tuch garniert, es kaM^
Kissen hinein und eine kleine Decke — und dann dauerte es au^
gar nicht mehr lange, daß die Oma, frisch und munter wie nur y
und je, in der Tür stand, den altmodischen Lut vorsichtig vom Laup^
hob und fröhlich krähte: „Is he all doar?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Früher haben wir uns nicht so gut verstanden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5090, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg