Vorkämpfer
der Musterdemokratie
Die Gewissensfrage
abgeräumt war, stopfte der bedrängte Mann seine Dokumente in
die Aktentasche, den Kopf voller Zahlen, grübelnd über Anklarheiten,
die bereinigt werden mußten, erhob sich, langte sich den &ut vom
Garderobestäiider, und zwar zunächst aus Versehen einen fremden
Lut, woraus ihn der Besitzer erst aufmerksam machen mußte, und
strebte dann eilends dem Ausgang zu. Das Lokal war nur noch dünn
besetzt, die eigentliche Mittagsstniide war läiigst vorüber. Klans wußte
nicht einmal den Namen dieser Speisegaststätte und würde sie später
nie wieder gefunden haben, wenn nicht dieser Zwischeiifall gekommen
wäre, als zunächst peinlicher, in seinen weiteren Folgen aber unver-
geßlicher Zwischenfall, und das kam so: Das Lokal hatte zwei Türen,
eine innere und eine äußere, und zwischen beiden Türen war bogig
ein hoch hinanfreichender dunkelgrüner Vorhang gespannt, vielleicht,
um die Zugluft abzuschirmen. An dem letzten Tisch i» Türnähe saßen
noch ein paar Gäste, wie Klaus beim Daraufzugehen bemerkte, ein
paar sehr zu Scherzen aufgelegte junge Damen, die offensichtlich über
jeden, der ihren Tisch passierte — und das mußte ja jeder tun, der
den Rat»» verlassen wollte — ihre Glossen machten. Klaus spürte
das und griff sich unwillkürlich, als er an ihnen vorüberstürmte, an
die Krawatte. Auch gab er sich eine Geheimratshaltung, um recht
würdig zu erscheinen. Da rutschte ihm die Aktentasche unter dem
Arm vor, und als er nach ihr greifen wollte, blieb er mit dem Nock-
ärmel an der Türklinke hängen. Es kicherte deutlich hinter ihm. And
in dieser nach bitteren Mandeln schmeckenden Atmosphäre erscholl
auch noch, um das Maß des Anheils voll zu machen, der heraus-
fordernde Ruf: „Laben Sie bezahlt?" Klaus stand wie angedonnert.
Dann riß er sich zusammen und trat an den Tisch der drei Leldinne»,
denn nur eine von ihnen konnte die Rnferin gewesen sein. „Ich danke
Ihnen, meine Damen. Sie haben recht, ich habe tatsächlich nicht
bezahlt. Sie müssen mir das direkt angesehen haben I" Der Servier-
meister kam geeilt, Klaus entschuldigte seine ungewollte Zechprellerei
116
und zahlte, wenn auch nachträglich, so doch zünftig. Während er tn**
dem Kellner verhandelte, tuschelten die drei jungen Dinger mitein'
ander, und Klaus vernahm deutlich das unbedachte Wort: „Da^
macht er wahrscheinlich immer sol" Natürlich sollte das ein Scher)
sei», „rasch fertig ist die Jugend mit dem Worte," sagt Schiller-
Klans blickte durchdringend hinüber. Die kecke Nednerin war ei»e
Brünette mit ein paar Feuerrädern von Augen im Kopß
Lerausfordernd schaute sie her. Klaus nahm den Kampf auf. Sei>^
Blicke bohrten sich in die ihrigen. And da sprang jener große Funke
über, der immer in zweier Menschen Leben den Brand entfacht, de>'
beide für unlöschbar halten, es sei denn, daß sie sich gemeinsam *"
die Flammen stürzen.
Am Tage nach der Rückkehr von der Lochzeitsreise drückte Lilde
auf der Straße plötzlich Klausens Arm: „Lier war's! Erkennst bb
es wieder?" — „Wo wir uns — — ?"
„Ganz richtig. Wo wir uns! And soll ich dir nun auch verraten-
wie alles wirklich war?"
Er blieb stehe» und staunte sie an: „Ja, hast du denn nicht da'
mals gerufen, ob ich bezahlt hätte — ? Warst du das nicht? Dn^
war wohl gar eine von deinen beiden Freundinnen?"
Sie antwortete nicht. Sie lächelte. Da folgte er ihr, wie sie Qe’
heimnisvoll winkend auf die Gasthaustür zuschritt, um einzutreten-
Gerade drängten Gäste von innen heraus, die Tür wurde Ä>il^e
aus der Land gerissen, und schon hörte der ihr dichtauf folgen^
Gemahl drinnen eine Stimme rufen: „Laben Sie bezahlt?" Er riß
die Augen auf, so verdutzt war er, aber Lilde winkte schon wied^
mit dem Finger: „Komm nur!" Er tappte ihr hinterdrein, und sch»''
riß sie den grünen Vorhang beiseite und deutete empor: Da \a%
auf einer Stange ein großer Papagei und schaute, über die Störung
ärgerlich, böse auf die beiden herab. „Laben Sie bezahlt?" frag^
er gewohnheitsmäßig.
der Musterdemokratie
Die Gewissensfrage
abgeräumt war, stopfte der bedrängte Mann seine Dokumente in
die Aktentasche, den Kopf voller Zahlen, grübelnd über Anklarheiten,
die bereinigt werden mußten, erhob sich, langte sich den &ut vom
Garderobestäiider, und zwar zunächst aus Versehen einen fremden
Lut, woraus ihn der Besitzer erst aufmerksam machen mußte, und
strebte dann eilends dem Ausgang zu. Das Lokal war nur noch dünn
besetzt, die eigentliche Mittagsstniide war läiigst vorüber. Klans wußte
nicht einmal den Namen dieser Speisegaststätte und würde sie später
nie wieder gefunden haben, wenn nicht dieser Zwischeiifall gekommen
wäre, als zunächst peinlicher, in seinen weiteren Folgen aber unver-
geßlicher Zwischenfall, und das kam so: Das Lokal hatte zwei Türen,
eine innere und eine äußere, und zwischen beiden Türen war bogig
ein hoch hinanfreichender dunkelgrüner Vorhang gespannt, vielleicht,
um die Zugluft abzuschirmen. An dem letzten Tisch i» Türnähe saßen
noch ein paar Gäste, wie Klaus beim Daraufzugehen bemerkte, ein
paar sehr zu Scherzen aufgelegte junge Damen, die offensichtlich über
jeden, der ihren Tisch passierte — und das mußte ja jeder tun, der
den Rat»» verlassen wollte — ihre Glossen machten. Klaus spürte
das und griff sich unwillkürlich, als er an ihnen vorüberstürmte, an
die Krawatte. Auch gab er sich eine Geheimratshaltung, um recht
würdig zu erscheinen. Da rutschte ihm die Aktentasche unter dem
Arm vor, und als er nach ihr greifen wollte, blieb er mit dem Nock-
ärmel an der Türklinke hängen. Es kicherte deutlich hinter ihm. And
in dieser nach bitteren Mandeln schmeckenden Atmosphäre erscholl
auch noch, um das Maß des Anheils voll zu machen, der heraus-
fordernde Ruf: „Laben Sie bezahlt?" Klaus stand wie angedonnert.
Dann riß er sich zusammen und trat an den Tisch der drei Leldinne»,
denn nur eine von ihnen konnte die Rnferin gewesen sein. „Ich danke
Ihnen, meine Damen. Sie haben recht, ich habe tatsächlich nicht
bezahlt. Sie müssen mir das direkt angesehen haben I" Der Servier-
meister kam geeilt, Klaus entschuldigte seine ungewollte Zechprellerei
116
und zahlte, wenn auch nachträglich, so doch zünftig. Während er tn**
dem Kellner verhandelte, tuschelten die drei jungen Dinger mitein'
ander, und Klaus vernahm deutlich das unbedachte Wort: „Da^
macht er wahrscheinlich immer sol" Natürlich sollte das ein Scher)
sei», „rasch fertig ist die Jugend mit dem Worte," sagt Schiller-
Klans blickte durchdringend hinüber. Die kecke Nednerin war ei»e
Brünette mit ein paar Feuerrädern von Augen im Kopß
Lerausfordernd schaute sie her. Klaus nahm den Kampf auf. Sei>^
Blicke bohrten sich in die ihrigen. And da sprang jener große Funke
über, der immer in zweier Menschen Leben den Brand entfacht, de>'
beide für unlöschbar halten, es sei denn, daß sie sich gemeinsam *"
die Flammen stürzen.
Am Tage nach der Rückkehr von der Lochzeitsreise drückte Lilde
auf der Straße plötzlich Klausens Arm: „Lier war's! Erkennst bb
es wieder?" — „Wo wir uns — — ?"
„Ganz richtig. Wo wir uns! And soll ich dir nun auch verraten-
wie alles wirklich war?"
Er blieb stehe» und staunte sie an: „Ja, hast du denn nicht da'
mals gerufen, ob ich bezahlt hätte — ? Warst du das nicht? Dn^
war wohl gar eine von deinen beiden Freundinnen?"
Sie antwortete nicht. Sie lächelte. Da folgte er ihr, wie sie Qe’
heimnisvoll winkend auf die Gasthaustür zuschritt, um einzutreten-
Gerade drängten Gäste von innen heraus, die Tür wurde Ä>il^e
aus der Land gerissen, und schon hörte der ihr dichtauf folgen^
Gemahl drinnen eine Stimme rufen: „Laben Sie bezahlt?" Er riß
die Augen auf, so verdutzt war er, aber Lilde winkte schon wied^
mit dem Finger: „Komm nur!" Er tappte ihr hinterdrein, und sch»''
riß sie den grünen Vorhang beiseite und deutete empor: Da \a%
auf einer Stange ein großer Papagei und schaute, über die Störung
ärgerlich, böse auf die beiden herab. „Laben Sie bezahlt?" frag^
er gewohnheitsmäßig.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorkämpfer der Musterdemokratie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5091, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg