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DAS LEICHTE EXAMEN

Von Peter Robinson

Der Geheimrat August Friedrich von Conradi ist nun schon lange
diesem Leben mit seinen Rechtsstreitigkeiten entrückt, und deshalb
darf wohl die Geschichte erzählt werden, wie er einmal durch ein
Examen in eine, allerdings nur ihm bewußte und nur einem seiner
Examinanden bekannt gewordene, sehr peinliche Verlegenheit geriet.
Aebrigens: für alle Fälle sei zudem erklärt, daß sein Name eigentlich
anders lautete.

Gewöhnlich allerdings kamen bei den juristischen Staatsprüfungen,
die unter dem Vorsitz des Lerrn Geheimrats Professor Dr. August
Friedrich von Conradi stattsanden, die Prüflinge in Verlegenheit,
was festzustellen dann dem Lerrn Geheimrat, wie allgemein, und
zwar mit Recht, behauptet wurde, ein grimmiges Behagen bereitete.
Denn er mußte seine Opfer haben,
und in der Regel waren das, wie
die kleine Universitätsstadt, in der
er über zwei Jahrzehnte wirkte, sich
erzählte, von je zehn Prüflingen
mindestens vier. Es war also zu
verstehen, daß selbst tüchtige Kan-
didaten, die sich mit den Pandekten
und all dem anderen Kram, den
sie später einmal gar nicht so nötig
hatten, ordentlich abgegeben hatten,
mit Zittern und Zagen der harten
Prüfung entgegensahen. War es
dann so weit, dann gefiel es dem
Lerrn Geheimrat, dieses Zittern
und Zagen durch unerbittliches Auf-
treten noch zu vermehren. Ohnehin
war seine Erscheinung, die schon für
ganz unbeteiligte Laien, für den
simplen Mann auf der Straße Ehr-
furcht gebietend zu nennen war, ganz dazu angetan, die seinem Ar-
test Unterworfenen mit Bangen zu erfüllen. Von mächtiger Statur,
mit einem gewaltigen Rauschebart, blitzenden Augen unter buschigen
Brauen war er anzuschauen, wie man sich etwa Wotan, den wütenden
Sturmgott vorstellen muß, und wenn er dann eine seiner kniffligen
Fragen herausbrüllte, fielen nicht ganz robuste Examinanden beinahe
um. Ja, im Laufe der Jahre soll es sogar einige Male wirklich zu
Ohnmächten gekommen sein.

Da war es nun beinahe ein Wunder, daß einmal eine Prüfung
doch kein einziges Opfer forderte. Sieben Kandidaten hatten sich ge-
stellt, und alle sieben kamen glücklich und glatt, ja wie geölt hin-
durch. Aber nicht etwa, weil sie auch den größten Schwierigkeiten
gewachsen gewesen wären — nein, weil der Lerr Geheimrat von
Conradi diesmal kein wütender Wotan, sondern ein freundlich milder

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Lerr war, der es geradezu daraus anlegte, keinen der Kandidaten
eine Antwort schuldig bleiben zu lassen, so behutsam fragte er. Ja,
wenn die Antwort doch nicht ganz das Rechte traf, half er sogar
mit einem liebenswürdigen: „Sie haben das jedenfalls so und so
gemeint, nicht wahr?" gütig nach, und als er schließlich das so ganz
unerwartete Resultat verkünden konnte, schien er selber gerade so
froh zu sein wie alle sieben Kandivaten zusammen. In der kleinen
Universitätsstadt, die am Wohl ihrer Studierenden stets Anteil
nahm, gab es ungeheures Staunen. Ja, was bedeutete das? Latte
der Lerr Geheimrat von Conradi bereut, früher allzu streng ge-
wesen zu sein, und ließ ihn die Reue nun mit einer seiner sonstigen
Gepflogenheit ganz widersprechenden, ja über ein vernünftiges Maß

hinausgehenden Milde walten? Oder
war er etwa krank? Quälte ihn ein
schleichendes Leiden? War er ge-
zwungen, eine körperliche Schwäche
zu verbergen, und hatte er deshalb
Mitleid mit geistigen Schwächen bei
anderen? Oder hatte ihn eine von
den Kandidaten angeflehte, wunder-
tätige Fee im Traume besucht und
mit irgendwelchen schönen Ver-
sprechungen zur Sanftmut bekehrt?
Würde das nun immer so sein, bis
er eines Tages in Pension gehen
würde?

Nein, das letzte traf nicht zu,
denn schon beim nächsten Examen
holte der Lerr Geheimrak das Ver-
säumte reichlich nach und war ein
so wütender Wotan wie noch nie
zuvor. So blieb denn der denkwür-
dige Ausnahmefall ein ungelöstes Rätsel. Die Lösung war nur dem
Lerrn Geheimrat bekannt und außerdem, wie schon angedeutet,
einem jener sieben Kandidaten. Das war der heute auch nicht mehr
junge Rechtsanwalt Dr. Lugo Bornemann. Cr hat lange darüber
geschwiegen, aber dann doch einmal zu später Stunde beim Wein
in einem vertrauten Kreise zur Erheiterung den wahren Sachver-
halt aufgedeckt. Der Lerr Geheimrat von Conradi war also damals
nicht krank gewesen, und er hatte auch nicht aus irgendwelchen, nicht
zu ermittelnden persönlichen Regungen Milde walten lassen. Aber
eine Dame hatte geholfen, die zwar keine wundertätige schöne Fee,
sondern eine durchaus irdisch-bürgerliche und schon ältere Dame war,
nämlich eine verwitwete Frau Charlotte Lageström, die damals fern
der kleinen Universitätsstadt ein von ihrem Gatten ererbtes Ritter-
gut beherrschte und so gut wie der tüchtigste Kerl verwaltete. Sie

„Lerr Wirt, im Wein ist Wahrheit nur allein, aber in
dem da schwimmt auch noch eine Fliege herum."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Herr Wirt, im Wein ist Wahrheit nur allein"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5100, S. 254

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