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Schiffslazarett Gibraltar

Lieb« Im Urlauberrock

Dabei muß doch der Sohn dieser alten Frau ei» rechter Flausen-
macher und Herzensbrecher sei». Denn als er eines Morgens just
um die gleiche Stunde, als sie in diesem Hause ihre Briefe bestellte,
überraschend auf Urlaub heimkam, sah er ihr noch in der Umarmung
der vor Glück schluchzenden Mutter verliebt in die Augen und ries
ihr auch ein paar Worte zu, die sie in ihrer Verwirrung nicht ver-
stand. Gottseidank, daß sie sich keine Gedanken darüber gemacht hatte

— aber das log sie sich später nur vor, in Wirklichkeit hatte sie so-
gar die ersten beiden Nächte vo» ihm geträumt, aber lauter dummes
und ungereimtes Zeug und etwas, was man gar nicht erzählen kann —
jedoch schon an seinem zweiten Urlaubstag trafen aus allen Stadt-
teilen zärtliche Postkarten an ihn ein. „Tausend Küsse! Deine Monika!"
und „Ich zähle die Stunden bis heute abend! Deine Erika!" und
wie die Mädchen alle hießen, Lotte, Liese, .Hanne und Lore. Nein,
man sieht einem Urlauber viel nach, aber in dem Umfang, wie es
der Obergefreite Fritz Äelbig trieb, das war der ganzen deutschen
Wehrmacht unwürdig, stellte die junge Briefträgerin empört fest.
Am liebste» wäre sie ihm gar nicht mehr begegnet und hätte seine
strahlenden verliebten Augen nie mehr wiedergesehen, am liebsten
hätte sie ihre Ohren mit Wachs gegen sein Lachen verstopft, aber
was blieb ihr übrig? Dienst ist Dienst, und jeden Morgen war unter
ihrer Post ein eingeschriebener Brief an den Obergesreiten Fritz
Äelbig. Sie mußte, ob sie nun wollte oder nicht, in sein Zimmer
treten und warten, bis er unterschrieben halte. Ach, wenn das
wenigstens schnell gegangen wäre, aber einmal fand er den Bleistift
nicht, ein anderes Mal brach ihm die Spitze ab, und er mußte ihn
wieder erst anspitzen, und wie langsam er spitzte! Aber das kam nur,
weil er seine sieben Gedanken anderswo hatte und ihr freche — nein,

— eigentlich nicht freche, aber ihrem Ohr doch ungewohnte und zärt-
liche — Morte sagte.

„Kennen Sie den Unterschied zwischen Liebe und Urlaub?" fragte
er sie eines Morgens, als sich gar kein Bleistift vorfand und ihr
Dienstbleistift auf unverständliche Weise verschwunden war, sodaß
die Mutter hinuntergelaufen war, um einen neuen zu kaufen. „Ich
lvill Ihnen den Unterschied sagen: Liebe währet elvig, und der Ur-
laub nur drei Wochen. Zwei Wochen meines Urlaubs sind um!"

„Nein!" sagte sie unwillkürlich laut.

„Haben Sie nicht mitgezählt?"

„Doch," gestand sie, „aber nur wegen meiner Bleistifte. Das ist
nämlich heute schon der zwölfte, der hier verloren ging. Das ver-
trägt auf die Dauer nicht einmal das Einkommen eines Postrates."

„Ich werde Ihnen morgen ein Dutzend der schönste» Bleistifte
feierlich überreichen," sagte Fritz, „hart oder weich?"

„Morgen ist es zu spät."

„Zu spät?"

„Ich habe ab morgen Schalterdienst!"

Jetzt war es Fritz, der sich erschrocken verriet:

„Um Gottes willen! Und meine eingeschriebenen Briefe?"

„Die bringt eine andere Briefträgerin."

„Das ist unmöglich! Das führt zu den größten Verwicklungen!
Sie ivisse» ja gar nicht, wer mir täglich schreibt!"

„Das iveiß ich allerdings nicht!"

„Sie schreiben mir!" rief Fritz aufgeregt, „Sie selber schreiben
mir! Jeden Tag schreiben Sie mir!"

„Ich? Ich hätte Ihnen einen Brief geschrieben?"

„Einen? Zwölf! — Das heißt, ich habe für Sie an mich geschrie-
ben. Ich habe mir geschrieben, wie Sie schreiben würden, wenn Sie
sich traute». Das, was Sie über mich denken, habe ich in Ihrem
Namen an mich geschrieben! Da, lesen Sie selbst!"

Er riß den Brief auf und reichte ihn ihr.

„Mein über alles geliebter Fritz," las sie, „ich liebe Dich so sehr,
daß ich mir mein Lebe» ohne Dich nicht mehr denken kann! Merkst
Du es denn nicht? Faß Dir doch endlich ein Herz und nimm mich
in Deine Arme! Ich warte ja so daraus! Deine junge schöne Brief-
trägerin."

„Und die Postkarten von den zahlreichen Mädchen?" fragte sie,
als er endlich nach tausend Küssen ihren Mund freigab und die
Mutter längst den Bleistift gebracht hatte, ohne daß sie es merkten,
„was ist mit diesen Mädchen?"

„.Haben dich die Karten gekränkt?"

„Sehr!"

„Gottseidank! Die Mädchen existieren nicht. Ich habe die Karten
an mich selbst geschrieben! Du solltest dich mit mir beschäftigen.
Oder glaubst du im Ernst, ein Urlauber hat Zeit für hundert kleine
Lieben, wenn er eine große braucht, an die er draußen denken kann?
Auch wenn die große Liebe ein ganz pflichtvergessenes Mädchen ist,
die jetzt alle anderen Leute auf die Post warten läßt?"

Die junge Briefträgerin lief, was sie konnte, die versäumte Zeit
einzuholen. Die schlvere Tasche trug jetzt, wenn es keiner sah, der
Obergefreite Fritz Äelbig. Er verstand es ausgezeichnet. Denn er
war im Frieden Briefträger und wird in Bälde seine junge Frau
wieder ablösen.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schiffslazarett Gibralta"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5104, S. 305

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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