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Der britische Löwe: „Eigentlich habe ich mir das umgekehrt
vorgestellt, ich hoffte von ihm gefüttert zu werdenI“

Mlnchhusens venezianisches Abenteuer

„Licht," erklärte Lerr v. Minchhuse». „Zwei vorne, zwei hinten,
zwei rechts und zwei links." Dagegen war nichts einzuwenden.

„Und tatsächlich," fuhr der Baron fort, „gelang es meinem Gaul,
sich dank dieser Taktik von dem verblüfften Feind zu lösen und in
gestrecktem Galopp davonzufegen. Dogge eine Weile wütend hinten
nach, da Pferd aber jetzt auch die vier seitlichen Beine einsetzte,
gewinnt es rasch Abstand. Dogge gibt auf und kehrt mit einge-
zogenem Schweis in den Palast zurück. Lierauf beruhige ich meinen
treuen Lengst und lenke in den nächsten Seitenkanal ein. Pferd
wird plötzlich scheu, geht abwechselnd vorne und hinten hoch. Ist
nicht zu bewegen, unter einer kleinen Brücke- durchzureiten. Ich
springe ab, klopfe Lals des Tieres, bis es vernünftiger wird. Nun
höre ich es selbst ganz deutlich: schweres Seufzen. Klar, Seufzer-
brücke. Versuche, Gaul durchzuführen. Gaul will nicht. Darauf werde
ich wütend und rufe: Kusch! Worauf das Seufzen augenblicklich
aufhört und Lengst willig folgt.

In einer Salumeria kaufte ich ein Stück Salami und ritt dann
nach dem Markusplatz, um dort die armen Tauben zu füttern. Ich
band mein Pferd unter den Sottoportici fest und ging in die Mitte
des Platzes. Dort stand gerade eine ältere Dame. ,Sind Sie eine
Taube?" fragte ich. Sie war tatsächlich eine, denn sie setzte ein Lör-
rohr ans Ohr und sagte: ,Ms, das dort ist die Kirche". Worauf
ich ein Stuck von meiner Salami abschnitt und es ihr ins Lörrohr
steckte. Sie warf es mir mitsamt der Salami an den Kopf. Das
war die letzte Taube, die ich gefüttert hatte."

„Tja," meinte einer der Lerren, „Venedig ist eine merkwürdige
Stadt."

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„Das will ich meinen," nickte seufzend Lerr von Minchhusen.
„Als Tauwetter eingetreten war, fuhr ich einmal in einer Gondel
durch die stillen Wasserstraßen der Stadt. Aus einem der Fenster
drang eine wundervolle Frauenstimme, die ein herrliches Lied nach
der bekannten Melodie ,Ein Lund lief in die Küche —" sang. Ich ließ
halten und lauschte berückt. Die Schwermut der Töne ging mir derart
zu Lerzen, daß ich ausstieg und an das offene Fenster schlich. Eine
ergreifende und zugleich schreckliche Szene bot sich meinen Blicken:
Ein wunderbares Mädchen saß am Spinnrad und sang, dahinter
stand ein riesiger brutaler Neger und knurrte. Kein Zweifel, der
Mohr von Venedig! Der Afrikaner konnte mich nicht sehe», denn
er stand halb mit dem Rücken zu mir. Aber das Mädchen erblickte
mich und zwinkerte hilfeflehend mit der Wimper. Ich hole mir das
Ruder, schleiche mich damit heran und dresche es dem Neger aus
das Laupt. Neger stutzt, schaut zur Decke, schaut unter den Tisch,
schaut in den Schrank. Schüttelt das Laupt und knurrt stärker.
Steht jetzt gerade unter zentnerschwerem venezianischen Luster.
Pistole raus, ziele kurz auf Lusterstange peng — tschin — herr-
liche Lampe zerschellt auf häßlichem Roßhaarkopf. Llfrikaner ver-
dreht die Augen und wackelt stark. ,Der Mohr hat seine Schuldig-
keit getan," rufe ich, ,der Mohr kann kaum mehr gehen!"

,Ich bin nicht von Schiller," entschuldigt sich der Neger, ,ich bin
von Shakespeare". Er ging aber trotzdem. Das Mädchen kam mit
weitausgebreiteten Armen auf mich zu. ,Wer bist du, Märchen?^
rief ich. ,Die Tochter des Kaufmanns von Venedig," sagte sie mit
zuckenden Lippen und sank weinend an meine Brust. ,Ewigen
Dank," schluchzte sie dort, ,Ihr habt mich befreit, mein Ritter,
Retter, Recke, Niese, Pipihendi "

,Madon»a!" rief ich. ,Kommt mit mir, werdet die Meine!"

,Das geht leider nicht," meinte die Schöne und trocknete die
Tränen, ,denn für heute abend habe ich bereits eine Verabredung
mit Giacomo Casanova —"

„And so zog ich leidgeprüft neuen Abenteuern entgegen," schloß
Äerr von Minchhusen mit bebender Stimme. Liber auch die anderen
waren so ergriffen, daß an ein Weitererzählen an diesem Abend
nicht mehr zu denken war.

Kleine dlironik

Der stellvertretende sowjetische Außenkommiffar Wyschinski hak
englischen und amerikanischen Pressevertretern erklärt, die Entsen-
dung polnischer Delegierter, die nach den anderthalb Millionen ver-
schwundener Polen forschen sollten, sei „Spionage und Verhetzung"
gewesen.

Dieser Auffassung gemäß wäre also auch ein Polizist, der einen«
Morde nachspürt, ein Spion, und er hetzt die öffentliche Meinung
gegen den Täter auf.

Als der Lerzog von Windsor, der Bruder des King, kürzlich
mit seiner Gattin in New Port eintraf, haben die „New
Times" geschrieben: „Die Windsors sind ohne Fanfaren und Troni'
petenklänge eingezogen. Sie wollen bei uns Einkäufe machen, ihnen
fehlen aber die Dollars."

Man sage nicht, daß diese Bemerkung unzart war. Es war eine
Begrüßung, die wirklich vom LZankeeherzen kam.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die große Fütterung mit Stützpunkten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5107, S. 344

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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