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DIE STRADIVARI

Von I. Frank

Es war an irgendeinem Nachmittag irgendeines Jahres um die
letzte Jahrhundertwende. Fleischermeister Laxling stand dick und
breit unter seinen Würsten und harrte der Nachfrage. Zn seiner
Leibesfülle die beste Reklame für seine Erzeugnisse. Ein Interessent,
Gelock, Schlapphut und Geige nach Schwabinger, zögerte in den
Laden. Laxling setzte zum Willkomm seine sauerste Miene auf, um
nicht der Gönnerschaft brotloser Künste verdächtigt zu werden. „Sie
wünschen?" knurrte er zum Ausdruck dafür, daß er in diesem Son-
derfall am liebsten nichts gewünscht sähe. Der Schwabinger sandte
sehnsüchtige Blicke zu den üppigen Schinken und prallen Würsten
empor. „Sie wünschen?" knurrte
Laxling um etliche Töne bär-
beißiger: Kunden, die sich vor
dem Einkauf schon mit den Augen
satt fraßen, hatte er gernl Die
Lände auf das große Fleischer-
meffer gestützt, stand er furchter-
regend wie ein Scharfrichter.

„Kann ich hundert Gramm Schin-
ken haben?" fragte schüchtern der
Gemähnte. „Jeder kann, der zahlt,"
erwiderte Laxling herausfor-
dernd. „Das tue ich natürlich!"
trumpfte der Schwabinger auf,
gereizt von dem Mißtrauen, das
seinen Finanzen galt. Gnädig
wog Meister Laxling den Schin-
ken ab. „Vierzig Pfennig,"
brummte er herablassend. Der
Künstler griff in die rechte Losen-
tasche, in die linke, in die unteren,
in die oberen Westentaschen und
tat lauter Fehlgriffe. Er erwies
sich zur eigenen Aeberraschung
augenblicklich nicht sonderlich kauf-
kräftig. „Entschuldigen Sie, ich
habe mein Geld vergessen," mur-
melte er. Meister Laxling schmiß
demonstrativ den Schinken auf den Ladentisch: er hatte es ja geahnt!
Diese Schlawiner vergessen immer Geld zu haben! Aus reiner Ver-
geßlichkeit find fie keine Millionäre geworden! Laxlings buschige
Brauen stachen feindselig auf den Schwabinger ein. Verschüchtert
klang es unter der Mähne hervor: „Dürfte ich Ihnen vielleicht meine
Geige als Pfand zurücklassen? Ich löse sie noch heute abend aus."
— „Gern Hab' ich solch großartige Tauschgeschäfte: eine alte Geigen
für einen neuen Schinken, abgetragene Socken für eine frische Blut-
wurst! Meinetwegen," brummte er schließlich gnädig, „ich behalt'
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die Geigen als Pfand. Wird sie morgen net ausgelöst, so verkauft
ich sie!" — „Ich löse sie bestimmt noch heute aus!" versicherte der
Künstler und ging mit seinem Mahl von dannen. Meister Laxling
holte die Geige aus dem Kasten, beäugte und beroch sie mit musi-
kalischer Kennerschaft und gelangte schließlich zu der beruhigenden
Feststellung, daß sie wohl vierzig Pfennig wert sein könnte.

Andere Kunden kamen, gute, anständige Kunden, die mit barer
Münze zahlten, nicht mit vergessener. Dann nach einer kurzen Ge-
schäftspause bewegte sick ein feiner Lerr in steifem Lut und Gehpelz
zur Tür herein, ein Lerr, wie sie selten ihren Wurstbedarf persön-
lich zu decken pflegten. Meister
Laxling erwies dem Pelzmantel
die gebührende Reverenz: „Was
steht dem gnädigen Lerrn zu
Diensten?" — „Ra, geben Sie
mir mal für fünf Mark Auf-
schnitt, vom besten natürlich." In
Meister Laxlings Leibesfülle
kam ungeahntes Leben. Mit gra-
ziösem Schwung säbelte er die
Scheiben ab. Der Stadtpelz
machte inzwischen, die fleischigen
Stalaktiten musternd, die Runde
durch den Laden. Sein Blick blieb
am Lackstock im Lintergrund haf-
ten, wo in dem offenen Kasten die
Schwabinger Geige lag. „Donner-
wetter!" entfuhr es dem Gehpelz,
„woher haben Sie das herrliche
Instrument? Dürfte ich es mal
einen Augenblick näher ansehen?"
— „Aber bittschön," erwiderte
Meister Laxling und reichte die
Geige über den Ladentisch her.
Der Lerr im Pelz besah das
Instrument mit Kennermiene,
schlug ein paar Töne an, horchte
ihnen sachkundig nach und strei-
chelte liebkosend den Resonanzkörper: „Kein Zweifel, eine echte
Stradivari! Wissen Sie, Meister, daß Sie da ein wundervolles In-
strument haben?" — „Ja, freilich weiß ich's!" rief Laxling energisch,
keinen Zweifel an seiner Kennerschaft aufkommen zu lassen. „Würden
Sie das Instrument verkaufen?" fragte der Lerr in, Pelz. „Das ...
kann ich leider net," erklärte Laxling. „Sind Sie ein so begeisterter
Musikfreund, daß Sie sich von der Geige nicht zu trennen ver-
mögen?" „Selbstredend bin ich das!" versicherte Laxling. „Aber
ich biete Ihnen fünftausend Mark!" rief der Lerr im Pelz und

Der vergeßliche Zoowärter

„Ich möchte nur wissen, warum ich den Knopf in den Ele-
fanten gemacht habe, irgendwas wollte ich nicht vergessen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der vergeßliche Zoowärter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Elefanten <Motiv>
Zoologischer Garten

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5112, S. 38

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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