Begründeter Besitz
Der schon ältere, aber ersichtlich
noch sehr bewegliche Lerr wünschte
einen Bezugschein für ein Paar
Schuhe, solide Straßenschuhe.
„Können Sie ein Paar alter
Schuhe dafür abgeben?" erkundigte
sich das beamtete Fräulein.
Der ältere Lerr zuckte die Achseln.
„Ich könnte schon, aber man wird sie
kaum haben wollen. Ich habe zwölf
Paar alter, zum Teil schon ziemlich
ausgetretener Lackschuhe."
Das Fräulein erlaubte sich, zu
staunen. „Limmel, zwölf Paar Lack-
schuhe habe» Sie!"
Der Lerr nickte lächelnd. „Ja,
ich bin nämlich Tanzlehrer."
Der Gasthof
Der Wintersportler hatte sich ein
Zimmer vorausbestellt.
Als er endlich im Gebirge ankam,
war die Enttäuschung groß.
„Das ist Ihr Gasthof?"
„Ja. Das ist er."
„Aber er steht doch zwischen
lauter hohen Läufern?"
„Ja. Das steht er."
„Wie können Sie ihn dann,Zur
schönen Aussicht' nennen?"
Der Wirt kratzte sich gemütlich
unter der Kappe.
„Ja mei," sagte er, „neulich war
ich in Innsbruck im Kaffee ,Zum
Elefanten' — da war auch weit und
breit kein Elefant zu sehen."
„Wie das Wasser schon wieder gestiegen ist! sind dabei ist
schon Zweidrittel der Erdoberfläche von Wasser bedeckt!"
Vas Korsett der ssrau kostmeisterm
Von
R. Scherzberg
In einer kleinen, gemütlichen Landstadt an der Este, allwo die Lunde
mit dem Morse bölken, lebte unter 2900 Einwohnern auch ein Junggeselle:
Iungvermählt
„Zu dumm, ich habe einen Fremdkörper im Auge!"
„Oskar, mach mich nicht eifersüchtig!"
Alfred Wippermann, herrlich ge-
wachsen, mit hellblonder Glatze, gu-
ten Manieren, äußerlich gepflegt,
innerlich gebildet.
Unterhalb seines blütenweißen
Kragens war eine kostbare Perle
als Blickpunkt in den modischen
Schlips eingebaut. Schlipse pflegte
er in Lamburg einzukaufen. Die
Mädchen im Städtchen wurden un-
ruhig, wenn der schöue Alfred auf
der Straße sich zeigte. Den Familien-
anschluß suchte er ausschließlich in
Lerrengesellschaften, im Kegelklub,
in der Larmonie und am Lonorati-
orenstammtisch, wo der Bürger-
meister, der Amtsrichter, die Asses-
soren und Aerzte, der Oberförster
und der kürbispralle Postmeister sich
von „Bonifazius Kiesewetter" und
„Mikosch" erzählten. Alfred brachte
einige Neuheiten mit und der Stamm-
tisch dankte es ihm.
Spät wurde es zuweilen, doch am
spätesten, als der Sonnabend in den
Geburtstag des Postmeisters über-
leitete. Der gute Postmeister in seiner
festlichen Laune hatte einen ganz
tollen Einfall: Er lud den ganzen
Stammtisch zu einer Geburtstags-
Vorfeier um Mitternacht in seine
Wohnung ein. Begeistert setzte man
sich in Marsch zum Postgebäude am
Kuhmarkt. Leise, ganz leise klomm
man die Massivtreppe hinauf, und
auf Zehenspitzen erreichte die nächt-
liche Tafelrunde die stille Behausung
des Postmeisters. Man legte die
Pelze ab, denn es war Winter und
eiskalt, aber die Dienstwohnung war warm.
Lell aufflammte der Kronleuchter über strahlenden und
erwartungsvollen Gesichtern. Aus dem Keller tauchte endlich
die rundliche Gestalt des Postmeisters wieder auf, und man
freute sich Über den flaschenbestückten Korb. Mit Andacht und
Lingabe schlürfte man den herben „Piesporter" und die köst-
liche „Liebfrauenmilch". Man redete und toastete im Flüster-
ton, denn „Sie", die Ahnungslose sollte in ihrem herrlichen
Tiefenschlaf nicht gestört werden. Nicht etwa, weil man für
den Postmeister fürchtete, nein, so war „Sie" nicht. Man
wollte ihren Traumkomplex nicht stören; man wollte „Boni-
fazius Kiesewetter" nicht aus der Tafelrunde verbannen.
„Toitoi!" Ich habe noch eine fabelhafte Aeberraschung:
Eine Flasche uralten „Asbach Aralt" und ganz schwarze Bra-
sils! Einen Augenblick Geduld!" lallte der selige Postmeister
und verschwand. Alfred hängte sich an.
Ein Wohnungsgrundriß in einem Dienstgebäude ist immer
unpraktisch, weil er auf Grund einer Gebäudeordnung und
Dienstanweisung erdacht wurde und nicht aus liebevollem
Lerzen erstand. Zwecks besserer Aeberwachung des postalischen
Tresors ist es erforderlich, daß der Schlafraum des Dienst-
leiters Wand an Wand sich neben diesem befindet.
And so schlichen sich beide durch das eheliche Schlafgemach
zum postmeisterlichen Dienstraum, mit flackernder Kerze, auf
leisen Sohlen, vorbei an der ehelichen Bettstatt, wo die Gute
mit roten Bäckchen den tiefen Schlaf der Gerechten schlief,
ahnungslos und ganz entspannt von Tageslast und Laus-
frauenmühen.
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Der schon ältere, aber ersichtlich
noch sehr bewegliche Lerr wünschte
einen Bezugschein für ein Paar
Schuhe, solide Straßenschuhe.
„Können Sie ein Paar alter
Schuhe dafür abgeben?" erkundigte
sich das beamtete Fräulein.
Der ältere Lerr zuckte die Achseln.
„Ich könnte schon, aber man wird sie
kaum haben wollen. Ich habe zwölf
Paar alter, zum Teil schon ziemlich
ausgetretener Lackschuhe."
Das Fräulein erlaubte sich, zu
staunen. „Limmel, zwölf Paar Lack-
schuhe habe» Sie!"
Der Lerr nickte lächelnd. „Ja,
ich bin nämlich Tanzlehrer."
Der Gasthof
Der Wintersportler hatte sich ein
Zimmer vorausbestellt.
Als er endlich im Gebirge ankam,
war die Enttäuschung groß.
„Das ist Ihr Gasthof?"
„Ja. Das ist er."
„Aber er steht doch zwischen
lauter hohen Läufern?"
„Ja. Das steht er."
„Wie können Sie ihn dann,Zur
schönen Aussicht' nennen?"
Der Wirt kratzte sich gemütlich
unter der Kappe.
„Ja mei," sagte er, „neulich war
ich in Innsbruck im Kaffee ,Zum
Elefanten' — da war auch weit und
breit kein Elefant zu sehen."
„Wie das Wasser schon wieder gestiegen ist! sind dabei ist
schon Zweidrittel der Erdoberfläche von Wasser bedeckt!"
Vas Korsett der ssrau kostmeisterm
Von
R. Scherzberg
In einer kleinen, gemütlichen Landstadt an der Este, allwo die Lunde
mit dem Morse bölken, lebte unter 2900 Einwohnern auch ein Junggeselle:
Iungvermählt
„Zu dumm, ich habe einen Fremdkörper im Auge!"
„Oskar, mach mich nicht eifersüchtig!"
Alfred Wippermann, herrlich ge-
wachsen, mit hellblonder Glatze, gu-
ten Manieren, äußerlich gepflegt,
innerlich gebildet.
Unterhalb seines blütenweißen
Kragens war eine kostbare Perle
als Blickpunkt in den modischen
Schlips eingebaut. Schlipse pflegte
er in Lamburg einzukaufen. Die
Mädchen im Städtchen wurden un-
ruhig, wenn der schöue Alfred auf
der Straße sich zeigte. Den Familien-
anschluß suchte er ausschließlich in
Lerrengesellschaften, im Kegelklub,
in der Larmonie und am Lonorati-
orenstammtisch, wo der Bürger-
meister, der Amtsrichter, die Asses-
soren und Aerzte, der Oberförster
und der kürbispralle Postmeister sich
von „Bonifazius Kiesewetter" und
„Mikosch" erzählten. Alfred brachte
einige Neuheiten mit und der Stamm-
tisch dankte es ihm.
Spät wurde es zuweilen, doch am
spätesten, als der Sonnabend in den
Geburtstag des Postmeisters über-
leitete. Der gute Postmeister in seiner
festlichen Laune hatte einen ganz
tollen Einfall: Er lud den ganzen
Stammtisch zu einer Geburtstags-
Vorfeier um Mitternacht in seine
Wohnung ein. Begeistert setzte man
sich in Marsch zum Postgebäude am
Kuhmarkt. Leise, ganz leise klomm
man die Massivtreppe hinauf, und
auf Zehenspitzen erreichte die nächt-
liche Tafelrunde die stille Behausung
des Postmeisters. Man legte die
Pelze ab, denn es war Winter und
eiskalt, aber die Dienstwohnung war warm.
Lell aufflammte der Kronleuchter über strahlenden und
erwartungsvollen Gesichtern. Aus dem Keller tauchte endlich
die rundliche Gestalt des Postmeisters wieder auf, und man
freute sich Über den flaschenbestückten Korb. Mit Andacht und
Lingabe schlürfte man den herben „Piesporter" und die köst-
liche „Liebfrauenmilch". Man redete und toastete im Flüster-
ton, denn „Sie", die Ahnungslose sollte in ihrem herrlichen
Tiefenschlaf nicht gestört werden. Nicht etwa, weil man für
den Postmeister fürchtete, nein, so war „Sie" nicht. Man
wollte ihren Traumkomplex nicht stören; man wollte „Boni-
fazius Kiesewetter" nicht aus der Tafelrunde verbannen.
„Toitoi!" Ich habe noch eine fabelhafte Aeberraschung:
Eine Flasche uralten „Asbach Aralt" und ganz schwarze Bra-
sils! Einen Augenblick Geduld!" lallte der selige Postmeister
und verschwand. Alfred hängte sich an.
Ein Wohnungsgrundriß in einem Dienstgebäude ist immer
unpraktisch, weil er auf Grund einer Gebäudeordnung und
Dienstanweisung erdacht wurde und nicht aus liebevollem
Lerzen erstand. Zwecks besserer Aeberwachung des postalischen
Tresors ist es erforderlich, daß der Schlafraum des Dienst-
leiters Wand an Wand sich neben diesem befindet.
And so schlichen sich beide durch das eheliche Schlafgemach
zum postmeisterlichen Dienstraum, mit flackernder Kerze, auf
leisen Sohlen, vorbei an der ehelichen Bettstatt, wo die Gute
mit roten Bäckchen den tiefen Schlaf der Gerechten schlief,
ahnungslos und ganz entspannt von Tageslast und Laus-
frauenmühen.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie das Wasser schon wieder gestiegen ist!" "Jungvermählt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5112, S. 42
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg