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„Und jetzt zeige ich Ihnen die Abteilung für harmlose Voll-
idioten, Herr Regisseur.“

„Sehr interessant, hier werde ich mir die Darsteller für meinen
nächsten Sowjet-Werbefilm heraussuchen I“

Der boshafte Regenschirm

Riesel-Regens. Statt nun über Befferung des Charakters
nachzudenken, brütete er über neue Antaten. Denn der Charakter
der toten Materie bleibt unverrückbar und böse, wenn er einmal
böse ist. Aus seinem nun etwas staubverschleierten Auge blinzelte
der Schirm Meder ständig an, wie Landelsagenten ihre Mitreisenden
in einem Bahnabteil, wenn sie diese zu unvorteilhaften Geschäften
einfangen wollen. Reder war grundlauter — aber molluskenhaft
schwach und charakterlos, wie Menschen sind. (Siehe Absatz 1.)

An einem schwülen Augustnachmittag trommelte — 20 Minuten
vor Amtsschluß — ein Platzregen gegen das Dienstfenster. Die
diabolische» Web-Fehler-Blicke bohrten sich hypnotisch in Revers
Lirn. Dieser erlag, löste mit traumhafter Land die weiße Lalskrause
vom Bambusgriff und führte den Anhold ins Freie. Das nasse
Element wirkte wie ein Lebenselixier auf den sofort nach neuen
Antaten Dürstenden. Reder entstieg schirm- der Stadtbahn, legte
schütz- die letzte Strecke zurück, war faffungs-, als er des Ver-
lustes gewahr wurde, würgte appetit- am Abendbrot und wälzte
sich schlaf- im Bette als er seine Lage als hoffnungslos erkannte:
nach lstjähriger, makelloser Dienstzeit war Reder zum gemeinen
Dieb am Gut unbekannter Eigentümer geworden. Leiden wählen
in solchen Fällen den Freitod. Menschliche Charakter-Mulatten
neigen zu halben Kompromissen. Reder floh in die KrankheitI Der
Arzt stellte ein schweres Nervenfieber fest und legte die Leitung in
Gottes Land. Frauen sind praktisch und erdgebundener. Außerdem
war Reders Gehaltszahlung und somit das Wirtschaftsgeld in fünf
Tagen fällig. Reders Frau wachte Nacht für Nacht am Kranken-
lager, um aus den krausen Fieberphantasien die wahre Krankheits-
ursache zu ergründen. Am vierten Morgen enteilte sie, um kurz daraufmit
vier ähnlichen Negen-Schutz-Vorrichtungen zurückzukehren und diese
vor dem Sterbelager aufzubauen. Der Patient erwachte, stürzte in
die Wolken, auf Nr. 2 von links, aus dem angst-schweitz-naffen Bett,
aus dem Laus, in das Amtsgericht, sich über Straf-AktFilster, um
den nächstmöglichen Termin als Tag der Verhandlung sestzulegen.
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Bei dieser handelte es sich nach den üblichen Einleitungs-
Formalitäten darum, das fragliche Eigentumsrecht sestzulegen.
Mangels dokumentarischer Grundlagen konnte dies nur durch Eid
erfolgen. Wern trat mit geschwellter Brust und gezückten Schwur-
fingern vor die Barre, als ihm sein Weib in die Schwurhand fiel:
„Lalt ein, Fritz, dein Schirm war ganzseiden — Preis 28.50 österr-
Schillinge —, dieser aber ist halbseiden, Wert höchstens 14.25."

Nach 7 Minuten verließen die tribunale Szene: Frau Profeffor
Wern, den Kopf hängen lassend, Ordinarius Professor Wern, diesen
schüttelnd, Friseur Filster denselben hoch- und einen Schirm unter
dem Arm tragend. Sein (des Schirmes) Standesgenosse aber trieb
sich unbekannten Aufenthaltes umher, neue Allotria ersinnend. Die
bisher bekannten aber zeugten weiter Böses (siehe Schiller) und
erforderten folgende Anglücksopfer:

1. Witzner begann am Sinne des Daseins zu zweifeln, als er
einen Stammkunden verlor. Er wurde zum notarischen Säufer, denn
die versoffene Lypothek mußte notarisch im Grundbuch, Abteilung
Reder, eingetragen werden.

2. Reder, der ehemalige strenge Strafrichter, konnte keinen Dieb
mehr verurteilen. Er mußte in die anderstrittige Abteilung, wo er
das Grundbuch führt.

3. Wern arbeitete an einem Werk: „Beeinflußbarkeit von Sinnes-
eindrücken und Zeugen-Aussagen." Darin wird so gut wie alles
widerrufen, was Wern bisher gelehrt. Auch sonst hatte er seit dieser
Zeit Schrullen. Am schönsten Tag marschiert er mit einem Vaum-
wollschirm, den Griff mit einem Messingschild versehen. Den Schirm
vergaß er bis heute stehen zu lassen.

4. Filster ist Plutokraten- Anwärter. Zeichen seiner totalen
ethischen Verkommenheit. Er hat einen neuen Stamnikunden ge-
wonnen, den er rasiert und dann einseift. Mit Staatsopern-Tänzer-
Grazie überreicht er ihm den Baumwollenen, lenkt so seine Aufmerk-
samkeit ab und gibt zu wenig Wechselgeld heraus. Das so Ergau-
nerte wird eingespart, um den bald bankrotten Laden Witzners auf-
zukaufen. Nur einen kleinen Teil zweigt er ab. Mit diesem besucht
er Kinos und andere finstere Vergnügungsstätten: er hofft dort sein
rechtsgiltig anerkanntes Eigentum, halbseiden, Wert höchstens 14.25
österreichische Schilling, ganzseiden, Preis 28.50 österreichische Schil-
ling, Umtauschen zu können.

Circus mundi! Allerdings geschehen im Jahre 1925, da die mensch-
liche Moral, durch Inflation und die systemzeitliche Mentalität häß-
liche Webfehler aufzuweisen hatten.

„Sie warten, scheint's, auch vergeblich, Fräulein; da
könnte vielleicht ich . . .

„Ach nein, ich bin wohl nur zu früh gekommen; aber
wenn Sie mit mir rechnen, da sind Sie zu spät gekommen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Im Hollywooder Irrenhaus" "Sie warten, scheint's, auch vergeblich, Fräulein..."
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Fliegende Blätter
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Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5125, S. 196

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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