König Fußball
jener Jahre, mein waren Kampf und Sieg und der Triumph der
Arena!
So bin ich Gefolgsmann König Fußballs gewesen, solange die
Welt der Erwachsenen ihn vom Throne zu stürze» versuchte. War
es umso fanatischer, je mehr die Eltern, Lehrer und Große» über-
haupt an diesem Thron rüttelten, fing die Schläge auf, die eigentlich
ihm galten, litt, aber war stolz und unbeugsam, lief mit ewig zer-
rissenen Schuhen durch diese Jahre, aber trug den Glanz jungen
Stürmertums im Lerzen und Auge.
Bis dann eines Tages alles seine natürliche Ordnung wiederfand.
Wie und wann es geschah, kann ich heute kaum noch sagen. Weiß
nur, daß es wieder Stiefel und Leder nach Lerzenslust zu kaufen
gab, ja, daß ich einen Fußball und Sportstiefel dazu geschenkt be-
kam; denn der Amgang mit diesem Sport war nun auch in allen
Schichten und Kreisen der Erwachsenenwelt populär geworden, und
daß ich mich tummeln und frei bewegen konnte aus seinen Feldern,
soviel ich nur immer begehrte. Mußte da nicht auch etwas in mir
geschehen? Es mußte wohl; denn Leidenschaft erkaltet und wird pro-
fan, wenn ihr Objekt alltäglich wird, wenn es seinen Sternenglanz
verliert im legitimen Amgang, der gebilligt wird von allen Seiten,
wenn es für das Äerz dieser Leidenschaft nichts mehr um ihretwillen
zu leiden, opfern und zu ringen gibt.
Der Knabe, der nun bald schon der Schule entwachsene, entdeckte
andere Wunder des Lebens, die Liebe, Lingabe und Opfer forderten.
Da waren das Wandern und die Natur, die den Blick ins Weite
zogen, da waren die Mädchen neben uns, diese seltsam graziösen,
biegsamen Wesen, die ganz ungewöhnliche Regungen im Lerzen
weckten-und Bücher gab es, an denen man sich heiß und kalt
lesen konnte. Was war ein Fußball? Ein Fußball war ein Fußball,
ein Ding aus Leder, rund und ziemlich aufgeblasen, aber eigentlich
auch ziemlich hohl. Dabei blieb man doch nicht ein Leben lang
stehen —I
Alles bekam wieder seine natürliche Ordnung.
And es wäre mir gewiß nie eingefallen, diese kleine Geschichte zu
erzählen, wenn ich nicht unlängst auf dem Boden meiner Mutter,
als ich irgendein Gerät suchte, eine Begegnung meiner Knabenzeit
gehabt hätte. Denn dort fand ich in einem Winkel meinen alten
Fußball, meine alten Fußballstiefel. Das Leder war hart und brüchig
geworden, ja, sehr schäbig, staubig und verschimmelt sah es aus, muß
ich bekennen. Es ging ein stiller Vorwurf von den toten, immer nur
getretenen und rühmlos von einem Winkel in den anderen gestoßenen
Dingen aus. And da überkam es mich, so zu sagen, daß sie nicht
nur getreten, sondern einst auch so heiß und selbstlos geliebt worden
waren, wie nur Knaben lieben können.
Leichs Leistungen
Mein Freund Erich entschloß sich schweren Lerzens zum Kriegs-
junggeselle und sandte Frau und Kinder in eine bombensichere Gegend.
AlsLaushaltsvorstand hatte er stets die Befehlsgewalt innegehabt,
Vollzugsperson aber war die Gattin. Er hatte wohl Anweisungen
zum täglichen Küchenzettel gegeben, die Ausführung aber Frau
Trude überlassen. Seine Ernährung lag bei ihr in den besten Länden.
Mehr rezeptive als produktive Natur, zog er den Konsum der Er-
zeugung vor und ließ es sich am liebsten gut schmecken. Jetzt aber
in seinem frauenlosen Zustande sah er sich plötzlich vor die Not-
wendigkeit gestellt, sich seiner eigenen Nahrungssuche zu widmen.
„Lieber Theo," sagte er zu mir, „du weißt, ich habe mich bisher um
das tägliche Brot nicht zu kümmern brauchen, nie eine Lebensmittel-
karte in meine Land genommen. Willst du als Junggeselle und
erfahrener Selbsternährer mir nicht ein wenig mit Rat und
Tat zur Seite stehen? Wie geht man am zweckmäßigsten mit den
Karten um?"
„Das ist ganz einfach, lieber Erich-" versicherte ich, geschmeichelt
wenigstens in einem Fach als Autorität zu gelten. „Dazu ist
nur ein bißchen Dispositionstalent nötig, ein wenig guter Wille
zu rationeller Einteilung. Du rechnest dir am Anfang jeder
Zeichnung von E. Croissant
Großschwarzschlächter AI Porcone in Chicago hat sich ein „Fress“-ko bestellt.
209
jener Jahre, mein waren Kampf und Sieg und der Triumph der
Arena!
So bin ich Gefolgsmann König Fußballs gewesen, solange die
Welt der Erwachsenen ihn vom Throne zu stürze» versuchte. War
es umso fanatischer, je mehr die Eltern, Lehrer und Große» über-
haupt an diesem Thron rüttelten, fing die Schläge auf, die eigentlich
ihm galten, litt, aber war stolz und unbeugsam, lief mit ewig zer-
rissenen Schuhen durch diese Jahre, aber trug den Glanz jungen
Stürmertums im Lerzen und Auge.
Bis dann eines Tages alles seine natürliche Ordnung wiederfand.
Wie und wann es geschah, kann ich heute kaum noch sagen. Weiß
nur, daß es wieder Stiefel und Leder nach Lerzenslust zu kaufen
gab, ja, daß ich einen Fußball und Sportstiefel dazu geschenkt be-
kam; denn der Amgang mit diesem Sport war nun auch in allen
Schichten und Kreisen der Erwachsenenwelt populär geworden, und
daß ich mich tummeln und frei bewegen konnte aus seinen Feldern,
soviel ich nur immer begehrte. Mußte da nicht auch etwas in mir
geschehen? Es mußte wohl; denn Leidenschaft erkaltet und wird pro-
fan, wenn ihr Objekt alltäglich wird, wenn es seinen Sternenglanz
verliert im legitimen Amgang, der gebilligt wird von allen Seiten,
wenn es für das Äerz dieser Leidenschaft nichts mehr um ihretwillen
zu leiden, opfern und zu ringen gibt.
Der Knabe, der nun bald schon der Schule entwachsene, entdeckte
andere Wunder des Lebens, die Liebe, Lingabe und Opfer forderten.
Da waren das Wandern und die Natur, die den Blick ins Weite
zogen, da waren die Mädchen neben uns, diese seltsam graziösen,
biegsamen Wesen, die ganz ungewöhnliche Regungen im Lerzen
weckten-und Bücher gab es, an denen man sich heiß und kalt
lesen konnte. Was war ein Fußball? Ein Fußball war ein Fußball,
ein Ding aus Leder, rund und ziemlich aufgeblasen, aber eigentlich
auch ziemlich hohl. Dabei blieb man doch nicht ein Leben lang
stehen —I
Alles bekam wieder seine natürliche Ordnung.
And es wäre mir gewiß nie eingefallen, diese kleine Geschichte zu
erzählen, wenn ich nicht unlängst auf dem Boden meiner Mutter,
als ich irgendein Gerät suchte, eine Begegnung meiner Knabenzeit
gehabt hätte. Denn dort fand ich in einem Winkel meinen alten
Fußball, meine alten Fußballstiefel. Das Leder war hart und brüchig
geworden, ja, sehr schäbig, staubig und verschimmelt sah es aus, muß
ich bekennen. Es ging ein stiller Vorwurf von den toten, immer nur
getretenen und rühmlos von einem Winkel in den anderen gestoßenen
Dingen aus. And da überkam es mich, so zu sagen, daß sie nicht
nur getreten, sondern einst auch so heiß und selbstlos geliebt worden
waren, wie nur Knaben lieben können.
Leichs Leistungen
Mein Freund Erich entschloß sich schweren Lerzens zum Kriegs-
junggeselle und sandte Frau und Kinder in eine bombensichere Gegend.
AlsLaushaltsvorstand hatte er stets die Befehlsgewalt innegehabt,
Vollzugsperson aber war die Gattin. Er hatte wohl Anweisungen
zum täglichen Küchenzettel gegeben, die Ausführung aber Frau
Trude überlassen. Seine Ernährung lag bei ihr in den besten Länden.
Mehr rezeptive als produktive Natur, zog er den Konsum der Er-
zeugung vor und ließ es sich am liebsten gut schmecken. Jetzt aber
in seinem frauenlosen Zustande sah er sich plötzlich vor die Not-
wendigkeit gestellt, sich seiner eigenen Nahrungssuche zu widmen.
„Lieber Theo," sagte er zu mir, „du weißt, ich habe mich bisher um
das tägliche Brot nicht zu kümmern brauchen, nie eine Lebensmittel-
karte in meine Land genommen. Willst du als Junggeselle und
erfahrener Selbsternährer mir nicht ein wenig mit Rat und
Tat zur Seite stehen? Wie geht man am zweckmäßigsten mit den
Karten um?"
„Das ist ganz einfach, lieber Erich-" versicherte ich, geschmeichelt
wenigstens in einem Fach als Autorität zu gelten. „Dazu ist
nur ein bißchen Dispositionstalent nötig, ein wenig guter Wille
zu rationeller Einteilung. Du rechnest dir am Anfang jeder
Zeichnung von E. Croissant
Großschwarzschlächter AI Porcone in Chicago hat sich ein „Fress“-ko bestellt.
209
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Großschwarzschlächter Al Porcone in Chicago hat sich ein "Fress"-ko bestellt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5126, S. 209
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg