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Victor Emanuel, der Lügenkönig von Italien, hat dem Marschall
Badoglio als Dank seine Erinnerungen geschenkt.

Der wilde Sanftmütige

erledigt ist, hätte ich ohnehin keinen Appetit. Ich muß da ein Paar
alter derber Landschuhe haben. Die werde ich anziehn, und dann
werde ich dem Kerl rechts und links an die Ohren hauen, daß ihm
der Kopf erst schief steht und dann wieder gerade sitzt/

Richtig — jetzt erschrak Dora vor dieser Wildheit. ,Aber Leinz
— das wirst du doch nicht tun!"

,Das werde ich! Vermöbeln werde ich diesen Möbelhändler.
Das Kissen nehme ich mit; ich werde ihm sein betrügerisches See-
gras ins Maul stopfen. Ersticken soll er daran!'

Nun wurde Dora ganz klein. Schreckliche Bilder tauchte» vor
ihr auf: sie sah Leinrich im Kampf mit dem Möbelhändler, von
dem sie den Eindruck eines sehr wehrhaften Mannes hatte; sie sah
Leinrich niedergeschlagen, schwer verletzt, ins Krankenhaus gebracht
zu schleuniger Operation. ,Aber lieber Leinz, beruhige dich doch!'
bat sie. ,Du mußt dich nicht so aufregen; das schadet dir ja/ And
sie redete ihm weiter gut zu und wurde selber ganz sanft dabei.

Leinrich gab nicht gleich nach. Nur langsam ließ er sich das Zuge-
ständnis abringen, keine Gewalttat begehen zu wollen, und weil ihr
das scheinbar nur mit Mühe gelang, war Dora erschöpft, als sie es
endlich fertiggebracht hatte. And als dann Leinrich sich vor den Kopf
schlug und meinte: ,Richtig — uns geht die Sache ja nichts an.
Deine Mutter hat ja gekauft; wir müssen mal mit ihr darüber
reden' - da fand sie das ganz in der Ordnung. Wie schon gesagt,
erwies es sich dann auch, daß der Möbelhändler nur eine Anordnung
der alten Dame befolgt hatte. Da sagte dann Dora: ,Siehst du,
Leinz, — du hättest gar nicht so wild zu werden brauchen. Wie
gut, daß ich dich habe besänftigen können! Was du sonst angestellt
hättest!'

Ja, nun war das Rezept gefunden, wie die Wutausbrüche der
lieben Dora abzulenken und zum Versiegen zu bringen waren. Anser
guter Leinrich hat anfangs oft nach diesem Rezept verfahren und
den wilden Mann spielen müssen. Eine Menge Geschichten hat er
mir davon erzählt, aber die kann ich mir sparen. Doch warte mal

-ja, da war eine frühere Freundin, auf die Dora wegen irgend-

einer Klatscherei Wut bekam. Linlaufen wollte sie und der Person
die Augen auskratzen. Da gab es nun eine Schwierigkeit. Leinrich
schimpfte natürlich auf das ,Frauenzimmer,' aber er konnte nicht
gut erklären, daß er selber das Augenauskratzen übernehmen würde.
Zum Glück fiel ihm ein, daß die junge, von solcher Attacke bedrohte
Dame ja einen Bruder hatte. Der müßte als Kavalier für seine
Schwester eintreten, erklärte er. Er werde den Mann fordern! schrie
er. Auf Pistolen! — Danach war dann Dora für einen ganzen Monat
gebändigt, und Leinrich konnte nach Lerzenslust sanftmütig gegen
alle Welt sein."

Ich fragte: „Wie kam es dann aber zu dem Fall, der Leinrich
das Matz der Verstellung überschreiten ließ und mit so peinlicher
Bestrafung endete?"

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„Das war so. Für Leinrich war es einfach, den Wilden zu spielen,
wenn Dora innerhalb der häuslichen Mauern einen Zornanfall be-
kam, der sich gegen eine abwesende Person richtete. Da konnte er
sich leicht verstellen. Schwierig wurde es, wenn Dora einmal außer-
halb des Laufes zu explodieren drohte. Da mußte er scharf aufpassen
und schon vorher losbrechen. Mit schmerzlicher Selbstüberwindung

hat er in Läden harmlose Verkäuferinnen anschnauzen müssen-

und was es sonst a» ähnlichen Gelegenheiten gab. Einmal mußte
er im Theater zu einer Garderobenfrau grob werden. Der steckte er
nachher einen Fünfmarkschein als Pflaster zu. Irrtümlicher Weise
aber bildete er sich dann ein, Dora hätte das gemerkt, wodurch ihr
vielleicht seine Verstellung klar geworden wäre. Er sann auf Reha-
bilitierung als wilder Charakter, und leider gab es gleich am nächsten
Tage eine Möglichkeit, als Dora und er in einer Gastwirtschaft aßen.
Da war ein Tölpel von Kellner, der Dora einen Teller Suppe aus
das Kleid schüttete, auf ein Kleid, das sie zum ersten Male trug.
Was tat unser Leinrich? Man saß in einer Ecke, wo man von den
andern Gästen nicht gesehen wurde. Das gab ihm den Mut, die
Sache mit der Garderobefrau durch eine verzweifelte Aktion in Ord-
nung zu bringen: er haute dem Kellner eine Ohrfeige herunter. Aber
wohl gerade, weil er sich auf sowas nicht verstand und ungeschickt
dabei war, fiel sie allzu derb aus. Er hatte freilich von vornherein
die Absicht, den Mann heimlich mit einem Zwanzigmarkschein zu
begütigen, aber der ließ sich nicht darauf ein. Er lief auf's Gericht;
eine Zeugin hatte er ja — nämlich Dora. Die verweigerte allerdings
die Aussage, aber der Kellner brachte noch einen Kollegen an, der
bei ihm eine dick aufgelaufene, rote Backe gesehen hatte, und zudem
gab ja Leinrich die Tat ohne weiteres zu. Doch weil er das nicht
reumütig — denn Dora war ja zugegen — sondern mit scheinbarem
Trotz tat, wurde er, statt billiger wegzukommen, zu 300 Mark ver-
knackst und bekam noch strenge Vorhaltungen des Richters zu hören.
Er war geknickt, aber Dora noch viel mehr, denn daß sie vor Gericht
hatte erscheinen müssen, war ein gar zu schreckliches Erlebnis für sic
gewesen."

„And ist sie nun sanfter geworden?"

„Vollkommen geheilt ist sie." Der Rechtsanwalt Winkler lächelte.
„Allerdings — es kommt noch etwas hinzu: sie ist inzwischen Mutter
eines netten Jungen geworden. Eine sehr gute Mllkter ist sie, und
gute Mütter sind ja in der Regel sanft und freundlich. Also —
trinken wir auf das Wohl der Familie!"

6 ötze n d äm m e ru n g

„Ich habe so das Gefühl, als ob ich nicht alles
sagen könnte, was ich gerne möchte!“
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Victor Emanuel, der Lügenkönig von Italien..." "Götzendämmerung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5127, S. 222

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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