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Die Kehrseite des Lebens
Landschaft eines Pechvogels
Gottesgeschenk, zur Seite hat, der kann ruhig darauf losnotieren und
das tun, was nia» als Schreibe» bezeichnen kann, weil es mit dem
Bleistift vor sich geht! Theodora entziffert alles und — legt einem
am nächsten Tag ein schönes Opus auf den Tisch.
Ich bin aber doch ei» Pechvogel! Denn keine fünf Wochen, in
denen meine Landschrift noch fürchterlicher wurde, konnte ich das
Glück dieser wunderbaren Lilse genießen. Das Ende kam so.
In der zweiten Woche meiner herrlichen Theodora-Zeit bekam
ich einen Lüsten, daß Theodora kopfschüttelnd meinte:
„Dagegen muß etwas geschehe»! Ich werde Ihne» ein Lusten-
mittel besorgen!"
Schon am nächsten Tag brachte sie mir das Mittel. Ich nahm
es, der .Lüsten wurde leichter. Immerhin mußte mir Theodora das
Mittel noch zweimal besorgen. Da schwand der Lüsten ganz, aber
Theodora sagte:
„Es tut mir leid, daß ich die Arbeit bei Ihnen aufgebe» muß!"
Mich traf nur deshalb nicht der Schlag, weil ich zurücksprang.
„Theodora, das wollen Sie mir antun? Endlich habe ich ein
Mädchen gefunden, das mich glücklich macht! And schon wollen Sie
mich verlassen?"
Theodora nickte errötend. Mein Lüsten sei schuld daran.
„Ich huste ja nicht mehr, liebe, gute Theodora!"
„Trotzdem ist Ihr Lüsten schuld, daß ich gehe! Als ich nämlich
das Lustenmittel besorgte, war der Apotheker eben wütend über
ein Rezept gebeugt. Ich fragte ihn, warum er so böse sei. Da sagte
256
er, die unleserliche Landschrift der Aerzte mache ihn noch verrückt.
Im Scherz erklärte ich, das Rezept bestimmt entziffern zu können.
Er reichte es mir. Ich las es sofort... Da Ihr Lüsten nicht gleich
schwand, besorgte ich Ihnen noch zweimal das Mittel. And jedes'
mal hatte der Apotheker ein unleserliches Rezept, und jedesmal
konnte ich es sofort entziffern. Schließlich war ich ja durch die Arbeit
mit Ihren Aufzeichnungen wirklich eine Meisterin darin geworden!...
Ja, so kam es, daß wir uns verlobt haben. And nächste Woche hei-
raten wir. Ferdinand, so heißt mein Apotheker, sagt nämlich, daß
er ohne mich nicht mehr leben kann!"
„Ich aber auch nicht!" rief ich. „Ich heirate Sie sofort, liebe,
liebste Theodora!"
Aber da schüttelte sie den Kopf. Ich dürfe nicht gekränkt sein,
aber Ferdinand gefalle ihr doch viel besser als ich, und schließlich
ziehe sie auch die leichtere Arbeit vor. Aerzterezepte seien noch viel
leichter zu entziffern als meine Landschrift ....
Was beginne ich jetzt? Muß ich wirklich die Radikalkur auf Leben
und Tod versuchen: einen Knrs im Schönschreiben?
Begehrter Lesestoff
„Alles, was mein Sohn schreibt, wird mit einer wahren Gier
verschlungen."
„Was schreibt er denn? Kriminalromane?"
„Rein, Speisekarten!"
Die Kehrseite des Lebens
Landschaft eines Pechvogels
Gottesgeschenk, zur Seite hat, der kann ruhig darauf losnotieren und
das tun, was nia» als Schreibe» bezeichnen kann, weil es mit dem
Bleistift vor sich geht! Theodora entziffert alles und — legt einem
am nächsten Tag ein schönes Opus auf den Tisch.
Ich bin aber doch ei» Pechvogel! Denn keine fünf Wochen, in
denen meine Landschrift noch fürchterlicher wurde, konnte ich das
Glück dieser wunderbaren Lilse genießen. Das Ende kam so.
In der zweiten Woche meiner herrlichen Theodora-Zeit bekam
ich einen Lüsten, daß Theodora kopfschüttelnd meinte:
„Dagegen muß etwas geschehe»! Ich werde Ihne» ein Lusten-
mittel besorgen!"
Schon am nächsten Tag brachte sie mir das Mittel. Ich nahm
es, der .Lüsten wurde leichter. Immerhin mußte mir Theodora das
Mittel noch zweimal besorgen. Da schwand der Lüsten ganz, aber
Theodora sagte:
„Es tut mir leid, daß ich die Arbeit bei Ihnen aufgebe» muß!"
Mich traf nur deshalb nicht der Schlag, weil ich zurücksprang.
„Theodora, das wollen Sie mir antun? Endlich habe ich ein
Mädchen gefunden, das mich glücklich macht! And schon wollen Sie
mich verlassen?"
Theodora nickte errötend. Mein Lüsten sei schuld daran.
„Ich huste ja nicht mehr, liebe, gute Theodora!"
„Trotzdem ist Ihr Lüsten schuld, daß ich gehe! Als ich nämlich
das Lustenmittel besorgte, war der Apotheker eben wütend über
ein Rezept gebeugt. Ich fragte ihn, warum er so böse sei. Da sagte
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er, die unleserliche Landschrift der Aerzte mache ihn noch verrückt.
Im Scherz erklärte ich, das Rezept bestimmt entziffern zu können.
Er reichte es mir. Ich las es sofort... Da Ihr Lüsten nicht gleich
schwand, besorgte ich Ihnen noch zweimal das Mittel. And jedes'
mal hatte der Apotheker ein unleserliches Rezept, und jedesmal
konnte ich es sofort entziffern. Schließlich war ich ja durch die Arbeit
mit Ihren Aufzeichnungen wirklich eine Meisterin darin geworden!...
Ja, so kam es, daß wir uns verlobt haben. And nächste Woche hei-
raten wir. Ferdinand, so heißt mein Apotheker, sagt nämlich, daß
er ohne mich nicht mehr leben kann!"
„Ich aber auch nicht!" rief ich. „Ich heirate Sie sofort, liebe,
liebste Theodora!"
Aber da schüttelte sie den Kopf. Ich dürfe nicht gekränkt sein,
aber Ferdinand gefalle ihr doch viel besser als ich, und schließlich
ziehe sie auch die leichtere Arbeit vor. Aerzterezepte seien noch viel
leichter zu entziffern als meine Landschrift ....
Was beginne ich jetzt? Muß ich wirklich die Radikalkur auf Leben
und Tod versuchen: einen Knrs im Schönschreiben?
Begehrter Lesestoff
„Alles, was mein Sohn schreibt, wird mit einer wahren Gier
verschlungen."
„Was schreibt er denn? Kriminalromane?"
„Rein, Speisekarten!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Kehrseite des Lebens"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5130, S. 256
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg