Nichts zu wollen!
Professor Lehrsam
Frau Knoblich erinnerte sich seiner erst, als sie de» letzten Pfaniien-
kuchen vertilgt hatte. „Alfred!" hallte es aus der Küche her, „sind
Sie mit dem Vorzimmer fertig?" Erschöpft erhob sich Professor
Lehrsam und schleppte sich zur Küche hin. „Jawohl, gnädige Frau.
Dürfte ich, da es gerade Mittag ist, mich vielleicht in die nächste
Gaststätte begeben? In einer halben Stunde bin ich wieder zurück."
„Nichts, die Pflicht geht vor! Sie können ja heut' Abend zwei-
mal essen. Stauben Sie zunächst mal im Wohnzimmer ab!"
Sie öffnete die nächste Tür, und Professor Lehrsam stand in
Makarts seliger Vorwelt. Renaissance-Truhen, -Tische, -Schränke,
-Postamente von massiver Gewichtigkeit, dazwischen Plüschsitzc und
-Sessel in Nudeln, Vegetationen von künstlichen Binsen, Schwert-
lilien und Pfauenfedern, aus Vasen und Amphoren wuchernd,
gipserne Cäsarenhäupter, Mohrenköpfe und Trompeter von
Säckingen auf Säulen, Etageren und Wandbretter». Ein Wohn-
raum, der keinen Raum zum Wohnen ließ, eine gefährliche Welt
von verfänglichen Fellen und Stoffen, von Engpässen und Klippen
mit allen Tücken des Objekts.
Frau Knoblich zog sich zum Mittagschläfchen zurück und überließ
Professor Lehrsam die Entstaubung ihrer Renaissance. Der Arme
konnte sich kaum mehr auf seinem mäßig stabilen Gebein halten.
Der strapazenreiche Vormittag hatte seine ohnehin bescheidenen
Kräfte aufgezehrt, Frau Knoblich ihm die Zufuhr neuer Energien
verwehrt. Von Mattigkeit überwältigt, sank er auf das Plüschsofa,
aus das von hoher Säule Gaius Julius Cäsar niederblickte. Nur
ein Viertelstündchen, gelobte er sich.
Frau Knoblich schlummerte mit wachem Ohr. Das rhythmische
Geräusch, das aus dem Wohnzimmer hertönte, ließ sie aufschnellen.
Als Göttin des Zornes erschien sie auf der Schwelle der Renais-
sance. Professor Lehrsam lag langgestreckt auf ihrem Plüschsofa
und schnarchte ausschweifend. Mit Püffen trieb sie den Pflicht-
vergessenen aus der empörenden Lorizontalität auf. Entsetzt fuhr
6
Professor Lehrsain empor, karambolierte mit der hohe» Säule
und sandte Cäsars Gipskopf zertrümmert vor Frau Knoblichs
Füße.
„Das ist zuviel!" kreischte sie, „auf der Stelle verlassen Sie mein
Laus! Nein, zuerst zahlen: Zehn Mark für die Kaffeekanne, zwanzig
für das Kunstwerk!"
Betrübt schlich Professor Lehrsam nach Lause. „Ach liebe, liebe
Frau Mumpe, behalten Sie mich bitte wenigstens solange, bis ick
bei Ihnen ein bißchen Laushilfe gelernt habe." Frau Mumpe war
eine praktisch denkende Frau. „Gut, ich stelle Sie als Volontär ein
unter der Bedingung, daß Sie den ganzen Tag arbeiten. Dann bleibt
Ihr Zimmer ja vor Ihnen verschont. Einverstanden?" — „Einver-
standen," hauchte der arme Mister Lehrsam.
„Sieh'sch Karle, allein kannsch net abfahren, aber der Lehrer
heut morgen, der hat di' abfahren lasse"
Professor Lehrsam
Frau Knoblich erinnerte sich seiner erst, als sie de» letzten Pfaniien-
kuchen vertilgt hatte. „Alfred!" hallte es aus der Küche her, „sind
Sie mit dem Vorzimmer fertig?" Erschöpft erhob sich Professor
Lehrsam und schleppte sich zur Küche hin. „Jawohl, gnädige Frau.
Dürfte ich, da es gerade Mittag ist, mich vielleicht in die nächste
Gaststätte begeben? In einer halben Stunde bin ich wieder zurück."
„Nichts, die Pflicht geht vor! Sie können ja heut' Abend zwei-
mal essen. Stauben Sie zunächst mal im Wohnzimmer ab!"
Sie öffnete die nächste Tür, und Professor Lehrsam stand in
Makarts seliger Vorwelt. Renaissance-Truhen, -Tische, -Schränke,
-Postamente von massiver Gewichtigkeit, dazwischen Plüschsitzc und
-Sessel in Nudeln, Vegetationen von künstlichen Binsen, Schwert-
lilien und Pfauenfedern, aus Vasen und Amphoren wuchernd,
gipserne Cäsarenhäupter, Mohrenköpfe und Trompeter von
Säckingen auf Säulen, Etageren und Wandbretter». Ein Wohn-
raum, der keinen Raum zum Wohnen ließ, eine gefährliche Welt
von verfänglichen Fellen und Stoffen, von Engpässen und Klippen
mit allen Tücken des Objekts.
Frau Knoblich zog sich zum Mittagschläfchen zurück und überließ
Professor Lehrsam die Entstaubung ihrer Renaissance. Der Arme
konnte sich kaum mehr auf seinem mäßig stabilen Gebein halten.
Der strapazenreiche Vormittag hatte seine ohnehin bescheidenen
Kräfte aufgezehrt, Frau Knoblich ihm die Zufuhr neuer Energien
verwehrt. Von Mattigkeit überwältigt, sank er auf das Plüschsofa,
aus das von hoher Säule Gaius Julius Cäsar niederblickte. Nur
ein Viertelstündchen, gelobte er sich.
Frau Knoblich schlummerte mit wachem Ohr. Das rhythmische
Geräusch, das aus dem Wohnzimmer hertönte, ließ sie aufschnellen.
Als Göttin des Zornes erschien sie auf der Schwelle der Renais-
sance. Professor Lehrsam lag langgestreckt auf ihrem Plüschsofa
und schnarchte ausschweifend. Mit Püffen trieb sie den Pflicht-
vergessenen aus der empörenden Lorizontalität auf. Entsetzt fuhr
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Professor Lehrsain empor, karambolierte mit der hohe» Säule
und sandte Cäsars Gipskopf zertrümmert vor Frau Knoblichs
Füße.
„Das ist zuviel!" kreischte sie, „auf der Stelle verlassen Sie mein
Laus! Nein, zuerst zahlen: Zehn Mark für die Kaffeekanne, zwanzig
für das Kunstwerk!"
Betrübt schlich Professor Lehrsam nach Lause. „Ach liebe, liebe
Frau Mumpe, behalten Sie mich bitte wenigstens solange, bis ick
bei Ihnen ein bißchen Laushilfe gelernt habe." Frau Mumpe war
eine praktisch denkende Frau. „Gut, ich stelle Sie als Volontär ein
unter der Bedingung, daß Sie den ganzen Tag arbeiten. Dann bleibt
Ihr Zimmer ja vor Ihnen verschont. Einverstanden?" — „Einver-
standen," hauchte der arme Mister Lehrsam.
„Sieh'sch Karle, allein kannsch net abfahren, aber der Lehrer
heut morgen, der hat di' abfahren lasse"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nichts zu wollen!" "Sieh'sch Karle, allein kannsch net abfahren, aber der Lehrer heut morgen, der hat di' abfahren lasse."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5136, S. 5136_006
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg