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Die Mode der kolossalen Kappen

„Ich darf doch solange unterstehen, mein schönes Fräulein?"

Matame Kuffandra

gekommen, daß es ihm gut gehe. Aber was mag inzwischen ge-
schehen sein? And was kann sich noch zutragen? Das habe ich wissen
wollen, und deshalb bin ich zu einer Wahrsagerin gegangen, einer
gewissen Madame Kassandra. Die Frau hat eine» sehr guten Ein-
druck auf mich gemacht. Leider, leider — denn deshalb bin ich ge-
neigt zu glauben, was sie mir mit Bedauern vorausgesagt hat, daß
ich nämlich nieinen Sohn nicht mehr Wiedersehen werde. Aus einer
Kristallkugel, die aus einem indischen Tempel stammt, hat sie das
herausgelesen."

Jetzt lachte Phelps. „Kristallkugel? Indischer Tempel? Blenkin-
sop, Sie sind doch sonst ein ganz vernünftiger Mann. Wie können
Sie durch solchen Schwindel sich beküinmern lassen, solchen erbärm-
lichen Schwindel! Aeberhaupt: kein Mensch kann auch nur das Ge-
ringste von der Zukunft wissen, nicht einmal von der nächste» Minute."

„Meinen Sie wirklich, daß es Schwindel ist?" fragte Blenkinsop,
schon ein wenig getröstet.

„Das werde ich Ihnen sogar beweisen. Was haben Sie für den
Lumbug bezahlt?"

„Zehn Dollar."

„Gut, werde ich auch ausgeben, zum Vergnügen, des Spaßes
halber. Ich gehe jetzt zu Madame Kassandra. Am besten ist es. Sie
kommen mit, dann können Sie Zeuge sein, wie ich die Person mit
ihrem Schwindel 'reinfallen lasse. Ich werde sie nämlich auch fragen,
ob mein Sohn aus dem Kriege zurückkommen wird."

„Ihr Sohn?" wunderte sich Blenkinsop.

„Warum staunen Sie? Daß ich als alter Junggeselle »ach meinem
Sohn fragen will? Aber das ist ja gerade der feine Trick. Madame
Kassandra wird in solchen Fällen entweder mit Ja oder mit Nein
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antworten, wohl je nach Laune. Ich nehme aber zu ihren Gunsten
an, daß sie doch immerhin das wohltuende Ja überwiegen läßt. Ganz
vermeiden darf sie das Nein freilich nicht, wenn sich das in ihrer
Kundschaft herumspräche, würde man mißtrauisch werden. Aber bei
mir kann sie ja sagen oder nein — hineingelegt ist sie auf jeden
Fall. Also los, gehen wir!"

Phelps war zunächst etwas enttäuscht. Er hatte erwartet, Ma-
dame Kassandra in einer geheimnisvoll anmulenden Amgebung zu
finden, etwa in einer Art von kleinem Isistempel, aber sie empfing
ihre Klienten in einem gewöhnlichen Durchschnittssalon. Auch die
vor ihr auf einer schwarzen Samtdecke liegende magische Kristall-
kugel erweckte nicht den Eindruck okkulter Kräfte. Phelps nahm a»,
daß das Ding, das jedenfalls nur aus gewöhnlichem Gußglas war,
früher einmal mit einer Glasplatte verkittet gewesen war, was zu-
sammen einen nützlichen Briefbeschwerer ergeben hatte. Madame
Kassandra selbst erwies sich als eine sehr elegante, durchaus nicht
sibyllenhaft wirkende Dame, die in der Mitte der Vierziger sein
mochte; sie war verbindlich ohne Wärme, höflich voll Kühle und
sprach in einem für ihr Geschäft fast zu nüchternen Tone.

Sie wandte sich zuerst an Blenkinsop. „Sie sind ja heute schon
einmal bei mir gewesen, mein Lerr."

Blenkinsop war verlegen. Phelps antwortete für ihn. „Ja, mein
Freund hat leider Schlimmes durch Ihr Wissen erfahren müssen,
Madame. Ich wollte ihn deshalb jetzt nicht allein lassen. And viel-
leicht — ach, vielleicht werden wir beide einander trösten müssen.
Denn ich möchte Ihnen jetzt auch die gleiche Frage vorlegen. Sagen
Sie mir, Madame: Wird mein Sohn glücklich aus dem Kriege
zurückkehren?"

Kassandra deutet auf ihre Krislallkugel. „Bitte, mein Lerr, legen
Sie Ihre rechte Land recht fest auf diese Kugel: sie muß zunächst
etwas Fluidum bekommen."

Phelps umklammerte die etwa apfelsinengroße Kugel. Er war
sich bewußt, stets etwas schweißige Lände zu haben, und dachte
deshalb höhnisch: „Na, Fluidum wird sie ja wohl genug kriegen."

Es war, als hätte Madame Kassandra das erraten, denn schon
nach wenige» Sekunden erklärte sie: „Danke, mein Lerr! Das ge-
nügt vollkommen. And nun, meine Lerren, sprechen Sie, bitte, nicht!
Verhalten Sie sich ganz ruhig I"

Du willst mich heiraten? Kannst du denn überhaupt schon
eine Frau mit drei Kindern ernähren?"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Mode der kolossalen Kappen" "Du willst mich heiraten?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Rainer, Sigi
Rheinen, Gustav
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5155, S. 5155_232

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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