Lesseps: „Parbleu, dazu habe ich mich um den Kanalbau geschunden,
daß Sie meine Suez-Aktien an Stalin verschenken?“
Lin Streit gesucht...
Von Ernst Leyda
Ich sollte einmal eine Geschichte schrei-
ben, in der sich zwei Männer stritten.
Was inan sich davon versprach, weiß
ich nicht. Ich ging also in ei» Kaffeehaus
und setzte mich an einen Tisch. Zum
Oberkellner sagte ich: „Eie sind ein
Rindvieh, ein blödes I" „Bitte sehr, mein
Lerr," erwiderte er, „ein Kaffee mit..."
Der erste Angriff war also abgeschlagen.
Da setzte sich ein alter Lerr an meinen
Tisch. Aeberall war frei, ausgerechnet
an meinen Tisch mutzte er sich sehen.
Er war, wie schon erwähnt, alt, bleich
und zitterte schon ein bißchen. Ich nahm
mir vor, wenn er einen Tropfen Milch
verschütten würde, lege ich los.
Der Kerl muß früher mal Artist ge-
wesen sein. Er zitterte so genau, daß
alle Tropfen in die Tasse kamen, es war
mehr als erstaunlich. Ich zündete mir
eine Zigarette an und blies ihm den
Rauch ins Gesicht. Er sagte nichts. Er
fing auch zu rauchen an, es stank.
„Blöder Affe," sagte ich halblaut, um
ihn ein wenig zu reize». Er lächelte mich
freundlich an.
„Kören Sie, mein Lerr," sagte ich
ernst, „was rauchen Sie denn da für einen
saublöden Knaster, einen stinkigen..?"
Er antwortete nichts.
„Sie, mein Lerr!" rief ich entrüstet,
„wollen Sie mich denn keiner Antwort
würdigen? Ich bin der und der!"
Er schwieg.
„Last du die Keilrahmen verwechselt? Dein Bild
verjüngt sich ja nach oben!"
„Besser es verjüngt sich, als daß es veraltet!"
Aufforderung zum Picknick
Es kommt die Zeit, daß er im Wert
Beträchtlich schrumpft, der eigne Herd.
Dann trifft dich ganz von ungefähr
Ein Sommerwind von draußen her —
Und alle Vöglein singen:
Es pickt sich was!
Es nickt sich was!
Es liegt sich gut im grünen Gras,
Wenn alle Knospen springen!
Da müßte wohl ein Zentnerstein
Das Herz in deinem Busen sein.
So du vom Herd, den du betreust,
Dir Rsche auf das Haupt jetzt streust,
Um fromm zu widerstehen —
Ich picke nicht!
Ich nicke nicht!
Ich bleib’ bei meinem Topfgericht
Und laß mein Herz nicht gehen!
Du liebe, kleine Hausfrau, du!
Komm mit! Du hast es ja dazu!
So frisch der Mund, so jung das Blut,
— Und Obst nimm mit, es pickt sich gut
Aus deiner Hand, der kleinen!
Und ist's gepickt,
Dann wird genickt
Ein Viertelstündchen — wie’s sich
schickt! —
Und Sonne soll uns scheinen!
Herbert Lestiboudois
Als ich zuhauen wollte, kam der Ober.
Da merkte ich erst, daß der Alte
taubstumm war.
Eine Frechheit, taubstumm zu sein
und sich an meinen Tisch zu setzen, diese
Art Menschen können ja kein Verstand-
nis für literarische Ambitionen haben!
Ich mußte einen Streit haben. Ich
stand auf und ging.
An der Türe trat ich einem Mann
auf den Fuß, da sagte der Esel: „Ver-
zeihung!" Nun, ich verzieh ihm, obwohl
es merkwürdig war. Dann bestieg ich
eine Straßenbahn. Lier mußte eine Ge-
legenheit sein. Ich beleidigte alle Leute,
die drin waren, indem ich sie anstieß
oder Rindvieh zu ihnen sagte.
Es war sonderbar, keiner reagierte.
Nur einer sagte zu mir: „Sie müssen
mit Linie 22 fahren!"
Als der Schaffner kam, fragte ich,
wo denn die Linie 22 hinführe. „Zum
Irrenhaus!" sagte er.
Da hätte ich nun einen Streit gehabt,
aber der Kerl war schon abgestiegen.
Ich muß sagen, ich war ein bißchen
zerschmettert.
Dan» versuchte ich es noch einmal
mit einem bekannten Literatencafe. Dort
saßen die verhinderten Autoren,zu denen
ich mich allerdings nicht mehr rechnete.
Damals schon nicht.
Ich setzte mich zu einem, der hatte
eine gewaltige Löwenmähne.
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daß Sie meine Suez-Aktien an Stalin verschenken?“
Lin Streit gesucht...
Von Ernst Leyda
Ich sollte einmal eine Geschichte schrei-
ben, in der sich zwei Männer stritten.
Was inan sich davon versprach, weiß
ich nicht. Ich ging also in ei» Kaffeehaus
und setzte mich an einen Tisch. Zum
Oberkellner sagte ich: „Eie sind ein
Rindvieh, ein blödes I" „Bitte sehr, mein
Lerr," erwiderte er, „ein Kaffee mit..."
Der erste Angriff war also abgeschlagen.
Da setzte sich ein alter Lerr an meinen
Tisch. Aeberall war frei, ausgerechnet
an meinen Tisch mutzte er sich sehen.
Er war, wie schon erwähnt, alt, bleich
und zitterte schon ein bißchen. Ich nahm
mir vor, wenn er einen Tropfen Milch
verschütten würde, lege ich los.
Der Kerl muß früher mal Artist ge-
wesen sein. Er zitterte so genau, daß
alle Tropfen in die Tasse kamen, es war
mehr als erstaunlich. Ich zündete mir
eine Zigarette an und blies ihm den
Rauch ins Gesicht. Er sagte nichts. Er
fing auch zu rauchen an, es stank.
„Blöder Affe," sagte ich halblaut, um
ihn ein wenig zu reize». Er lächelte mich
freundlich an.
„Kören Sie, mein Lerr," sagte ich
ernst, „was rauchen Sie denn da für einen
saublöden Knaster, einen stinkigen..?"
Er antwortete nichts.
„Sie, mein Lerr!" rief ich entrüstet,
„wollen Sie mich denn keiner Antwort
würdigen? Ich bin der und der!"
Er schwieg.
„Last du die Keilrahmen verwechselt? Dein Bild
verjüngt sich ja nach oben!"
„Besser es verjüngt sich, als daß es veraltet!"
Aufforderung zum Picknick
Es kommt die Zeit, daß er im Wert
Beträchtlich schrumpft, der eigne Herd.
Dann trifft dich ganz von ungefähr
Ein Sommerwind von draußen her —
Und alle Vöglein singen:
Es pickt sich was!
Es nickt sich was!
Es liegt sich gut im grünen Gras,
Wenn alle Knospen springen!
Da müßte wohl ein Zentnerstein
Das Herz in deinem Busen sein.
So du vom Herd, den du betreust,
Dir Rsche auf das Haupt jetzt streust,
Um fromm zu widerstehen —
Ich picke nicht!
Ich nicke nicht!
Ich bleib’ bei meinem Topfgericht
Und laß mein Herz nicht gehen!
Du liebe, kleine Hausfrau, du!
Komm mit! Du hast es ja dazu!
So frisch der Mund, so jung das Blut,
— Und Obst nimm mit, es pickt sich gut
Aus deiner Hand, der kleinen!
Und ist's gepickt,
Dann wird genickt
Ein Viertelstündchen — wie’s sich
schickt! —
Und Sonne soll uns scheinen!
Herbert Lestiboudois
Als ich zuhauen wollte, kam der Ober.
Da merkte ich erst, daß der Alte
taubstumm war.
Eine Frechheit, taubstumm zu sein
und sich an meinen Tisch zu setzen, diese
Art Menschen können ja kein Verstand-
nis für literarische Ambitionen haben!
Ich mußte einen Streit haben. Ich
stand auf und ging.
An der Türe trat ich einem Mann
auf den Fuß, da sagte der Esel: „Ver-
zeihung!" Nun, ich verzieh ihm, obwohl
es merkwürdig war. Dann bestieg ich
eine Straßenbahn. Lier mußte eine Ge-
legenheit sein. Ich beleidigte alle Leute,
die drin waren, indem ich sie anstieß
oder Rindvieh zu ihnen sagte.
Es war sonderbar, keiner reagierte.
Nur einer sagte zu mir: „Sie müssen
mit Linie 22 fahren!"
Als der Schaffner kam, fragte ich,
wo denn die Linie 22 hinführe. „Zum
Irrenhaus!" sagte er.
Da hätte ich nun einen Streit gehabt,
aber der Kerl war schon abgestiegen.
Ich muß sagen, ich war ein bißchen
zerschmettert.
Dan» versuchte ich es noch einmal
mit einem bekannten Literatencafe. Dort
saßen die verhinderten Autoren,zu denen
ich mich allerdings nicht mehr rechnete.
Damals schon nicht.
Ich setzte mich zu einem, der hatte
eine gewaltige Löwenmähne.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lesseps" "Hast du die Keilrahmen verwechselt?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5162, S. 5162_006
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg