Zeichnung von E. Croissant
„Ein gewisser Herr im Weißen Haus“ hat offenbar sehr eigentümliche Vorstellungen über die Eignung Europas
als Kindergarten nordamerikanischer Machtpolitik (Daily Mail)
Siebenmal Regen
Gefangenenlager zu bewachen, also ergab es sich für Looge, an einem
ganz bestimmten Platz an der Grenze des Lagers zweihundert Schritte
jenseits des Stacheldrahtzaunes auf und ab zu marschieren. Die ersten
zwei Stunden krochen dahin. Dann durfte Looge sich vier Stunden
am Ofen der Wachtstube wärmen. Gerade als Äooges erste Nacht-
wache begann, brach es los. Der Regen schien nicht nur von oben,
er schien auch »och von allen Seiten zu kommen. In zwanzig Minuten
glich der Mantel einein Schwamm, das Gewehr einem glitschigen
Etwas. Mit Schauderil dachte Looge an die Rostbildung im Laus.
Zwei Stunden! Mensch, hast du schon mal zwei Stunden im pras-
selnden Regen unter freiem Limmel Posten gestanden, zweihundert
Schritte auf und ab? Die Zeit steht still. Die Welt ist nur noch
ein Brackwassertümpel — und dabei muß man obendrein die Ohren
spitzen und die Augen offen halten . . . und nach vier Stunden
wieder zwei Stunden . .
Ein Kinderspiel für einen alten Soldaten. Fürs erste reichte es
Looge. Als es später viel dicker kam — es war dann nicht mehr
Regen, was ringsum von allen Seiten und von oben heranprasselte
— dachte Looge mit einem Grinsen an jenen Rege». Na, der hört
ja auch mal wieder auf! brummte er . . .
Trotzdem kam wieder ein Regen, dem Looge alle Männer- und
Soldatenflüche entgegenschleuderte, deren die deutsche Sprache fähig
ist. Looge kam auf Arlaub, auf tagelanger Fahrt hatte er sich auf
das Wiedersehen mit der Leimat wie ein Schneekönig gefreut —
und er trat aus die heimatliche Straße und hatte eitel Sonnenschein
erwartet. Natürlich regnete es. Der Regen in jener Nacht, am Lager
war eine Liliputausgabe dieses Empfangsregens gewesen.
52
Looge stapfte los. Endlich, endlich — ein Dutzendmal hatte er
unter der Last seines Affen und der Landpakete verschnaufen müssen —
kam das Läuschen in Sicht hinter den Regenschleiern. Schritt um
Schritt wankte er näher. Die Tür öffnete sich, die Frau, ein Ein-
holeney in der Land, kam heraus. Sie sah einen Soldaten, er stand
nur wenige Meter von ihr entfernt, steif wie aus Lolz. Sie schrie
leise auf: Looge!
Looge dankte Gott in der Seele, daß es regnete. Sonst hätte er
nicht ertragen, daß sie ihm ins Gesicht blickte. Aber jetzt war es ja
einerlei. Sie konnte sicher nur sehen, daß seine Augen strahlten und
sie bis in sein Lerz hinunterschauen ließen. Sein ganzes Gesicht war
naß — »a ja, bei dem Rege»!
Norberts Nbenüe
Norberts Tage gehörten dem Geschäft, Norberts Abende dem
Kino und Kabarett, den Cafes und Weinhäusern. And wenn
er nach Strapazen, der Arbeit und des Vergnügens in den erste»
Morgenstunden seine Wohnung erreichte, sank er abgekämpft ins
Bett. Zu Lause war er nicht zu Lause, da übernachtete er nur. Die
Möbel um ihn her erfüllten, vom Bett abgesehen, lediglich dekora-
tive Zwecke. Am Schreibtisch wurde nie geschrieben, am Flügel nie
gespielt, und der Bücherschrank enthielt nur ungelesene Bücher, die
Norbert in langen Jahren geschenkweise aufgezwungen wurden.
Der arme Mann war zusehr vom Geldeinnehmen und — Aus-
geben in Anspruch genommen, um noch Zeit für andere Beschäf
tigungen zu finden.
„Ein gewisser Herr im Weißen Haus“ hat offenbar sehr eigentümliche Vorstellungen über die Eignung Europas
als Kindergarten nordamerikanischer Machtpolitik (Daily Mail)
Siebenmal Regen
Gefangenenlager zu bewachen, also ergab es sich für Looge, an einem
ganz bestimmten Platz an der Grenze des Lagers zweihundert Schritte
jenseits des Stacheldrahtzaunes auf und ab zu marschieren. Die ersten
zwei Stunden krochen dahin. Dann durfte Looge sich vier Stunden
am Ofen der Wachtstube wärmen. Gerade als Äooges erste Nacht-
wache begann, brach es los. Der Regen schien nicht nur von oben,
er schien auch »och von allen Seiten zu kommen. In zwanzig Minuten
glich der Mantel einein Schwamm, das Gewehr einem glitschigen
Etwas. Mit Schauderil dachte Looge an die Rostbildung im Laus.
Zwei Stunden! Mensch, hast du schon mal zwei Stunden im pras-
selnden Regen unter freiem Limmel Posten gestanden, zweihundert
Schritte auf und ab? Die Zeit steht still. Die Welt ist nur noch
ein Brackwassertümpel — und dabei muß man obendrein die Ohren
spitzen und die Augen offen halten . . . und nach vier Stunden
wieder zwei Stunden . .
Ein Kinderspiel für einen alten Soldaten. Fürs erste reichte es
Looge. Als es später viel dicker kam — es war dann nicht mehr
Regen, was ringsum von allen Seiten und von oben heranprasselte
— dachte Looge mit einem Grinsen an jenen Rege». Na, der hört
ja auch mal wieder auf! brummte er . . .
Trotzdem kam wieder ein Regen, dem Looge alle Männer- und
Soldatenflüche entgegenschleuderte, deren die deutsche Sprache fähig
ist. Looge kam auf Arlaub, auf tagelanger Fahrt hatte er sich auf
das Wiedersehen mit der Leimat wie ein Schneekönig gefreut —
und er trat aus die heimatliche Straße und hatte eitel Sonnenschein
erwartet. Natürlich regnete es. Der Regen in jener Nacht, am Lager
war eine Liliputausgabe dieses Empfangsregens gewesen.
52
Looge stapfte los. Endlich, endlich — ein Dutzendmal hatte er
unter der Last seines Affen und der Landpakete verschnaufen müssen —
kam das Läuschen in Sicht hinter den Regenschleiern. Schritt um
Schritt wankte er näher. Die Tür öffnete sich, die Frau, ein Ein-
holeney in der Land, kam heraus. Sie sah einen Soldaten, er stand
nur wenige Meter von ihr entfernt, steif wie aus Lolz. Sie schrie
leise auf: Looge!
Looge dankte Gott in der Seele, daß es regnete. Sonst hätte er
nicht ertragen, daß sie ihm ins Gesicht blickte. Aber jetzt war es ja
einerlei. Sie konnte sicher nur sehen, daß seine Augen strahlten und
sie bis in sein Lerz hinunterschauen ließen. Sein ganzes Gesicht war
naß — »a ja, bei dem Rege»!
Norberts Nbenüe
Norberts Tage gehörten dem Geschäft, Norberts Abende dem
Kino und Kabarett, den Cafes und Weinhäusern. And wenn
er nach Strapazen, der Arbeit und des Vergnügens in den erste»
Morgenstunden seine Wohnung erreichte, sank er abgekämpft ins
Bett. Zu Lause war er nicht zu Lause, da übernachtete er nur. Die
Möbel um ihn her erfüllten, vom Bett abgesehen, lediglich dekora-
tive Zwecke. Am Schreibtisch wurde nie geschrieben, am Flügel nie
gespielt, und der Bücherschrank enthielt nur ungelesene Bücher, die
Norbert in langen Jahren geschenkweise aufgezwungen wurden.
Der arme Mann war zusehr vom Geldeinnehmen und — Aus-
geben in Anspruch genommen, um noch Zeit für andere Beschäf
tigungen zu finden.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein gewisser Herr im Weißen Haus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5166, S. 5166_052
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg