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Dorado bei fernander Trur

Von Josef Robert Karrer

„Wenn Sie nach Quippiepo fahren wollen, müssen Sie in der
nächsten Station aussteigen und dort auf den Personenzug warten.
Unser Zug hält nämlich in Quippiepo nicht!" sagte der Schaffner zu
Perez, als er die Fahrkarten kontrollierte. Perez brummte ärgerlich
vor sich hin, der Schaffner zuckte die Achseln und ging. Bald darauf
hielt der Eilzug. Perez nahm seinen Koffer und stieg aus. Es war
gegen Albend. Graue Wolken zogen über den Limmel, ein unfreund-
licher Wind pfiff um das kleine Stationsgebäude. Niemand war zu
sehen, einsam lag der Bahnsteig. Vergeblich suchte Perez nach einem
Fahrplan; er begab sich in den Kassenraum und fragte den Beamten,
wann der nächste Personenzug nach Quippiepo gehe. Mürrisch
erwiderte der Beamte:

„In drei bis vier Stunden!"

„Genauer können Sie mir das nicht sagen?" fuhr ihn Perez an.
Der Beamte lächelte müde und schüttelte den Kopf.

„Ich glaube, daß ich schon zu genau geantwortet habe; denn es
kann auch fünf Stunden dauern. Die Zugsverbindungen —"

Perez schoß aus dem dumpfen Raum. Drei bis vier, vielleicht
gar fünf Stunden! Es war zum Verzweifeln. Da fiel sein Blick auf
ein grelles Plakat, das in einem Winkel des Bahnsteiges hing. Mit
großen unbeholfenen Buchstaben stand dort geschrieben: „Laben Sie
Langeweile? Sie können die Zeit bis zum Abgang Ihres Zuges nicht
schöner und angenehmer verbringen, als im ,Dorad«L bei Fernandez
Truz, Via del leone 79!"

Perez überlegte nicht lange; er gab seinen Koffer zum Aufbe-
wahren und verließ das Stationsgebände. Eine schmale Straße
führte auf einem leicht erhöhten Damm der kleinen Stadt zu. Links
und rechts der Straße zogen sich kleine, eingezäunte Gärten hin, in
denen hie und da ein alter Mann oder eine Frau arbeiteten. Die
Sonne stand schon tief, ihre Strahlen ließen die Wolken silbern auf-
leuchten, während hoch am Limmel die Wolken schwarz und düster
durcheinanderwogten. Der Wind hatte sich gelegt. Das Gefühl der
Langeweile hatte fich in eine unbestimmte, aber gar nicht quälende
Trauer verwandelt. In dieser unwirklichen, fast märchenhaften oder
traumartigen Landschaft dachte Perez kaum mehr daran, daß er eine
Anterhaltungsstätte aufsuchen wollte. Ein einsamer Vogel flatterte
langsam über die Straße. Perez sah dem Flug nach, indem er mitten
auf dem Wege stehen blieb'. Er lächelte. Was würde ihm schon das
Dorado bieten? Wein und Grammophonmusik, vielleicht eine ver-
grämte Tänzerin, die schon über die Jahre hinaus war, da der Tanz
wie das Wiegen schlanker, leuchtender Blüten im leichten Winde ist.

Ich werde sentimental, flüsterte Perez lächelnd. Nun erreichte
er die ersten Läufer. Eine Frau goß die Blumen vor dem Lause.
Perez fragte nach der Via del leone. Er habe nur geradeaus durch
die Stadt zu gehen, die letzte Quergaffe sei die Via del leone. Perez
dankte. Während er die Lauptstraße der kleinen Stadt dahinwanderte,
wurde es dunkler. Er näherte sich einem Lause, das schon von ferne
mit roter Lichtreklame anlockte. Ein kleines Lichtspieltheater war es.
Man gab einen alten Film, den Psrez schon längst gesehen hatte.
Es bleibt also nur das,Dorad>L, dachte Perez. And jetzt war er
auf dieses Dorado beinahe neugierig geworden. Vielleicht war die
Tänzerin viel besser, als er vermutete.

Abendlich still war es in der Stadt. Bisweilen ratterte ein altes
Automobil vorüber. Aus manchen Gaststätten klang Schlagermusik.
Es war, wie es Perez in so vielen kleinen Städten auf seinen
Geschäftsreisen angetroffen hatte. And plötzlich mußte er laut auf-
lachen. Er wußte nicht einmal, wie die Stadt hieß. Bei dem Wort
„Stadt" zog er die Augenbrauen hoch und seufzte belustigt.

Immerhin verging so die Zeit. Wenn es ihm dann im Dorado
bei Fernandez Truz nicht gefiel, brauchte ihm immerhin der Weg
nicht leid zu tun; denn er empfand die eigenartige Trauer des
Spazierganges beinahe als ein unerwartetes Glück, zumindest aber
als Nervenberuhigung.

Er gelangte so zur Via del leone. Via del leone Nr. II. And das
Dorado befand sich im Lause 79. Er hatte also noch ein gutes Stück

Falstaff-John Bull: „Das bessere Teil der Tapferkeit
ist Vorsicht!“

Hamlet-Eisenhower: „O schmölze doch der allzufeste
Steinl“

Weg vor sich. Der schöne Silberglanz am westlichen Limmel hatte sich
in dunkles Rot und Gelb gewandelt. Perez schien es, als wandere er
mitten in dieses Farbenwunder hinein. Er freute sich, daß ihn der
Zufall gezwungen hatte, einige Stunden seines Lebens scheinbar
nutz- und zwecklos herumzugehen. Diese Leute vom Dorado waren
gar nicht so dumm, dachte er, sie haben ihr Laus weit draußen, so
daß man schon beim Linwandern seine Freude hat.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Falstaff-John Bull"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, August
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5167, S. 5167_065

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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