Zweimal Sperrsitz
Ich säuberte mich und grübelte nach. Wer konnte mich wohl so
zugerichtet haben?
Die Menschen hatten alle so unschuldige Gesichter! Vielleicht
war ich garnicht hier überfallen worden. Jedenfalls stellte ich mich
erst einmal wieder a».
Endlich wurde die Kasse geöffnet. Als ich am Schalter war,
waren die Karten alle. Ich meine, man muß Geduld haben, außer-
dem sagte die Frau, ich sollte ruhig warten, es würde immer etwas
zurückgegeben. Ich stand zwei Stunden, aber keiner gab etwas zu-
rück. Dafür kamen immer wieder Leute, die bestellte Karten abholten.
Das war eigentlich nicht schlecht.
Ich machte, als wollte ich Weggehen, ging aber nur in eine Ecke,
zog den Mantel aus und legte den Lut ab. Dan» nahm ich etwas
Zigarettenasche und malte mir einen kleinen Schnurrbart.
Als ich zur Kaffe kam, sagte ich mit verstellter Stimme: „Bitte
die bestellten Karten für Regierungsrat Baader." — So heißt mein
Chef. Die Frau wühlte einen Augenblick in den Karten und gab
mir zwei. Ich denke, ich werde verrückt. Wie war so etwas nur
möglich! Ich nahm sie natürlich. Welch' eine einfache Sache!
Als ich meinen Mantel holen wollte, war er weg. Der Lut auch.
Ich suchte eine halbe Stunde, aber weg ist weg. Mein schöner Re-
genmantel. Es war nichts zu machen.
Ich kam gerade ins Büro, als der Regierungsrat dem Lehrling
sagte, er solle sofort die bestellten Karten in der Oper abholen.
Mich sah er merkwürdig an, als ich mich zurückmeldete. Erst die
Kollegen klärten mich auf. Ich hatte vergesse», meinen Schnurrbart
abzuwischen .... — Am fünf Ahr rannte ich nach Lause.
„Liebling," sagte meine Frau, „denke dir, ich bin heute zufällig
an der Oper vorbeigekommen und habe gleich zwei wundervolle
Plätze für uns bekonnnen . . . ."
Rein, ich sagte nichts. Ich freute mich. Eigentlich hätte ich etwas
in Trümmer hauen müssen. Mit Nichten. Ich nahm meine beiden
Karten und zerriß sie. Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn die
beiden Plätze unten im Sperrsitz leer bleiben würden. Das war
die kleine Rache für die übergangene Beförderung, an der der gute
Regierungsrat immerhin nicht ganz schuldlos war.
Jedenfalls war es einfach, Karten zu bekommen. Man muß nur
wissen, wie man es zu machen hat ... .
Fehlende Voraussetzung
Melander ist immer ein starker Raucher gewesen. Jetzt stöhnt
er, daß er zu wenig zu rauchen habe. Er stöhnt so sehr, daß es der
Gattin auf die Nerven fällt.
„Lächerlich ist das mit deiner Tabakgier," sagt Frau Melander.
„Du könntest das Rauchen jetzt überhaupt ganz lassen, wenn du nur
etwas Willenskraft hättest."
„Labe ich, Ottilie, habe ich! Aber ich will ja gar nicht."
Die Schraube
Man soll sich in Gegenwart seiner Lausangestellten einige Zurück-
haltung auferlegen. Man soll besonders sich nicht zu offen über
andere Leute äußern, vor allem nicht über Verwandte; das kann
sonst peinliche Folgen haben. Frau Krusemack hat es bereuen müssen,
daß sie über die gute alte Tante Mathilde herabsetzende Worte hat
fallen lassen, als die Lausgehilfin Auguste es hören konnte.
Auguste soll in die Stadt fahren, ein Ersatzstück für die Fleisch-
maschine besorgen, an der etwas ausgeleiert ist; dieses ausgeleierte
alte Stück soll sie als Muster mitnehmen. Gleichzeitig soll Auguste
die Tante Mathilde, die gerade zum Besuch da ist, wieder nach
Lause bringen; die alte Dame ist so kurzsichtig und sehr unsicher
auf der Straße.
Frau Krusemack verabschiedet sich herzlich von der Tante. And
dann schärft sie Auguste mit Bezug auf die Fleischmaschine ein:
„Verlieren Sie die alte Schraube nicht!"
Auguste packt das Tantchen. „Aber nein — ich nehm' ja das
Fräulein am Arm."
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Ich säuberte mich und grübelte nach. Wer konnte mich wohl so
zugerichtet haben?
Die Menschen hatten alle so unschuldige Gesichter! Vielleicht
war ich garnicht hier überfallen worden. Jedenfalls stellte ich mich
erst einmal wieder a».
Endlich wurde die Kasse geöffnet. Als ich am Schalter war,
waren die Karten alle. Ich meine, man muß Geduld haben, außer-
dem sagte die Frau, ich sollte ruhig warten, es würde immer etwas
zurückgegeben. Ich stand zwei Stunden, aber keiner gab etwas zu-
rück. Dafür kamen immer wieder Leute, die bestellte Karten abholten.
Das war eigentlich nicht schlecht.
Ich machte, als wollte ich Weggehen, ging aber nur in eine Ecke,
zog den Mantel aus und legte den Lut ab. Dan» nahm ich etwas
Zigarettenasche und malte mir einen kleinen Schnurrbart.
Als ich zur Kaffe kam, sagte ich mit verstellter Stimme: „Bitte
die bestellten Karten für Regierungsrat Baader." — So heißt mein
Chef. Die Frau wühlte einen Augenblick in den Karten und gab
mir zwei. Ich denke, ich werde verrückt. Wie war so etwas nur
möglich! Ich nahm sie natürlich. Welch' eine einfache Sache!
Als ich meinen Mantel holen wollte, war er weg. Der Lut auch.
Ich suchte eine halbe Stunde, aber weg ist weg. Mein schöner Re-
genmantel. Es war nichts zu machen.
Ich kam gerade ins Büro, als der Regierungsrat dem Lehrling
sagte, er solle sofort die bestellten Karten in der Oper abholen.
Mich sah er merkwürdig an, als ich mich zurückmeldete. Erst die
Kollegen klärten mich auf. Ich hatte vergesse», meinen Schnurrbart
abzuwischen .... — Am fünf Ahr rannte ich nach Lause.
„Liebling," sagte meine Frau, „denke dir, ich bin heute zufällig
an der Oper vorbeigekommen und habe gleich zwei wundervolle
Plätze für uns bekonnnen . . . ."
Rein, ich sagte nichts. Ich freute mich. Eigentlich hätte ich etwas
in Trümmer hauen müssen. Mit Nichten. Ich nahm meine beiden
Karten und zerriß sie. Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn die
beiden Plätze unten im Sperrsitz leer bleiben würden. Das war
die kleine Rache für die übergangene Beförderung, an der der gute
Regierungsrat immerhin nicht ganz schuldlos war.
Jedenfalls war es einfach, Karten zu bekommen. Man muß nur
wissen, wie man es zu machen hat ... .
Fehlende Voraussetzung
Melander ist immer ein starker Raucher gewesen. Jetzt stöhnt
er, daß er zu wenig zu rauchen habe. Er stöhnt so sehr, daß es der
Gattin auf die Nerven fällt.
„Lächerlich ist das mit deiner Tabakgier," sagt Frau Melander.
„Du könntest das Rauchen jetzt überhaupt ganz lassen, wenn du nur
etwas Willenskraft hättest."
„Labe ich, Ottilie, habe ich! Aber ich will ja gar nicht."
Die Schraube
Man soll sich in Gegenwart seiner Lausangestellten einige Zurück-
haltung auferlegen. Man soll besonders sich nicht zu offen über
andere Leute äußern, vor allem nicht über Verwandte; das kann
sonst peinliche Folgen haben. Frau Krusemack hat es bereuen müssen,
daß sie über die gute alte Tante Mathilde herabsetzende Worte hat
fallen lassen, als die Lausgehilfin Auguste es hören konnte.
Auguste soll in die Stadt fahren, ein Ersatzstück für die Fleisch-
maschine besorgen, an der etwas ausgeleiert ist; dieses ausgeleierte
alte Stück soll sie als Muster mitnehmen. Gleichzeitig soll Auguste
die Tante Mathilde, die gerade zum Besuch da ist, wieder nach
Lause bringen; die alte Dame ist so kurzsichtig und sehr unsicher
auf der Straße.
Frau Krusemack verabschiedet sich herzlich von der Tante. And
dann schärft sie Auguste mit Bezug auf die Fleischmaschine ein:
„Verlieren Sie die alte Schraube nicht!"
Auguste packt das Tantchen. „Aber nein — ich nehm' ja das
Fräulein am Arm."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Fischerduell"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5168, S. 5168_078
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg