Unüberlegt „Sind Sie sicher, daß es der Beklagte war, der Ihnen aus dem Saal ,Idiot" zurief?"
„Jawohl! Er war der einzige im Saal, der mich kennt!"
Ein glücklicher Mensch
sehr nahrhaft und genügen also vollkommen, den momentanen Äunger
zu stillen, belasten aber andererseits den Magen nicht, während eine
größere Masse, so spät genossen, vielleicht häßliche Träume bewirken
würde. Dazu kommt ihre angenehme Schmackhaftigkeit und ihr ge-
ringer Preis. Kurzum, Wiener Würstchen-"
In diesem Augenblick kam der Kellner vom Büffet zurück und
teilte mit Bedauern mit, daß Wiener Wlirstchen nicht mehr zu
haben seien.
Was aber sagte nun Saltmann? Er fuhr unbekümmert in seinem
Satze fort: „-sind so spät am Abend keineswegs zu empfehlen.
Sie sind meistens zu scharf gewürzt, außerdem nimmt man noch
Mostrich dazu, und danach hat man dann in der Nacht erbärmlichen
Durst, der einen quält und immer wieder aufwachen läßt. Nein, ich
will nichts wissen von Wiener Würstchen!" sind dann bestellte er
sich ein Käscbrötchen und war ungemein zufrieden.
Es war spät geworden, und deshalb war es mir angenehm, daß
ich keinen weiten Weg hatte; ich wohnte mitten in der Stadt. „Ich
aber habe »och tüchtig zu laufen," erzählte mir Saltmann. „Ich habe
mir nämlich weit draußen ein Zimmer genommen, weil das doch den
Vorteil hat, daß man gezwungen ist, sich die für die Gesundheit
nötige Bewegung zu machen. Aebrigens habe ich gerade keine andere
Bude finden können. Sie müssen sie sich einmal ansehen. Besuchen
Sie mich doch am nächsten Sonntag!"
Das tat ich, aber nur, weil schönes Wetter war, denn in die
Gegend führte nicht einmal eine Elektrische. „Das ist ja gerade ein
Vorzug," erklärte mir Saltmann. „Ich würde sonst wohl oft versucht
sein, zu fahren, und das würde sich mit der Zeit summieren. Aber
wenn es mal regnet, meinen Sie? Ja, dann habe ich gerade meinen
Spaß. Ich besitze nämlich zum Glück einen ererbten, noch sehr guten
Regenmantel. Er läßt auch keine Spur von Nässe durch, und wenn
dann die Regentropfen an ihm herabfließen, vergnügt mich der
Gedanke, daß damit dem bösen Jupiter Pluvius ein Schnippchen
geschlagen wird; über solch eine Erfindung »n,ß er sich doch ärgern.
88
Aber wie gefällt Ihnen nun meine Bude? Was sagen Sie zu der
Aussicht?"
Die Aussicht bestand in dem Blick auf einen alten, wohl schon
längst nicht mehr benutzten Friedhof; man sah auf verrostete, schief
stehende Kreuze und halb eingesunkene Grabsteine. „Das ist ein so
beruhigender Anblick!" rühmte Saltmann. „Ich setze mich gern mal
ans Fenster und schaue dort hinüber. Dann denke ich mir: Was
mögen sie wohl alles erlebt haben, die dort schon lange schlafen!
Anfrieden und Streit mögen sie gehabt haben, Sorgen und Kümmer-
nisse. Aber nun ist das alles vorbei, und sie können sanft ruhen.
Aber wir wollen bei den Lebenden bleiben. Meine Wirtin haben
Sie gesehen; sie hat Ihnen ja die Türe aufgemacht. Eine nette,
höfliche Frau, nur wohl ziemlich geizig; sie kocht mir nämlich einen
erbärmlichen Morgenkaffee. Aber das macht nichts, denn diesen Kaffee
bringt mir eine reizende filia hospitalis-".
Onkel Cornelius unterbrach sich. „Weißt du, was das heißt, mein
Junge?"
„Aber natürlich," sagte ich und zitierte singend: „-doch keine
ist aequalis der filia hospitalis."
Onkel Cornelius zog ein etwas schiefes Gesicht. „Nanu, die Verse
kennst du schon? Ihr Pennäler veranstaltet wohl schon heimliche
Kneipabende mit studentischen Allüren und Gesängen? Ich werde
das ein andermal untersuchen; jetzt will ich weiter erzählen. „Eine
reizende filia hospitalis," sagte also Saltmann, „und wenn sie von
einer so liebenswürdigen Gestalt gereicht wird, schmeckt einem die
schlimmste Zichorienbrühe. Wir reden dann ein paar Worte mitein-
ander, und sie ist sehr verständig, und darüber freue ich mich nach-
her auf dem Wege zum Gericht, und wenn es dort gar zu wenig
Ersprießliches zu tun gibt, denke ich daran, daß ich ja am Abend
das nette Mädchen Wiedersehen werde." —
Einige Tage nach diesem Besuch aber erzählte mir Saltmann:
„Ich suche ein anderes Zimmer. Meine Wirtin hat mir mit Bedauern
kündigen müssen; sie braucht das Zimmer für eine Verwandte, die
zu ihr zieht. Eigentlich bin ich froh darüber. Die unmittelbare Nach-
„Jawohl! Er war der einzige im Saal, der mich kennt!"
Ein glücklicher Mensch
sehr nahrhaft und genügen also vollkommen, den momentanen Äunger
zu stillen, belasten aber andererseits den Magen nicht, während eine
größere Masse, so spät genossen, vielleicht häßliche Träume bewirken
würde. Dazu kommt ihre angenehme Schmackhaftigkeit und ihr ge-
ringer Preis. Kurzum, Wiener Würstchen-"
In diesem Augenblick kam der Kellner vom Büffet zurück und
teilte mit Bedauern mit, daß Wiener Wlirstchen nicht mehr zu
haben seien.
Was aber sagte nun Saltmann? Er fuhr unbekümmert in seinem
Satze fort: „-sind so spät am Abend keineswegs zu empfehlen.
Sie sind meistens zu scharf gewürzt, außerdem nimmt man noch
Mostrich dazu, und danach hat man dann in der Nacht erbärmlichen
Durst, der einen quält und immer wieder aufwachen läßt. Nein, ich
will nichts wissen von Wiener Würstchen!" sind dann bestellte er
sich ein Käscbrötchen und war ungemein zufrieden.
Es war spät geworden, und deshalb war es mir angenehm, daß
ich keinen weiten Weg hatte; ich wohnte mitten in der Stadt. „Ich
aber habe »och tüchtig zu laufen," erzählte mir Saltmann. „Ich habe
mir nämlich weit draußen ein Zimmer genommen, weil das doch den
Vorteil hat, daß man gezwungen ist, sich die für die Gesundheit
nötige Bewegung zu machen. Aebrigens habe ich gerade keine andere
Bude finden können. Sie müssen sie sich einmal ansehen. Besuchen
Sie mich doch am nächsten Sonntag!"
Das tat ich, aber nur, weil schönes Wetter war, denn in die
Gegend führte nicht einmal eine Elektrische. „Das ist ja gerade ein
Vorzug," erklärte mir Saltmann. „Ich würde sonst wohl oft versucht
sein, zu fahren, und das würde sich mit der Zeit summieren. Aber
wenn es mal regnet, meinen Sie? Ja, dann habe ich gerade meinen
Spaß. Ich besitze nämlich zum Glück einen ererbten, noch sehr guten
Regenmantel. Er läßt auch keine Spur von Nässe durch, und wenn
dann die Regentropfen an ihm herabfließen, vergnügt mich der
Gedanke, daß damit dem bösen Jupiter Pluvius ein Schnippchen
geschlagen wird; über solch eine Erfindung »n,ß er sich doch ärgern.
88
Aber wie gefällt Ihnen nun meine Bude? Was sagen Sie zu der
Aussicht?"
Die Aussicht bestand in dem Blick auf einen alten, wohl schon
längst nicht mehr benutzten Friedhof; man sah auf verrostete, schief
stehende Kreuze und halb eingesunkene Grabsteine. „Das ist ein so
beruhigender Anblick!" rühmte Saltmann. „Ich setze mich gern mal
ans Fenster und schaue dort hinüber. Dann denke ich mir: Was
mögen sie wohl alles erlebt haben, die dort schon lange schlafen!
Anfrieden und Streit mögen sie gehabt haben, Sorgen und Kümmer-
nisse. Aber nun ist das alles vorbei, und sie können sanft ruhen.
Aber wir wollen bei den Lebenden bleiben. Meine Wirtin haben
Sie gesehen; sie hat Ihnen ja die Türe aufgemacht. Eine nette,
höfliche Frau, nur wohl ziemlich geizig; sie kocht mir nämlich einen
erbärmlichen Morgenkaffee. Aber das macht nichts, denn diesen Kaffee
bringt mir eine reizende filia hospitalis-".
Onkel Cornelius unterbrach sich. „Weißt du, was das heißt, mein
Junge?"
„Aber natürlich," sagte ich und zitierte singend: „-doch keine
ist aequalis der filia hospitalis."
Onkel Cornelius zog ein etwas schiefes Gesicht. „Nanu, die Verse
kennst du schon? Ihr Pennäler veranstaltet wohl schon heimliche
Kneipabende mit studentischen Allüren und Gesängen? Ich werde
das ein andermal untersuchen; jetzt will ich weiter erzählen. „Eine
reizende filia hospitalis," sagte also Saltmann, „und wenn sie von
einer so liebenswürdigen Gestalt gereicht wird, schmeckt einem die
schlimmste Zichorienbrühe. Wir reden dann ein paar Worte mitein-
ander, und sie ist sehr verständig, und darüber freue ich mich nach-
her auf dem Wege zum Gericht, und wenn es dort gar zu wenig
Ersprießliches zu tun gibt, denke ich daran, daß ich ja am Abend
das nette Mädchen Wiedersehen werde." —
Einige Tage nach diesem Besuch aber erzählte mir Saltmann:
„Ich suche ein anderes Zimmer. Meine Wirtin hat mir mit Bedauern
kündigen müssen; sie braucht das Zimmer für eine Verwandte, die
zu ihr zieht. Eigentlich bin ich froh darüber. Die unmittelbare Nach-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unüberlegt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5169, S. 5169_088
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg