Der schwedische Trompeter.
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„Ho, ho! Dazu darfs nicht kommen!" — sprach Hedda
— „da ginge ja die Wirthschaft zu Grunde!"
„Es geschähe dir ganz recht, Wetterhere!" fuhr fie der
Corpora! an, „was brauchst du deine Halsbrech-Treppe auch
noch mil weißen und rothen Sandschnirkeln immer zu bestreuen,
daß die Leute Herabstürzen müssen!"
„Potz Kanne und Spitzglas!" zürnte die Wirthin — „jetzt
soll ich arme, unschuldige Frau den Weinschlauch umgebracht
haben! Ihr seid mir schöne Helden! Steht da und zankt und
schimpft bis die Patrouille kommen und uns Alle mitnehmen
wird! Faßt Euch kurz! Packt den Trompeter auf und tragt ihn
wo anders hin — da mag ihn finden wer Lust hat und wir
sind aus der Patsche!"
„Tulipane, du hast Recht!" sagte fröhlich der Corpora! —
„aber wohin mit dem gefallenen Engel?"
„Mir fährt da Etwas durch den Sinn," erwiederte rasch
Hedda und schlug den Span. wider das Treppengeländer, daß
er wieder hell brannte — „gerade die Gaffe da hinab, im
Eckhäuschen links wohnt eine junge Sachsenhäuserin, die neulich
den Trompeter barsch abfertigte, als er ihr am hellen Tag auf
der Straße seine Liebe antrug. Er wurde deshalb gestern Abends
von seinen Kameraden tüchtig geneckt und schwur das Weibchen
zu besuchen, werde daraus was wolle. Legt der Schönen den
Galan vor die Thür, und die Herren Offieiere werden glauben,
er sei da in Liebessehnsucht erfroren!"
„Sie hat Recht die Hedda, sage auch ich!" drängte
jetzt der Wachtmeister — „schnell, fort mit ihm!"
Der Corpora! und der Fahnenftäger packten den
Todten an Schultern und Füßen und versprachen den
Zurückbleibenden gleich wieder in die Schenke zu kommen,
wo Hedda der Gesellschaft einen kostenfreien Würzwein
bereitete, dessen wohlthuende Tropfen die schnell wieder-
kehrenden Todtenftäger mit genießen halfen, nachdem sie
unbemerkt den Trompeter vor Lieschens und Martins
Thüre abgelegt hatten.
III.
„Der Spitz ist so unruhig," sagte Lieschen zu Mar- M
tin, „steh doch auf, lieber Mann, und steh' was er will!
Zch kann vor Angst kein Auge zuthun!"
„Ich höre auch schon die ganze Zeit das Kratzen und
Knurren des Hundes — Spitz, was willst du?" sprach
Martin — „sonderbar!" fuhr er fort — „da packt er mich
am Aermel und zerrt nach der Thüre!"
„Um Gotteswillcn!" rief zitternd Lieschen, „stehe auf und
steh' was es ist!"
Martin stand auf, zündete die Lampe an und folgte dem
Hund aus der Stube. Der Spitz sprang nach der Hausthüre,
an der er knurrend kratzte. Martin riegelte den Oberladen
auf und leuchtet« hinaus, fuhr aber halbtodt vor Schreck zu-
rück, als er den wiedergekehrten todten Trompeter erblickte.
Er stürzte in's Zimmer und erzählte was er gesehen.
„O, wir armen Leute!" jammerte die junge Frau, „sollen
Es waren zwei Diebe, Nachzügler der schwedischen Truppen,
welche dem armen Schmied das gestern geschlachtete Schwein
gestohlen und in den Sack verborgen hatten.
„So," sprach der Eine, „die Sau hätten wir — jetzt
müssen wir uns nur das Geld dafür verschaffen! — Bleib' du
hier beim Sack, Adlestcen, ich will hinunter zu unserm Wurst-
händler und den Kauf abschließen."
„O, Blomsterkrantz, im Pfiffikus! Warum soll ich hier
bleiben? — Nein, Freundchen, wir gehen zusammen. Ich muß
auch dabei sein, wenn der Preis gemacht wird!"
„Wie?" sprach der Erste — „traust du mir nicht, Bru-
derherz ?"
„Nein!" war die Antwort, „edler Jüngling, ich traue dir
wir denn durchaus verloren sein? Martin, Martin! Was
fangen wir an?"
„Ich bin ein ftommer und rechtlicher Mann, du bist ein
braves Weib!" — sagte ermuthigend Martin — „und wenn
auch der Teufel hier sein Spiel treibt, so hat er doch keine
Gewalt über uns, das weiß ich noch aus der Kinderlehre! —
hier ist mein Taufschein — den stecke ich zu mir und gehe in
Gottes Namen noch einmal hinaus! Ist die Gestalt des Trom-
peters nur ein Spuck, so muß er weichen — ist es aber
wirklich seine Leiche, nun, so trage ich fie eben noch einmal wo
anders hin!"
„Martin, lieber Martin! Ich will für dich beten!" weinte
Lieschen.
Martin öffnete vorfichtig die Thüre, sah fest auf den Todten,
und als dieser ruhig liegen blieb, nahm er ihn auf seine starken
Arme und eilte davon.
Er schlug jetzt einen dem vorigen entgegengesetzten Weg
ein, hörte aber in der nächsten Straße ein Geräusch, und ver-
barg fich schnell mit seiner Last unter einem dunkeln Thorweg.
IV.
Gegenüber, auf einer niedrigen Mauer, welche des Schmied- >
meisters Krottenfeind Hof umschloß, erschien eine dunkle Gestalt,
zog ein Blendlaternchen aus dem Kleide, leuchtete vorfichtig
hinab und sprang auf die Straße. Ein schwerer Sack kam
denselben Weg und nach ihm eine and're unheimliche Figur.
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„Ho, ho! Dazu darfs nicht kommen!" — sprach Hedda
— „da ginge ja die Wirthschaft zu Grunde!"
„Es geschähe dir ganz recht, Wetterhere!" fuhr fie der
Corpora! an, „was brauchst du deine Halsbrech-Treppe auch
noch mil weißen und rothen Sandschnirkeln immer zu bestreuen,
daß die Leute Herabstürzen müssen!"
„Potz Kanne und Spitzglas!" zürnte die Wirthin — „jetzt
soll ich arme, unschuldige Frau den Weinschlauch umgebracht
haben! Ihr seid mir schöne Helden! Steht da und zankt und
schimpft bis die Patrouille kommen und uns Alle mitnehmen
wird! Faßt Euch kurz! Packt den Trompeter auf und tragt ihn
wo anders hin — da mag ihn finden wer Lust hat und wir
sind aus der Patsche!"
„Tulipane, du hast Recht!" sagte fröhlich der Corpora! —
„aber wohin mit dem gefallenen Engel?"
„Mir fährt da Etwas durch den Sinn," erwiederte rasch
Hedda und schlug den Span. wider das Treppengeländer, daß
er wieder hell brannte — „gerade die Gaffe da hinab, im
Eckhäuschen links wohnt eine junge Sachsenhäuserin, die neulich
den Trompeter barsch abfertigte, als er ihr am hellen Tag auf
der Straße seine Liebe antrug. Er wurde deshalb gestern Abends
von seinen Kameraden tüchtig geneckt und schwur das Weibchen
zu besuchen, werde daraus was wolle. Legt der Schönen den
Galan vor die Thür, und die Herren Offieiere werden glauben,
er sei da in Liebessehnsucht erfroren!"
„Sie hat Recht die Hedda, sage auch ich!" drängte
jetzt der Wachtmeister — „schnell, fort mit ihm!"
Der Corpora! und der Fahnenftäger packten den
Todten an Schultern und Füßen und versprachen den
Zurückbleibenden gleich wieder in die Schenke zu kommen,
wo Hedda der Gesellschaft einen kostenfreien Würzwein
bereitete, dessen wohlthuende Tropfen die schnell wieder-
kehrenden Todtenftäger mit genießen halfen, nachdem sie
unbemerkt den Trompeter vor Lieschens und Martins
Thüre abgelegt hatten.
III.
„Der Spitz ist so unruhig," sagte Lieschen zu Mar- M
tin, „steh doch auf, lieber Mann, und steh' was er will!
Zch kann vor Angst kein Auge zuthun!"
„Ich höre auch schon die ganze Zeit das Kratzen und
Knurren des Hundes — Spitz, was willst du?" sprach
Martin — „sonderbar!" fuhr er fort — „da packt er mich
am Aermel und zerrt nach der Thüre!"
„Um Gotteswillcn!" rief zitternd Lieschen, „stehe auf und
steh' was es ist!"
Martin stand auf, zündete die Lampe an und folgte dem
Hund aus der Stube. Der Spitz sprang nach der Hausthüre,
an der er knurrend kratzte. Martin riegelte den Oberladen
auf und leuchtet« hinaus, fuhr aber halbtodt vor Schreck zu-
rück, als er den wiedergekehrten todten Trompeter erblickte.
Er stürzte in's Zimmer und erzählte was er gesehen.
„O, wir armen Leute!" jammerte die junge Frau, „sollen
Es waren zwei Diebe, Nachzügler der schwedischen Truppen,
welche dem armen Schmied das gestern geschlachtete Schwein
gestohlen und in den Sack verborgen hatten.
„So," sprach der Eine, „die Sau hätten wir — jetzt
müssen wir uns nur das Geld dafür verschaffen! — Bleib' du
hier beim Sack, Adlestcen, ich will hinunter zu unserm Wurst-
händler und den Kauf abschließen."
„O, Blomsterkrantz, im Pfiffikus! Warum soll ich hier
bleiben? — Nein, Freundchen, wir gehen zusammen. Ich muß
auch dabei sein, wenn der Preis gemacht wird!"
„Wie?" sprach der Erste — „traust du mir nicht, Bru-
derherz ?"
„Nein!" war die Antwort, „edler Jüngling, ich traue dir
wir denn durchaus verloren sein? Martin, Martin! Was
fangen wir an?"
„Ich bin ein ftommer und rechtlicher Mann, du bist ein
braves Weib!" — sagte ermuthigend Martin — „und wenn
auch der Teufel hier sein Spiel treibt, so hat er doch keine
Gewalt über uns, das weiß ich noch aus der Kinderlehre! —
hier ist mein Taufschein — den stecke ich zu mir und gehe in
Gottes Namen noch einmal hinaus! Ist die Gestalt des Trom-
peters nur ein Spuck, so muß er weichen — ist es aber
wirklich seine Leiche, nun, so trage ich fie eben noch einmal wo
anders hin!"
„Martin, lieber Martin! Ich will für dich beten!" weinte
Lieschen.
Martin öffnete vorfichtig die Thüre, sah fest auf den Todten,
und als dieser ruhig liegen blieb, nahm er ihn auf seine starken
Arme und eilte davon.
Er schlug jetzt einen dem vorigen entgegengesetzten Weg
ein, hörte aber in der nächsten Straße ein Geräusch, und ver-
barg fich schnell mit seiner Last unter einem dunkeln Thorweg.
IV.
Gegenüber, auf einer niedrigen Mauer, welche des Schmied- >
meisters Krottenfeind Hof umschloß, erschien eine dunkle Gestalt,
zog ein Blendlaternchen aus dem Kleide, leuchtete vorfichtig
hinab und sprang auf die Straße. Ein schwerer Sack kam
denselben Weg und nach ihm eine and're unheimliche Figur.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Schwedische Trompeter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schwede <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 5.1847, Nr. 106, S. 75
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg