Fliegende Blätter (59.1873 (Nr. 1459-1484))

158 D' Muatterseel.
(Schwäbisch.)


Sitzt im Stüblc dort a Weible
's G'sicht voll Runzle, Falt' an Falt',
Grau und licht sind ihre Locke,
D'rnm ist's halt schon schwach und alt.
Wenn me's ansieht, möcht's oin daure.
Aber guckt ma näher nan,
Sieht ma ein an stille Friede
Und a stilles Glück wohl an.
Und jetzt gar dös selig Lächle,
Dös verklärt ihr Angesicht
Und ma sieht im ganze Slüble
Net a Seel, mit dcar se spricht!
's ist au naithig net, dös Weible
Ist alleinig au net so;
Denn's hat in der weite Ferne
Ja a Kind, an einzig's no.
Und mit sellem Kind, do spricht es
Jetzt, als ob es bei-n-cm war;
Doher kommt dös selig Lächle
Und dear stille Friede her.
Ja, es ist a g'wisse Wahret:
D' Muatterseel ist nie allein,
War' se au, wia dös alt Weible
Mnatterseelcganzallein.
G. S.r.

Zur Miethsteigcrung.


„Herr Stcigmeier, die Wohnung bei Ihnen gefällt mn'
so weit, wenn nur die Tapeten nicht so alt und schadhaft wären.
Lassen Sie doch mindestens die drei kleineren Zimmer nc»
tapcziren." — „Ich — füllt mir nicht ein. Wenn Sie new
Tapeten wollen, so lassen Sic solche auf Ihre Kosten machen.
Mir sind die alten gut genug!" — „Nun in Gottesnamen, iä
will die Wohnung auf meine Rechnung neu tapeziren lassen,
aber Sie dürfen mich in den nächsten zwei Jahren nicht steigernd
— „Nicht steigern? Sind Sie doch auch nur billig. Eine net
tapezirte Wohnung ist doch mehr werth als eine alte."

Unter eigenem Dach.


Rector: „Dietrich, Sie sind mir angezeigt, Mähren^
der Studienzeit auf dem Arbeitszimmer geraucht zu haben; mat
hat Sie mit brennender Pfeife auf der That betroffen. Könnet
Sie's leugnen?" — Dietrich: „Leugnen kann ich's nicht!
aber —. — " — Rector: „Kein aber — Sie haben dll
Satzung der Anstalt gröblich verletzt, kennen auch die Strafe,
die darauf gesetzt ist. Morgen von Früh sechs Uhr bis