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Eine wahre Gespenster-Geschichte.
Zwei Batterien befanden sich ans dem Marsch in die neue
Garnison. Die Gegend — im herbstlichen Gewände — war
anmnthig, die Bewohner zeigten sich freundlich und zuvorkommend,
die Mädels nicht gar zu spröde und Getränke wie Speisen den
Umständen angemessen. Es war daher Alles dazu angethan,
die kleine Gesellschaft der Offiziere in guter Stimmung zn er-
halten, die sich be-
sonders ans den Früh-
stücksstationen kund
gab, allwo inan sich
die Erlebnisse und
Abenteuer der über-
standenen Quartiere
in launiger Weise
erzählte. Die Seele
der Unterhaltung war
dabei der Eomman-
dant der 2. Batterie,
.hanptmann Heiter,
der sich trotz seiner
58 Jahre ein junges
Herz bewahrt hatte
und es verstand — unbeschadet des Ernstes im Dienste —
mit jüngeren Kameraden fröhlich zn sein. Ganz das Gegentheil
war Hanptmann Brumm
von der 1. Batterie.
Immer verdrießlich, zu-
geknöpft, nie wissend,
wo der Vorgesetzte anf-
hört und der Kamerad
anfängt, ein Feind des
fröhlichen Ergusses und
gleichwohl auch in anderer
Weise nichts zur Unter-
haltung beitragend, wirkte
seine bloße Anwesenheit
schon wie ein nieder-
schlagendes Mittel und
lastete wie ein Alp
ans der Gesellschaft, in
der dann nie der ungezwungene Ton des Frohsinns nnf-
komnren konnte. Es darf daher gar nicht wundern, wenn gegen
ihn eine kleine Verschwörung entstand, deren Tendenz dahin
ging, daß man dem Hanptmann Brumm, um denselben
wenigstens von der abendlichen Unterhaltung fern zu halten,
stets das entfernteste, aber comfortnbclste Quartier zuweisen ließ.
Eine Gelegenheit hiezu bot sich in der Station O., wo der
qnartiermachende Offizier einen Thcil der 1. Batterie nebst dem
Kommandanten in das etwas entfernt gelegene Schloß Enlen-
horst bestimmte. Der Gemeindevorsteher hatte zwar bemerkt,
daß es darin nicht geheuer sei, daß es dort spuke seit dem
Tode des alten Grafen, aber all das konnte den Entschluß des
Quartiermachers nicht ändern. Der Schloßverwaltcr bestätigte
die Aussage des Gemeindevorstehers und fügte hinzu, daß die
gräfliche Familie seit dem Tode des Grafen das Schloß meide; jl
nur der östliche Flügel, der aber gerade vom Geiste des Ver- A
storbenen heimgcsucht werde, — weßhalb es auch Niemand wage,
nach Eintritt der Dunkelheit jenen Theil des Schlosses zu be-
treten, sei für einen der Herren Offiziere bewohnbar. !
„Ich muß daher den Herrn Lieutenant bitten," sagte er 1
weiter, „andere Dispositionen zu treffen, widrigenfalls ich alle
Verantwortung von mir ablchne."
„Ach was!" entgegnet der Offizier, „wir fürchten uns i
nicht vor Gespenstern. Der Hauptmann Brumm wird hier
einquartiert, sorgen Sie nur für ein gutes Bett und anständige
Verpflegung."
Andern Tags rückte Brumm in sein neues Quartier ein ^
und fühlte sich so wohl und behaglich in den gräflichen Ge- Z
müchern, daß es ihm gar nicht einfiel, nach O. zu gehen, l
Hier entbehrte man mit Vergnügen seine Gesellschaft und toa- «
stirtc auf das Genie des umsichtigen Quartiermachers.
Andern Tags trafen die 2 Batterien ans der bestimmten ^
Frühstücksstation zusammen. Brumm war etwas weniger
unangenehm als gewöhnlich, Hauptmann Heiter dagegen düster
und in sich gekehrt. Das fiel allgemein auf und da auch
das Frühstück, das Heiter kaum anrührte, keine Aendernng
in seiner trüben Stimmung hervorbrachte, so frug ein Ober-
lieutcnant nach dem Grund dieser Melancholie. Nicht lange
ließ sich Hauptmann Heiter bitten. „Ja, meine Herren," begann
er, „was ich diese Nacht erlebt, wird mir die Ruhe meiner
Seele rauben und mein Haar bleichen! Hören Sie! Als ich
gestern Nachts nach Hause kam, war es ^12 Uhr. Ich lege,
wie dies meine Gewohnheit ist, den Revolver auf den Nachtkasten
und gehe zu Bett. Ich muß noch im ersten Schlaf gewesen
sein, da werde ich durch ein Geräusch geweckt, als wenn eine
Thüre in ihren Angeln knarrte. Ich will nach der Thüre Hin-
sehen, aber eine blendende Helle zwingt mich, die Angen zn
schließen. Ich riß sie bald wieder auf und sehe wie eine weiße
Gestalt, mit Ketten rasselnd, ans mein Bett zuschreitet. Meine
Haare sträubten sich, der Angstschweiß trat mir auf die Stirne
und eine Beklemmung überfiel mich, daß ich keines Lautes,
keiner Bewegung fähig war. Wie lange dieser Zustand gedauert,
weiß ich nicht; aber als das Gespenst immer näher kam, richtete
ich mich mit dem Aufgebot aller Kräfte im Bett ans, griff
mechanisch nach dem Revolver und legte auf den Geist an.
Eben will ich losdrücken, da hebt er drohend seine Hand auf
und sagt mit tiefer Grabesstimme: „Halt ein, Sterblicher!
Schieße nicht, — ich thu' Dir nichts zu Leide. Ich erscheine
sonst nur in den Gemächern des Schlosses von Eulenhorst,
aber der Hauptmann, der heute dort einquartiert
ist, ist ein so langweiliger Mensch, daß ich cs bei
ihm nicht aushalten konnte."
Alle, bis ans Einen glaubten an die Wahrheit dieser
Geschichte.
Eine wahre Gespenster-Geschichte.
Zwei Batterien befanden sich ans dem Marsch in die neue
Garnison. Die Gegend — im herbstlichen Gewände — war
anmnthig, die Bewohner zeigten sich freundlich und zuvorkommend,
die Mädels nicht gar zu spröde und Getränke wie Speisen den
Umständen angemessen. Es war daher Alles dazu angethan,
die kleine Gesellschaft der Offiziere in guter Stimmung zn er-
halten, die sich be-
sonders ans den Früh-
stücksstationen kund
gab, allwo inan sich
die Erlebnisse und
Abenteuer der über-
standenen Quartiere
in launiger Weise
erzählte. Die Seele
der Unterhaltung war
dabei der Eomman-
dant der 2. Batterie,
.hanptmann Heiter,
der sich trotz seiner
58 Jahre ein junges
Herz bewahrt hatte
und es verstand — unbeschadet des Ernstes im Dienste —
mit jüngeren Kameraden fröhlich zn sein. Ganz das Gegentheil
war Hanptmann Brumm
von der 1. Batterie.
Immer verdrießlich, zu-
geknöpft, nie wissend,
wo der Vorgesetzte anf-
hört und der Kamerad
anfängt, ein Feind des
fröhlichen Ergusses und
gleichwohl auch in anderer
Weise nichts zur Unter-
haltung beitragend, wirkte
seine bloße Anwesenheit
schon wie ein nieder-
schlagendes Mittel und
lastete wie ein Alp
ans der Gesellschaft, in
der dann nie der ungezwungene Ton des Frohsinns nnf-
komnren konnte. Es darf daher gar nicht wundern, wenn gegen
ihn eine kleine Verschwörung entstand, deren Tendenz dahin
ging, daß man dem Hanptmann Brumm, um denselben
wenigstens von der abendlichen Unterhaltung fern zu halten,
stets das entfernteste, aber comfortnbclste Quartier zuweisen ließ.
Eine Gelegenheit hiezu bot sich in der Station O., wo der
qnartiermachende Offizier einen Thcil der 1. Batterie nebst dem
Kommandanten in das etwas entfernt gelegene Schloß Enlen-
horst bestimmte. Der Gemeindevorsteher hatte zwar bemerkt,
daß es darin nicht geheuer sei, daß es dort spuke seit dem
Tode des alten Grafen, aber all das konnte den Entschluß des
Quartiermachers nicht ändern. Der Schloßverwaltcr bestätigte
die Aussage des Gemeindevorstehers und fügte hinzu, daß die
gräfliche Familie seit dem Tode des Grafen das Schloß meide; jl
nur der östliche Flügel, der aber gerade vom Geiste des Ver- A
storbenen heimgcsucht werde, — weßhalb es auch Niemand wage,
nach Eintritt der Dunkelheit jenen Theil des Schlosses zu be-
treten, sei für einen der Herren Offiziere bewohnbar. !
„Ich muß daher den Herrn Lieutenant bitten," sagte er 1
weiter, „andere Dispositionen zu treffen, widrigenfalls ich alle
Verantwortung von mir ablchne."
„Ach was!" entgegnet der Offizier, „wir fürchten uns i
nicht vor Gespenstern. Der Hauptmann Brumm wird hier
einquartiert, sorgen Sie nur für ein gutes Bett und anständige
Verpflegung."
Andern Tags rückte Brumm in sein neues Quartier ein ^
und fühlte sich so wohl und behaglich in den gräflichen Ge- Z
müchern, daß es ihm gar nicht einfiel, nach O. zu gehen, l
Hier entbehrte man mit Vergnügen seine Gesellschaft und toa- «
stirtc auf das Genie des umsichtigen Quartiermachers.
Andern Tags trafen die 2 Batterien ans der bestimmten ^
Frühstücksstation zusammen. Brumm war etwas weniger
unangenehm als gewöhnlich, Hauptmann Heiter dagegen düster
und in sich gekehrt. Das fiel allgemein auf und da auch
das Frühstück, das Heiter kaum anrührte, keine Aendernng
in seiner trüben Stimmung hervorbrachte, so frug ein Ober-
lieutcnant nach dem Grund dieser Melancholie. Nicht lange
ließ sich Hauptmann Heiter bitten. „Ja, meine Herren," begann
er, „was ich diese Nacht erlebt, wird mir die Ruhe meiner
Seele rauben und mein Haar bleichen! Hören Sie! Als ich
gestern Nachts nach Hause kam, war es ^12 Uhr. Ich lege,
wie dies meine Gewohnheit ist, den Revolver auf den Nachtkasten
und gehe zu Bett. Ich muß noch im ersten Schlaf gewesen
sein, da werde ich durch ein Geräusch geweckt, als wenn eine
Thüre in ihren Angeln knarrte. Ich will nach der Thüre Hin-
sehen, aber eine blendende Helle zwingt mich, die Angen zn
schließen. Ich riß sie bald wieder auf und sehe wie eine weiße
Gestalt, mit Ketten rasselnd, ans mein Bett zuschreitet. Meine
Haare sträubten sich, der Angstschweiß trat mir auf die Stirne
und eine Beklemmung überfiel mich, daß ich keines Lautes,
keiner Bewegung fähig war. Wie lange dieser Zustand gedauert,
weiß ich nicht; aber als das Gespenst immer näher kam, richtete
ich mich mit dem Aufgebot aller Kräfte im Bett ans, griff
mechanisch nach dem Revolver und legte auf den Geist an.
Eben will ich losdrücken, da hebt er drohend seine Hand auf
und sagt mit tiefer Grabesstimme: „Halt ein, Sterblicher!
Schieße nicht, — ich thu' Dir nichts zu Leide. Ich erscheine
sonst nur in den Gemächern des Schlosses von Eulenhorst,
aber der Hauptmann, der heute dort einquartiert
ist, ist ein so langweiliger Mensch, daß ich cs bei
ihm nicht aushalten konnte."
Alle, bis ans Einen glaubten an die Wahrheit dieser
Geschichte.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine wahre Gespenster-Geschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1484, S. 206
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg