Die O
Die O-Miedl war ganz verbrennt in ihren schmucken Nachbar
und vermeinte auch sicher, dieser werde noch einmal ihr Mann
werden.
Wenn er ihr zuweilen half Kartoffel ausnehmen oder Rüben
setzen und dabei lustige Geschichten erzählte oder ein Licdcl sang,
da war sie die Glücklichste auf der ganzen weiten Welt, und wenn
er der alten Zwergel-Schmicdtin so recht das „Wilde" herunter-
räumte, ob ihres lüderlichen Wesens, da zitterte das Herz der
O-Miedl vor Freuden, denn sic war der sicheren Ueberzcugnng,
der Knauer-Sepp thät' nur aus Lieb' zu ihr so reden und schelten.
Aber endlich sollte sie doch zur Einsicht kommen.
Es war an einem recht klaren, linden Sommerabend, die
Sonne hatte sich hinter die Berge verkrochen und Mond und
Sternlein waren am Himmel aufgestiegen. Die O-Miedl hatte
sich eben im Gcmüsegärtchen niedergchockt, um ein Büschel
Schnittlauch anszuzichen, den sie zur Abendmahlzeit brauchte, — da
hörte sie Plötzlich hinter dem Zaun, der ihren Garten von dem
des Knauer-Sepp trennte, zwei Stimmen. Die eine gehörte
dem Sepp selbst, die andere dem Bohringer-Baner.
„Sepp!" redete just der Letztere, indem er seine Pfeife am
Zaunstecken ausklopfte, „ich sag' Dir, nimm die Sonnenwirthin,
das ist Dir ein Kernweib. Geld hat sie, ein schönes G'schäft
dazu und sauber ist sic auch, bildsauber. Ihr Gottseliger war
ihr nie stark an's Herz g'wachsen und ans Dich hat sie schon
längst ein Aug g'habt. Also greif' zu!" setzte er eindringlich
und den Knauer-Sepp auf die Achsel klopfend, hinzu.
„Ja, — die Sonnenwirthin wär' just nit so z'widcr!"
meinte dieser jetzt nachdenklich, und der O-Miedl fuhren seine
Worte wie ein zweischneidiges Messer durch's Herz.
„Nimm' die Wittsrau!" mahnte der Bohringcr wieder.
„Schau, Du bist jetzt schon in die Jahr, wo man für
seine alten Tage sorgen und sich ein warnies Nest Her-
richten soll. Denk', wann Tu krank wurd'st! Wer sollt'
Dich dann warten und pflegen, wer Dir die christliche
Miedl. 27
Lieb' und Treu erweisen? — Oder — sollt'8 wahr sein, Ivas
die Leut' sagen, daß D' mit der O-Miedl ein Gspusi hätt'st?"
setzte er höhnisch fragend, hinzu.
„Schafskopf, einfältiger!" rief hellauflachend der Knauer-
Scpp, „nur ein achter Dummrian, wie Du einer bist, kann so
was daherplauschen! Ich und die O-Miedl! Wir zwei passeten
just z'samm' wie die Faust auf's Aug. Nur weil sie so anschiech
ist, geb' ich mich mit ihr ab, denn das ist mir immer eine
Versicherung gewesen, daß s' kein' Gedanken ans mich hat.
Ucbrigens ist die Dirn gutherzig und hat einen lustigen Hamnr
und derentwegen plansch' ich gern mit ihr und hilf dein klein'
Dachsel mitunter bei der Arbeit!" setzte er hinzu.
„Also willst Ernst machen mit der Wittfran?" frag noch
einmal und eindringlich der Bohringer-Baner, der sich bei der
Sache wahrscheinlicherweise einen Kuppelpelz verdienen wollte.
„Jedenfalls werd' ich mir's überlegen!" antwortete der
Knauer-Sepp, und Beide gingen sie dann langsam am Zaun
vorüber, das Straßl hinauf, das zum Sonnenwirthshaus führte.
Die O-Miedl aber hatte kein Halmerl vom Schnittlauch
mehr in Händen, — der war ihr längst aus den Fingern gerutscht,
die sie jetzt wie im Schmerz gefaltet im Schooßc hielt.
„Anschiech und ein Dachsel!" Die zwei Bezeichnungen
wollten ihr nimmer aus dein Kopf gehen. Langsam erhob sie
sich und ging hinein in's Haus, die Rühreier für die Zwcrgel-
bäuerin herzurichten. Versalzen that sie das Essen heute nicht,
denn mit dem Verliebtsein war's für den Augenblick rein ans
bei ihr. Von der Stunde auch wich sie dem Knauer-Sepp
aus, wo sie nur konnte, was dieser wenig zu bemerken schien,
da er seine Feierabende meist im Sonnenwirthshaus zubrachte,
und noch war der Winter nicht völlig in's Land gezogen,
da zwitscherten cs schon die Spatzen von den Dächern herab,
daß der herumklanberische Knauer-Sepp doch endlich angebissen
habe und nach Ostern die bildsaubere Wittfrau, die Sonncn-
wirthin, ein reiches, aber stolzes Weib, heirathen werde.
Die O-Miedl ließ ihren großen Kopf noch mehr herab-
hängen als früher, wenn sic allein mit sich selber war; wenn
sie aber durch's Dorf oder in die Kirche ging, dann zwang sie
sich, lustig in die Welt hinein zu schauen und lachte Jedem,
der sie ansah, recht freundlich in's Gesicht.
„Muß sich doch keine Rechnung ans ihn gemacht haben!"
flüsterten dann die Burschen und die Dirnen und sie hielten
von der Zeit an die O-Miedl für ein gescheidtes Frauenzimmer.
Da, acht Tage etwa vor der Charwoche, — die Hochzeit des
Knauer-Sepp mit der reichen Wittib war auf den Ostermontag
festgesetzt worden, — brach in Grottendorf eine böse Krankheit ans,
die die Bewohner des kleinen Ortes in nicht geringen Schrecken
versetzte. Es waren das die Pocken. Eine der Ersten, die von
dem bösen Uebel ergriffen wurde, und ihm auch erliegen sollte
war die Zwergel-Bänerin. Ihr konnte schon aus dem Grund
nicht geholfen werden, weil das Weib zu viel Schnaps getrunken
hatte all sein Lebtag hindurch, daher auch das Blut nichts
mehr werth war und so mußte es denn draufgehen.
(Schluß folgt.)
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Die O-Miedl war ganz verbrennt in ihren schmucken Nachbar
und vermeinte auch sicher, dieser werde noch einmal ihr Mann
werden.
Wenn er ihr zuweilen half Kartoffel ausnehmen oder Rüben
setzen und dabei lustige Geschichten erzählte oder ein Licdcl sang,
da war sie die Glücklichste auf der ganzen weiten Welt, und wenn
er der alten Zwergel-Schmicdtin so recht das „Wilde" herunter-
räumte, ob ihres lüderlichen Wesens, da zitterte das Herz der
O-Miedl vor Freuden, denn sic war der sicheren Ueberzcugnng,
der Knauer-Sepp thät' nur aus Lieb' zu ihr so reden und schelten.
Aber endlich sollte sie doch zur Einsicht kommen.
Es war an einem recht klaren, linden Sommerabend, die
Sonne hatte sich hinter die Berge verkrochen und Mond und
Sternlein waren am Himmel aufgestiegen. Die O-Miedl hatte
sich eben im Gcmüsegärtchen niedergchockt, um ein Büschel
Schnittlauch anszuzichen, den sie zur Abendmahlzeit brauchte, — da
hörte sie Plötzlich hinter dem Zaun, der ihren Garten von dem
des Knauer-Sepp trennte, zwei Stimmen. Die eine gehörte
dem Sepp selbst, die andere dem Bohringer-Baner.
„Sepp!" redete just der Letztere, indem er seine Pfeife am
Zaunstecken ausklopfte, „ich sag' Dir, nimm die Sonnenwirthin,
das ist Dir ein Kernweib. Geld hat sie, ein schönes G'schäft
dazu und sauber ist sic auch, bildsauber. Ihr Gottseliger war
ihr nie stark an's Herz g'wachsen und ans Dich hat sie schon
längst ein Aug g'habt. Also greif' zu!" setzte er eindringlich
und den Knauer-Sepp auf die Achsel klopfend, hinzu.
„Ja, — die Sonnenwirthin wär' just nit so z'widcr!"
meinte dieser jetzt nachdenklich, und der O-Miedl fuhren seine
Worte wie ein zweischneidiges Messer durch's Herz.
„Nimm' die Wittsrau!" mahnte der Bohringcr wieder.
„Schau, Du bist jetzt schon in die Jahr, wo man für
seine alten Tage sorgen und sich ein warnies Nest Her-
richten soll. Denk', wann Tu krank wurd'st! Wer sollt'
Dich dann warten und pflegen, wer Dir die christliche
Miedl. 27
Lieb' und Treu erweisen? — Oder — sollt'8 wahr sein, Ivas
die Leut' sagen, daß D' mit der O-Miedl ein Gspusi hätt'st?"
setzte er höhnisch fragend, hinzu.
„Schafskopf, einfältiger!" rief hellauflachend der Knauer-
Scpp, „nur ein achter Dummrian, wie Du einer bist, kann so
was daherplauschen! Ich und die O-Miedl! Wir zwei passeten
just z'samm' wie die Faust auf's Aug. Nur weil sie so anschiech
ist, geb' ich mich mit ihr ab, denn das ist mir immer eine
Versicherung gewesen, daß s' kein' Gedanken ans mich hat.
Ucbrigens ist die Dirn gutherzig und hat einen lustigen Hamnr
und derentwegen plansch' ich gern mit ihr und hilf dein klein'
Dachsel mitunter bei der Arbeit!" setzte er hinzu.
„Also willst Ernst machen mit der Wittfran?" frag noch
einmal und eindringlich der Bohringer-Baner, der sich bei der
Sache wahrscheinlicherweise einen Kuppelpelz verdienen wollte.
„Jedenfalls werd' ich mir's überlegen!" antwortete der
Knauer-Sepp, und Beide gingen sie dann langsam am Zaun
vorüber, das Straßl hinauf, das zum Sonnenwirthshaus führte.
Die O-Miedl aber hatte kein Halmerl vom Schnittlauch
mehr in Händen, — der war ihr längst aus den Fingern gerutscht,
die sie jetzt wie im Schmerz gefaltet im Schooßc hielt.
„Anschiech und ein Dachsel!" Die zwei Bezeichnungen
wollten ihr nimmer aus dein Kopf gehen. Langsam erhob sie
sich und ging hinein in's Haus, die Rühreier für die Zwcrgel-
bäuerin herzurichten. Versalzen that sie das Essen heute nicht,
denn mit dem Verliebtsein war's für den Augenblick rein ans
bei ihr. Von der Stunde auch wich sie dem Knauer-Sepp
aus, wo sie nur konnte, was dieser wenig zu bemerken schien,
da er seine Feierabende meist im Sonnenwirthshaus zubrachte,
und noch war der Winter nicht völlig in's Land gezogen,
da zwitscherten cs schon die Spatzen von den Dächern herab,
daß der herumklanberische Knauer-Sepp doch endlich angebissen
habe und nach Ostern die bildsaubere Wittfrau, die Sonncn-
wirthin, ein reiches, aber stolzes Weib, heirathen werde.
Die O-Miedl ließ ihren großen Kopf noch mehr herab-
hängen als früher, wenn sic allein mit sich selber war; wenn
sie aber durch's Dorf oder in die Kirche ging, dann zwang sie
sich, lustig in die Welt hinein zu schauen und lachte Jedem,
der sie ansah, recht freundlich in's Gesicht.
„Muß sich doch keine Rechnung ans ihn gemacht haben!"
flüsterten dann die Burschen und die Dirnen und sie hielten
von der Zeit an die O-Miedl für ein gescheidtes Frauenzimmer.
Da, acht Tage etwa vor der Charwoche, — die Hochzeit des
Knauer-Sepp mit der reichen Wittib war auf den Ostermontag
festgesetzt worden, — brach in Grottendorf eine böse Krankheit ans,
die die Bewohner des kleinen Ortes in nicht geringen Schrecken
versetzte. Es waren das die Pocken. Eine der Ersten, die von
dem bösen Uebel ergriffen wurde, und ihm auch erliegen sollte
war die Zwergel-Bänerin. Ihr konnte schon aus dem Grund
nicht geholfen werden, weil das Weib zu viel Schnaps getrunken
hatte all sein Lebtag hindurch, daher auch das Blut nichts
mehr werth war und so mußte es denn draufgehen.
(Schluß folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die O-Miedl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 64.1876, Nr. 1592, S. 27
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg