182
Der melancholische Hcuschreck.
Mit kreuzweis überschlag'nen Beinen;
Gebeugt das Haupt, schaut er kaum auf.
Ihm staud wahrhaftig nah' das Weinen.
Das Herz ist ihm so voll, so schwer,
Er kann nicht mit den Andern hüpfen;
Leer dünket ihm ihr Treiben all,
Macht' in die Erd' am liebsten schlüpfen.
Da nahet ihm ein Heuschreck sich.
So von der alten Garde einer.
Dem Springen rechte Herzenslust,
Und spricht: „Was weinest du, mein Kleiner?"
„Ach!" seufzet dieser, „was ist doch
Das für ein nichtig-eitles Treiben?
So ewig springen in der Luft
Und ruhig nirgendwo verbleiben!"
Darauf der Alte: „Junger Freund,
Dem Schwermuth hat den Sinn umnachtet,
Der sich Henschreckenexistcnz
Vom Schildkrötstandpnnkt ans betrachtet —
So lange du ein Henschreck bist.
Erfaß als Henschreck auch das Leben!
Meinst du, der schlanken Beine Zier
Sei uns zum Kriechen nur gegeben?"
Indes; der Alte also spricht.
Kam rasch ein Storch daher geflogen:
Der Alt' entschlüpft', der Junge ward
In Schnabels Abgrund schnell gezogen.
—- lü'itljcr.
Gehorcht muß sein.
Der Oberst von Scharffcnschwcrt war, obwohl strenge im
Dienst, doch von seinem Regiment als Soldatenvatcr angcbctet.
Nur etwas ungeduldig war er, und dann ging es ohne kernige
Ausdrücke allerdings nicht ab, die er aber stets, wenn sein
Aergcr verraucht war, wieder durch irgend eine Freundlichkeit
an den: Betroffenen gut zu machen wußte. — Eines Morgens
Gehorcht muß sein.
wollte es durchaus nicht gelingen, das Regiment in tadellose
Front zu bringen; höchst ärgerlich sprengte er endlich vor den
Fahnenträger des Centrumbataillons und donnerte ihn an:
„Sie steh'n mit Ihrer Stange da, wie ein wackeliger Blitzableiter,
geh'n Sie zum Teufel!" und davon reitend beorderte er den
ältesten Stabsoffizier, das Regiment in die Kaserne zu führen.
— Nach dem Einrücken meldete sich aber der Fahnenträger,
Feldwebel Wakermann, bei seinem Bataillonscommandantcn zur
Beschwerde über die ihm widerfahrene Kränkung. — Dieser,
der außer Dienst mit dem Obersten ans dem vertrautesten Fuße
stand, verfügte sich in die Wohnung des Gestrengen, der ganz
wohlgemuth bei einer Flasche Rüdesheimer feinsten Latakia
rauchte. „Na, grüß' Dich Gott, alter Junge; da, stopf' Dir
eine Pfeife und thu' mir Bescheid!". — Der Kommandant
blieb in dienstlicher Stellung steh'n, ohne eine Miene zu ver-
ziehen. — „Na, was Teufel hast Du denn?" — „Zn Befehl,
Herr Oberst, ich komme mit einer Beschwerde." — „Ueber
wen?" — „Ueber Herrn Oberst selbst."
Jetzt stand auch der Oberst ans und nahm die dienstliche
Stellung an; „warum, Herr Oberstwachtmeister?" — „Herr
Oberst haben den Feldwebel Wakermann einen wackligen Blitz-
ableiter genannt und zum Teufel gehen heißen." — „Wann?"
„Heute beim Exerciren." — „Da weiß ich kein Wort mehr
davon, und?" — „Er fühlt sich gekränkt, und will, da seine
Dienstzeit mit Ende dieser Woche abläuft, austrcten, während
mir sehr daran liegt, ihn bei der Fahne zu erhalten, denn er
ist der beste Unteroffizier im ganzen Regiment." — Der Oberst
wurde sehr ernst. „Das ist eine dumme Geschichte; meine ver-
wünschte Hitze!" Er sann eine Weile nach — plötzlich lachte
er laut auf und sagte: „Lassen Sie heute um 3 Uhr das
Bataillon im Kasernenhof antreten; und jetzt, Kamerad, setz'
Dich her, wir wollen die Sache schon in's Gleiche bringen; da!
Prosit!" — — Nachmittags, als ans Befehl des Obersten die
Unteroffiziere vor der Fronte des Bataillons um denselben und
Der melancholische Hcuschreck.
Mit kreuzweis überschlag'nen Beinen;
Gebeugt das Haupt, schaut er kaum auf.
Ihm staud wahrhaftig nah' das Weinen.
Das Herz ist ihm so voll, so schwer,
Er kann nicht mit den Andern hüpfen;
Leer dünket ihm ihr Treiben all,
Macht' in die Erd' am liebsten schlüpfen.
Da nahet ihm ein Heuschreck sich.
So von der alten Garde einer.
Dem Springen rechte Herzenslust,
Und spricht: „Was weinest du, mein Kleiner?"
„Ach!" seufzet dieser, „was ist doch
Das für ein nichtig-eitles Treiben?
So ewig springen in der Luft
Und ruhig nirgendwo verbleiben!"
Darauf der Alte: „Junger Freund,
Dem Schwermuth hat den Sinn umnachtet,
Der sich Henschreckenexistcnz
Vom Schildkrötstandpnnkt ans betrachtet —
So lange du ein Henschreck bist.
Erfaß als Henschreck auch das Leben!
Meinst du, der schlanken Beine Zier
Sei uns zum Kriechen nur gegeben?"
Indes; der Alte also spricht.
Kam rasch ein Storch daher geflogen:
Der Alt' entschlüpft', der Junge ward
In Schnabels Abgrund schnell gezogen.
—- lü'itljcr.
Gehorcht muß sein.
Der Oberst von Scharffcnschwcrt war, obwohl strenge im
Dienst, doch von seinem Regiment als Soldatenvatcr angcbctet.
Nur etwas ungeduldig war er, und dann ging es ohne kernige
Ausdrücke allerdings nicht ab, die er aber stets, wenn sein
Aergcr verraucht war, wieder durch irgend eine Freundlichkeit
an den: Betroffenen gut zu machen wußte. — Eines Morgens
Gehorcht muß sein.
wollte es durchaus nicht gelingen, das Regiment in tadellose
Front zu bringen; höchst ärgerlich sprengte er endlich vor den
Fahnenträger des Centrumbataillons und donnerte ihn an:
„Sie steh'n mit Ihrer Stange da, wie ein wackeliger Blitzableiter,
geh'n Sie zum Teufel!" und davon reitend beorderte er den
ältesten Stabsoffizier, das Regiment in die Kaserne zu führen.
— Nach dem Einrücken meldete sich aber der Fahnenträger,
Feldwebel Wakermann, bei seinem Bataillonscommandantcn zur
Beschwerde über die ihm widerfahrene Kränkung. — Dieser,
der außer Dienst mit dem Obersten ans dem vertrautesten Fuße
stand, verfügte sich in die Wohnung des Gestrengen, der ganz
wohlgemuth bei einer Flasche Rüdesheimer feinsten Latakia
rauchte. „Na, grüß' Dich Gott, alter Junge; da, stopf' Dir
eine Pfeife und thu' mir Bescheid!". — Der Kommandant
blieb in dienstlicher Stellung steh'n, ohne eine Miene zu ver-
ziehen. — „Na, was Teufel hast Du denn?" — „Zn Befehl,
Herr Oberst, ich komme mit einer Beschwerde." — „Ueber
wen?" — „Ueber Herrn Oberst selbst."
Jetzt stand auch der Oberst ans und nahm die dienstliche
Stellung an; „warum, Herr Oberstwachtmeister?" — „Herr
Oberst haben den Feldwebel Wakermann einen wackligen Blitz-
ableiter genannt und zum Teufel gehen heißen." — „Wann?"
„Heute beim Exerciren." — „Da weiß ich kein Wort mehr
davon, und?" — „Er fühlt sich gekränkt, und will, da seine
Dienstzeit mit Ende dieser Woche abläuft, austrcten, während
mir sehr daran liegt, ihn bei der Fahne zu erhalten, denn er
ist der beste Unteroffizier im ganzen Regiment." — Der Oberst
wurde sehr ernst. „Das ist eine dumme Geschichte; meine ver-
wünschte Hitze!" Er sann eine Weile nach — plötzlich lachte
er laut auf und sagte: „Lassen Sie heute um 3 Uhr das
Bataillon im Kasernenhof antreten; und jetzt, Kamerad, setz'
Dich her, wir wollen die Sache schon in's Gleiche bringen; da!
Prosit!" — — Nachmittags, als ans Befehl des Obersten die
Unteroffiziere vor der Fronte des Bataillons um denselben und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der melancholische Heuschreck" "Gehorcht muss sein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Botanisierbüchse <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 64.1876, Nr. 1611, S. 182
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg