Fliegende Blätter (67.1877 (Nr. 1667-1692))

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Der Gäus

Der Herr Doctor Merkel wird eines Morgens vom Herrn
Obcramtmann ans eine „dclicntc Gons" geladen. Dieser,
kein Freund von einem solchen Braten, wird fnchstenfels-
wild und verwünscht in seinem Zorn alle Gänse und den
Herrn Oberamtmann, — sagt aber doch zu, denn mit dem
Oberamtmann dürft' er's ja nicht verderben, — zudem waren
sie auch sonst ganz gut mit einander. — Kurz darauf er-
scheint der Forstgehilfe und überreicht dem Doctor eine Ein-
ladung des Oberförsters zu einem „famosen Wildschweinbraten".
„Verflucht," denkt sich der Doctor, „gerade mein Licblings-
gericht —- da schlag' doch das Donnerwetter d'rein!" Nur
mit Widerwillen, und ärgerlich, daß er dem Oberamtmann seine
Zusage gegeben, kann er sich entschließen, ans den guten Bissen
zu verzichten- — Es vergeht keine halbe Stunde, so kommt der
Rentamtsadjnnkt und sagt in verbindlicher Rede: wie sehr sich
der Herr Rentmeister freuen würde, wenü der Herr Doctor ihm
die Ehre erweisen wollte, heute Mittag „ganz vorzügliche Forellen"
mit ihm zu verspeisen. Der Herr Doctor ist wüthend, daß er auch
ans diese seine Lieblingsspeise wegen der „verwünschten Gans"
verzichten muß, und läßt sich entschuldigen. — Kaum ist der
Adjunct zur Thüre hinaus, als der Diener des Herrn Kassiers
erscheint und dem Doctor eine Einladung auf „eine Tour
delicater Krammetsvögel" überbringt. Das hat noch gefehlt!
Kramnietsvögel! ein Leckerbissen, den der Doctor um 12 Uhr
Nachts vom Dach heruntergeholt hätte! — Kaum Herr seines
Zornes verflucht er den heutigen Tag, an dem sich Alles gegen
ihn verschworen zu haben scheint, und lehnt auch diese Ein-
ladung unter verbindlichstem Danke ab.

Mittlerweile war es 11 Uhr geworden. Der Herr Doctor
nimmt Hut und Stock und macht sich auf den Weg. Da
kriechen ihm ans einmal die „delicatcn Krammetsvögel" über
den Magen; schnell entschlossen läßt er in seinem Zorn und
Hunger dem Herrn Oberamtmann absagen und geht den

ebraten.

Krammetsvögel» nach. Als er zum Kassier kommt, erfährt er:
„der Herr Kassier sei eben wcggefahren, da der Herr Doctor
habe absagen lassen, werde aber heute Abend in's „Kreuz"
kommen." Unwillig geht er fort und begibt sich ans gut Glück
zum Rentmeister. „Ja der Herr Rentmeister," sagt man dort,
„habe die Forellen abbestcllt und sei zum Oberamtmann ge-
gangen, der vor einer Viertelstunde dagcwesen und ihn zu
einer Gans eingeladen habe; Abends werde er in's „Kreuz"
gehen". — „Nun, ein Wildschwein ist auch nicht zu ver-
achten!" tröstet sich der Doctor und macht sich ans den Weg
zum Oberförster. Aber auch der ist nicht zu Haus und hat nur
hinterlassen, daß er am Abend in's „Kreuz" komme. — „Hol'
Euch Alle der Schinder!" ruft der Doctor aus, ganz dunkelblau
im Gesicht vor lauter Gift und Galle. „Jetzt kann ich nicht
einmal mehr zum Obcramtmann gehen — und zu Haus krieg'
ich auch nichts!"

Am Abend begrüßen ihn die vier Schelme im Kreuz mit
schallendem Gelächter.

Prost hezcihung.

Rabbiner Samuel hat eine sehr bissige Frau. Diese hält sehr
viel von der Gelehrsamkeit ihres Mannes, die sich besonders in
Weissagungen offenbart. — Frau: „Lieber Samuel, Du bist
doch ein sehr geschcidler Mann — kannst Du mir nicht sagen, wann
ich werde sterben?" — Samuel: „Das kann ich Dir nicht sagen
so schnell, da muß ich erst den Talmud befragen." — Nach einigen
Tagen fragt bie Frau wieder: „Nu Samuel, wie ist's, kannst
De wer nn sagen, wann ich werde sterben?" — Samuel: „Du
wirst sterben am Vorabende eines Festtages!" — Frau:
„An welchem Festtage?" — Samuel: „Das kann ich Dir
nicht sagen; ich weiß nur, daß wenn De bist gestorben, der

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