94 Peterles nach
und breit berühmten fetten Schweine; auch ein Wäldlc hatte
er an seinem Hof. Als nun eines Nachmittags eine zahlreiche
Zigeunerfamilie mit einer todtkranken Großmutter hülfcflehend
seine Hausthür belagerte, da erlaubte er derselben auf Rickeles
Fürsprache, die Kranke in ein verfallenes Waldhüttle zu legen,
und die Nacht im Wäldle zuzubringen. Auch ein gefallenes
Kälble und Milch für die Kranke wurde den Armen gespendet,
die in ihrer Dankbarkeit dem Rickele fast das Röckle zerküßten. —
In später Abendstunde klopfte ein Zigennermädle an Peterles
Fenster und berichtete mit großem Geschrei, daß die Großmutter
! eben gestorben. Und richtig — als Peter ihr in das Wald-
hänsle folgte, da lag auf dem ans Lumpen bereiteten Lager die
; Leiche des alten Weibes, und rings ans dem Boden kauerten
j heulend und sich die Haare raufend die trauernden Hinterbliebenen.
tlichc Fahrt.
Peterle aber war 40 Jahre alt und bedachte gleich, welche Plage
und Weitläufigkeiten er davon haben würde, wenn er die Leiche
behielte und den Todesfall anzeigcn müßte. Er eilte also nach
Hanse, um Rücksprache mit seiner Ricke zu nehmen, die, obgleich
noch nicht 40 Jahre alt, doch die gescheidtere Ehehälfte war.
Ans ihren Rath beredete er dann die Zigeuner mit Geld und
schönen Worten, um Mitternacht die gut verhüllte Leiche an's
Hofthor zu schaffen, von wo er dieselbe selbst über die Grenze
bringen wollte. Als die Mitternachtsstunde nahte und er sich
überzeugt hatte, daß die Knechte und Mägde des Hofes fest
schliefen, spannte er mit Hülse Rickcles das Brüunele vor
das Wägele und führte das Gefährt leise zum Hofthor, wo die
Zigeuner mit der wohlvcrpackten Leiche schon seiner harrten. —
Das war eine gar traurige Fahrt, und dem armen Peterle ward
es vorne auf dem Wagen, mit der tobten Großmutter hinter
sich, und umringt von den leise wimmernden Zigeunern, in der
dunkeln Nacht oft recht gruselig zu Muthe. — Jenseits der
Grenze luden die Trauernden die theure Verstorbene wieder ab
i und verschwanden im nächsten Walde. Peterle aber jagte nach
Toleranz.
Fremder: „Warum heißt denn dieses Wirthshans: zur
Toleranz?" — Einheimischer: „Weil da Einer Christ, Jud',
Heid' oder Türk' sein mag — zahlen muß ein Jeder!"
Probe.
Das höchste Lob dafür, was du gedacht.
Wird dir von dem, der es vernimmt, verkündet,
Wenn er zuerst von Herzen drüber lacht.
Und später es verteufelt ernsthaft findet.
Crassus.
Hanse und >vnr froh, als er wieder daheim bei seinem Rickele
war. Das Rickele aber war gar nicht froh, als es am nächsten
Morgen entdeckte, daß der Peterle in der Nacht sein fettestes
Schwein über die Grenze gefahren hatte und daß die tobte Groß-
mutter noch im Waldhäusle lag. o
,
Verwechslung.
Der Moosbaner hatte ein Gesicht und einen Stall voll
Kühe, wie man beide zur Landwirthschaft und Viehzucht nicht
passender antreffen kann. An Größe wurde sein Kopf vielleicht
nur von seinem Geldbeutel und der Einbildung übertrosfen, die
er auf seinen Besitz hatte. Alle Nachbarn wußten deßhalb
wohl, wie sie mit ihm daran waren. Sein Hochmuth und sein
Geiz waren sprüchwörtlich geworden. Einmal kam er aber doch
in den Fall, sich bei seinen Nachbarn Raths zu erholen. Die
schönste seiner Kühe, welche ganz hinten im Stalle stand, sollte
ein Kalb werfen; aber die Sache verzögerte sich. Der Moos-
bancr hatte sich, um schnell bei der Hand zu sein, im Stalle
und breit berühmten fetten Schweine; auch ein Wäldlc hatte
er an seinem Hof. Als nun eines Nachmittags eine zahlreiche
Zigeunerfamilie mit einer todtkranken Großmutter hülfcflehend
seine Hausthür belagerte, da erlaubte er derselben auf Rickeles
Fürsprache, die Kranke in ein verfallenes Waldhüttle zu legen,
und die Nacht im Wäldle zuzubringen. Auch ein gefallenes
Kälble und Milch für die Kranke wurde den Armen gespendet,
die in ihrer Dankbarkeit dem Rickele fast das Röckle zerküßten. —
In später Abendstunde klopfte ein Zigennermädle an Peterles
Fenster und berichtete mit großem Geschrei, daß die Großmutter
! eben gestorben. Und richtig — als Peter ihr in das Wald-
hänsle folgte, da lag auf dem ans Lumpen bereiteten Lager die
; Leiche des alten Weibes, und rings ans dem Boden kauerten
j heulend und sich die Haare raufend die trauernden Hinterbliebenen.
tlichc Fahrt.
Peterle aber war 40 Jahre alt und bedachte gleich, welche Plage
und Weitläufigkeiten er davon haben würde, wenn er die Leiche
behielte und den Todesfall anzeigcn müßte. Er eilte also nach
Hanse, um Rücksprache mit seiner Ricke zu nehmen, die, obgleich
noch nicht 40 Jahre alt, doch die gescheidtere Ehehälfte war.
Ans ihren Rath beredete er dann die Zigeuner mit Geld und
schönen Worten, um Mitternacht die gut verhüllte Leiche an's
Hofthor zu schaffen, von wo er dieselbe selbst über die Grenze
bringen wollte. Als die Mitternachtsstunde nahte und er sich
überzeugt hatte, daß die Knechte und Mägde des Hofes fest
schliefen, spannte er mit Hülse Rickcles das Brüunele vor
das Wägele und führte das Gefährt leise zum Hofthor, wo die
Zigeuner mit der wohlvcrpackten Leiche schon seiner harrten. —
Das war eine gar traurige Fahrt, und dem armen Peterle ward
es vorne auf dem Wagen, mit der tobten Großmutter hinter
sich, und umringt von den leise wimmernden Zigeunern, in der
dunkeln Nacht oft recht gruselig zu Muthe. — Jenseits der
Grenze luden die Trauernden die theure Verstorbene wieder ab
i und verschwanden im nächsten Walde. Peterle aber jagte nach
Toleranz.
Fremder: „Warum heißt denn dieses Wirthshans: zur
Toleranz?" — Einheimischer: „Weil da Einer Christ, Jud',
Heid' oder Türk' sein mag — zahlen muß ein Jeder!"
Probe.
Das höchste Lob dafür, was du gedacht.
Wird dir von dem, der es vernimmt, verkündet,
Wenn er zuerst von Herzen drüber lacht.
Und später es verteufelt ernsthaft findet.
Crassus.
Hanse und >vnr froh, als er wieder daheim bei seinem Rickele
war. Das Rickele aber war gar nicht froh, als es am nächsten
Morgen entdeckte, daß der Peterle in der Nacht sein fettestes
Schwein über die Grenze gefahren hatte und daß die tobte Groß-
mutter noch im Waldhäusle lag. o
,
Verwechslung.
Der Moosbaner hatte ein Gesicht und einen Stall voll
Kühe, wie man beide zur Landwirthschaft und Viehzucht nicht
passender antreffen kann. An Größe wurde sein Kopf vielleicht
nur von seinem Geldbeutel und der Einbildung übertrosfen, die
er auf seinen Besitz hatte. Alle Nachbarn wußten deßhalb
wohl, wie sie mit ihm daran waren. Sein Hochmuth und sein
Geiz waren sprüchwörtlich geworden. Einmal kam er aber doch
in den Fall, sich bei seinen Nachbarn Raths zu erholen. Die
schönste seiner Kühe, welche ganz hinten im Stalle stand, sollte
ein Kalb werfen; aber die Sache verzögerte sich. Der Moos-
bancr hatte sich, um schnell bei der Hand zu sein, im Stalle
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Peterles nächtliche Fahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1678, S. 94
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg