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Erkämpft.

mit bewegter Stimme und wischte sich eine Thräne aus den
grauen Wimpern.

„Und Du, Bertha, hast Du nichts zu bestellen? Ich
habe ihn lieb! Seitdem ich mit Dir verlobt bin, habe ich ihn
näher kennen gelernt; er steht so allein in der Welt, ist immer
so trübe gestimmt — es wird ihm wohl thun, wenn ich ihm
erzählen kann, daß Ihr seiner in Liebe gedenkt!"

„Sage ihm, er soll sich schonen!" sprach Bertha leise —
und bewußtlos fiel sie zu Boden.

Der, Graf Marwitz trat erschrocken näher und trug sie
vereint mit ihrem Vater auf ein nahes Sopha. „Was war
das, um Gotteswillcn, was war das?" rief er und sah starr
auf das bleiche Gesicht, die geschlossenen Augen seiner Braut,
„ich erkenne sie nicht wieder — sie, die so muthig und stark
schien, wird so Plötzlich von ihrer Kraft verlassen!"

„Lass' sic, lass' sie, Alfred," bat der Alte, als sich Marwitz
bemühte, Bertha in's Leben zurückzurufen, „es wird vorüber-
gehen, und ich möchte. Du wärest fort, wenn sic erwacht, sie
würde sonst den Abschied noch einmal zu überstehen haben. Sie 1
hat sich zu viel zugemuthet, indem sie kräftig erscheinen wollte!"
fügte er unsicher hinzu.

„Du hast Recht, Vater — ich will gehen — doch ich
gehe ungern; ist mir's doch, als sollte ich sie nicht wiederum-
armen!" Er drückte einen leisen Kuß auf ihre bleichen Lippen
— dann griff er nach der Hand des Alten. „Leb' wohl!"
sagte er, und sah dem Vater seiner Geliebten fest in die Augen.

„Leb' wohl!" antwortete dieser mit unsicherer Stimme
und schlug die Augen nieder.

Marwitz entging dieses unsichere Wesen des alten Walter
nicht — er wandte sich nach der Thür. Au derselben blieb
er noch einmal stehen; er sah, wie der Alte neben dem Sopha
nicdcrknicte, auf dem Bertha ruhte — er sah ihn weinen. Da
senkte er das Haupt und verließ schwankenden Schrittes das
Zimmer. Nach einigen Minuten saß er zu Pferd und sprengte
mit bleichen Zügen der Residenz zu. — — —

Ungefähr zehn Wochen später saß Bertha als Wiedergenesene
ans ihrem Zimmer. Es war ein ergreifendes Bild, das einst
so fröhliche Mädchen, schwach und gebrochen am Fenster sitzen
zu sehen, von dem aus sie das fröhliche Treiben der Winzer
auf den gegenüberliegenden Bergen, den breiten Strom und die
auf ihn langsam hinziehenden Schiffe, die ganze blühende Natur
überschauen konnte, während in ihr alle Blüthcn erstorben schienen.
Sic war schwer krank geworden nach jenem Abschied von ihrem
Bräutigam, jetzt war sic genesen und schien nicht fröhlich darüber.
Nur einen Brief hatte sie durch einen Boten von Marwitz be-
kommen — er meldete kurz, daß er und Kuno gesund seien.
Er hatte am Abend nach einem Gefecht geschrieben. Sic
dachte seiner mit Wehmuth — sie konnte ihn nicht lieben, so sehr
er sie zu lieben schien — sie liebte Kuno noch mehr wie früher.

„Bertha!" rief da ihr Vater, der die Thürc hastig auf-
riß, „Bertha, bist Du stark genug, viel Freude zu ertragen?"

„Du hast wohl Nachricht von Alfred, Papa?" srüg das
bleiche Mädchen, indem sie zu lächeln versuchte.

„Von Marwitz und durch ihn von Kuno —"

Bertha sprang auf. „Seit einem Jahr hast Du von
Kuno nicht gesprochen, Vater — es muß Erfreuliches sein, was
Du meldest — sprich, sprich schnell!" Die Wangen Bertha's
hatten sich geröthet, ihre Augen glänzten, und bittend sah sie
ihren Vater an.

„Sehr Erfreuliches bringe ich Dir — bist Du stark genug,
es zu hören?"

„Gewiß, Väterchen — bitte, laß' mich nicht warten!"

Der Alte zog einen Brief aus der Tasche, den ihm vor
einer Stunde ein vom Kriegsschauplatz an den Fürsten abge-
sandter Courier im Vorbeireiten überbracht hatte. Er war von
Marwitz. „Ich will Dir Alfreds Brief vorlesen, Bertha —
sei auf viel Neues gefaßt!" Er entfaltete das Schreiben und las:

„Mein lieber Herr von Walter!

Sie verzeihen, wenn ich das vertrauliche „Du", welches
Sie mir seit meiner Verlobung mit Ihrer Fräulein Tochter —
„Was soll das heißen, Vater?" frug Bertha erschrocken.
„Höre geduldig zu, mein liebes Kind!"

Der Alte las weiter:

— seit meiner Verlobung mit Ihrer Fräulein Tochter Ihnen
gegenüber zu gebrauchen erlaubten, mit dem formelleren „Sie"
vertausche. Ich schreibe diesen Brief von einem Lazarett)
aus, in welchem ich mich als Reconvalescent befinde, während
Kuno von Walter in demselben noch verwundet liegt —

„Mein Gott, mein Gott!" rief Bertha und brach in
Thränen aus.

Der Alte hatte Mühe, sic zu beruhigen. „Ich versprach
Dir, Erfreuliches zu bringen, sei ruhig und höre weiter!" Herr
von Walter fuhr fort zu lesen, während Bertha ihm gespannt folgte:

— Ihr Nesse war mit mir in einem Gefecht schwer ver-
wundet worden — doch befindet er sich jetzt außer aller Ge-
fahr. In 14 Tagen wird er nach der Meinung der Aerzte
kräftig genug sein, den Transport nach der Heimath aushalten
zu können. Er wurde verwundet, indem er mir das Leben rettete.
Mein Regiment kam am 16. des vorigen Monats in's Ge-
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Erkämpft"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Russlandfeldzug <1812, Motiv>
Brief <Motiv>
Bräutigam <Motiv>
Karikatur
Vater <Motiv>
Wanduhr
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1679, S. 98

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