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Gold n in m c r.
die in der Residenz in einem gräflichen Hause gedient hatte,
war vor fünf Jahren gestorben, und das Kind war das Ver-
mächtuiß, welches er von seiner Tochter überkaiu.
„Bring' Dir 'was Schön's mit, Rosel!" rief er dem
Kinde ermniitcriid zu, „und Dir auch, Alte!" wendete er sich
an die Försterin, welche, da cs noch dunkel war, mit der Laterne
am Wagen stand. Und fort ging's die wohlbekannte Straße.
Im Forstamte traf er nur den Amtsdiener; ■ von den
übrigen Beamten war in der leeren Kanzlei keine Spur. „Hab'
mir's ja gedacht," meinte der Förster, „sie werden heute frei haben."
„Ist auch so," sagte leise der Amtsdiener, „denn sie haben
sich's nicht nehmen lassen!"
„Dann möcht' ich wissen, wozu man mich hereinnarrt,
wenn kein Mensch da ist."
„Doch, doch, Herr Förster! ... Da drin sitzt der Herr
Forstrath."
Als der Förster bei demselben eintrat, war er erstaunt
über den Comfort und die Eleganz der Kanzleieinrichtiing, welche
von jener der andern Bnreauzimmer gar gewaltig abstach.
Noch mehr aber ward der gute Förster überrascht, als er in
dem neuen Forstrath einen fein aber stolz sich benehmenden
jungen Mann von kaum dreißig Jahren vor sich sah. Während
seiner mehr als vierzigjährigen Praxis hatte Reiiifeldcr noch
nie einen Forstrath gesehen, der nicht wenigstens graue Haare
besaß. Verlegen gemacht durch diese Abart von dem Gewohnten
kraute sich Reinfelder in den dichten Locken seines Kopfes.
■ „Förster Reinfelder?" fragte der Forstrath, und sah mit
einer Art Spott nach ihm.
„Zn dienen, Herr Forstrath."
„Hier habe ich Ihren Schlnßausweis. Das ist ja ein
völliger Unsinn!"
„Herr Forstrath. . . ."
„Haben Sie denn nicht die neuen Verordnungen bekommen?"
„Wohl, Herr Forstrath!"
„Dann haben Sie dieselben — nicht gelesen!"
„Wohl, Herr Forstrath!"
„Aber nicht verstanden! Da sehen Sic her, Alles in
falschen Rubriken!"
„Kann schon sein, Herr Forstrath, aber richtig bis auf's
J-Tipferl ist doch Alles, und wer's versteht, kennt sich schon ans!"
„Ich bin nicht so glücklich! . . ."
„Ist nicht meine Schuld, Herr Forstrath."
„Wessen denn, he?"
„Herr Forstrath verzeihen, aber um eine Sach' zu ver-
stehen, muß man sich eine — Zeit darin nmgethan haben!"
„So?! . . . Nun, wir werden nicht viel reden darüber!
Sic haben vierzig Jahre Dienstzeit hinter sich — das wollt'
ich Ihnen sagen, und daß wir junge Kräfte brauchen!"
„Ah! ... da will's hinaus? . . . Den Peiisionsbogcii
mit der schmalen Küche soll ich kriegen? . . . Muß wo ein
junges Bürscherl untergebracht werden?"
„Vergessen Sie nicht, mit wem Sie reden!"
„Ei was! Kommt man mir so, so komm' ich so!"
„Wir sind schon fertig!"
„In Gott'snam'! Aber das sag' ich Ihnen, wenn Sie
! die noch gesunden, aber sachverständigen Leute hinausbugsiren,
! daun werden Sie am grünen Tisch sitzen, aber das schöne,
grüne Waldleben wird zu Grunde gehen!"
„Ruhe, Herr Förster!"
„Und deßwegen haben Sie mich gerade zur heiligen
Weihnacht hereingesprengt!?"
„Der Dienst kennt keine Festtage!"
„Wenn Sie ein Familienvater wären, möchten Sie anders
denken! Oder sind Sic Familienvater, dann bedaure ich Ihre
Familie!"
„Entfernen Sic sich, oder. . . ."
„Ich gehe schon, Herr Forstrath!" Ohne Gruß drehte
sich der Förster zürnend um, und ging mit festen Schritten
hinaus. Er polterte die Treppe hinab und beim Thorc des
Gebäudes der Forstdirection hinaus. Ohne zu wissen, wohin
und warum, eilte der erregte Mann durch die Straßen, bis
er endlich ans dem Marktplätze inne hielt, als wäre er jetzt
erst zur Besinnung gekommen. Grollend und doch auch weh-
müthig murmelte er: „Du hast schier ein halbes Jahrhundert
treu deine Schuldigkeit gethan, und nun, wenn du auch noch
jetzt der beste Forstmann des Bezirks bist, mußt du ein
Esel sein, damit irgend ein Flaumbart deinen Platz ciniiimmt!"
Nun dachte er erst au sein Weib, au seine Enkelin. „Schöne
Weihnacht bringe ich da heim!" sagte er zu sich. „Es wäre
besser, ich ginge gar nicht nach Hause! Aber was wäre das
für eine Nacht für die Arme»! . . . Nein, heim mußt du, aber
erst morgen sollen sie erfahren, was dir passirt ist!"
Da siel ihm ein, sich zum Oberforstrath zu begeben und
ihm von seinem Jammer zu erzählen; aber er dachte, „der
Gold n in m c r.
die in der Residenz in einem gräflichen Hause gedient hatte,
war vor fünf Jahren gestorben, und das Kind war das Ver-
mächtuiß, welches er von seiner Tochter überkaiu.
„Bring' Dir 'was Schön's mit, Rosel!" rief er dem
Kinde ermniitcriid zu, „und Dir auch, Alte!" wendete er sich
an die Försterin, welche, da cs noch dunkel war, mit der Laterne
am Wagen stand. Und fort ging's die wohlbekannte Straße.
Im Forstamte traf er nur den Amtsdiener; ■ von den
übrigen Beamten war in der leeren Kanzlei keine Spur. „Hab'
mir's ja gedacht," meinte der Förster, „sie werden heute frei haben."
„Ist auch so," sagte leise der Amtsdiener, „denn sie haben
sich's nicht nehmen lassen!"
„Dann möcht' ich wissen, wozu man mich hereinnarrt,
wenn kein Mensch da ist."
„Doch, doch, Herr Förster! ... Da drin sitzt der Herr
Forstrath."
Als der Förster bei demselben eintrat, war er erstaunt
über den Comfort und die Eleganz der Kanzleieinrichtiing, welche
von jener der andern Bnreauzimmer gar gewaltig abstach.
Noch mehr aber ward der gute Förster überrascht, als er in
dem neuen Forstrath einen fein aber stolz sich benehmenden
jungen Mann von kaum dreißig Jahren vor sich sah. Während
seiner mehr als vierzigjährigen Praxis hatte Reiiifeldcr noch
nie einen Forstrath gesehen, der nicht wenigstens graue Haare
besaß. Verlegen gemacht durch diese Abart von dem Gewohnten
kraute sich Reinfelder in den dichten Locken seines Kopfes.
■ „Förster Reinfelder?" fragte der Forstrath, und sah mit
einer Art Spott nach ihm.
„Zn dienen, Herr Forstrath."
„Hier habe ich Ihren Schlnßausweis. Das ist ja ein
völliger Unsinn!"
„Herr Forstrath. . . ."
„Haben Sie denn nicht die neuen Verordnungen bekommen?"
„Wohl, Herr Forstrath!"
„Dann haben Sie dieselben — nicht gelesen!"
„Wohl, Herr Forstrath!"
„Aber nicht verstanden! Da sehen Sic her, Alles in
falschen Rubriken!"
„Kann schon sein, Herr Forstrath, aber richtig bis auf's
J-Tipferl ist doch Alles, und wer's versteht, kennt sich schon ans!"
„Ich bin nicht so glücklich! . . ."
„Ist nicht meine Schuld, Herr Forstrath."
„Wessen denn, he?"
„Herr Forstrath verzeihen, aber um eine Sach' zu ver-
stehen, muß man sich eine — Zeit darin nmgethan haben!"
„So?! . . . Nun, wir werden nicht viel reden darüber!
Sic haben vierzig Jahre Dienstzeit hinter sich — das wollt'
ich Ihnen sagen, und daß wir junge Kräfte brauchen!"
„Ah! ... da will's hinaus? . . . Den Peiisionsbogcii
mit der schmalen Küche soll ich kriegen? . . . Muß wo ein
junges Bürscherl untergebracht werden?"
„Vergessen Sie nicht, mit wem Sie reden!"
„Ei was! Kommt man mir so, so komm' ich so!"
„Wir sind schon fertig!"
„In Gott'snam'! Aber das sag' ich Ihnen, wenn Sie
! die noch gesunden, aber sachverständigen Leute hinausbugsiren,
! daun werden Sie am grünen Tisch sitzen, aber das schöne,
grüne Waldleben wird zu Grunde gehen!"
„Ruhe, Herr Förster!"
„Und deßwegen haben Sie mich gerade zur heiligen
Weihnacht hereingesprengt!?"
„Der Dienst kennt keine Festtage!"
„Wenn Sie ein Familienvater wären, möchten Sie anders
denken! Oder sind Sic Familienvater, dann bedaure ich Ihre
Familie!"
„Entfernen Sic sich, oder. . . ."
„Ich gehe schon, Herr Forstrath!" Ohne Gruß drehte
sich der Förster zürnend um, und ging mit festen Schritten
hinaus. Er polterte die Treppe hinab und beim Thorc des
Gebäudes der Forstdirection hinaus. Ohne zu wissen, wohin
und warum, eilte der erregte Mann durch die Straßen, bis
er endlich ans dem Marktplätze inne hielt, als wäre er jetzt
erst zur Besinnung gekommen. Grollend und doch auch weh-
müthig murmelte er: „Du hast schier ein halbes Jahrhundert
treu deine Schuldigkeit gethan, und nun, wenn du auch noch
jetzt der beste Forstmann des Bezirks bist, mußt du ein
Esel sein, damit irgend ein Flaumbart deinen Platz ciniiimmt!"
Nun dachte er erst au sein Weib, au seine Enkelin. „Schöne
Weihnacht bringe ich da heim!" sagte er zu sich. „Es wäre
besser, ich ginge gar nicht nach Hause! Aber was wäre das
für eine Nacht für die Arme»! . . . Nein, heim mußt du, aber
erst morgen sollen sie erfahren, was dir passirt ist!"
Da siel ihm ein, sich zum Oberforstrath zu begeben und
ihm von seinem Jammer zu erzählen; aber er dachte, „der
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Goldammer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1691, S. 194
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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg