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Ein gutes

„Hm, hm! An Wen habe ich den doch verkauft! Den
müssen wir ja auch einschreiben." — Herr Pickel machte ein
Gesicht, als sei ihm beim Essen des saftigsten Gänsebratens
ein Knochen in der Kehle stecken geblieben.

Frau Pickel suchte ihrem Manne beizuspringen und den
Knochen zu entfernen: „Vielleicht Roscnmüllcr? Mit dem hast
Du ja eine ganze Stunde herumgehandelt!"

„Nein, Rosenmüller nicht."

„Dann wär's wohl Brettnagcl?"

„Auch der nicht."

Frau Pickel nannte noch zehn andere Namen; Herr Pickel
schüttelte zu allen den Kopf. Der Knochen schien ihm immer
unangenehmer zu werden; der Meister schnitt alle möglichen
Grimassen, schlug mit der Faust ans den Tisch, daß die Lampe
wackelte, stürzte einen Kümmel hinunter, um seinem Gehirn
auf die Sprünge zu helfen — vergebens! Er konnte sich
absolut nicht mehr erinnern, wer den schönen Sattel mit-
genommen hatte. Karlchen wurde ans dem Bette geholt und
auf sein Gewissen gefragt, ob er nicht gesehen, wer den schönen
Sattei gekauft habe, aber Karlchen kannte noch nicht alle
Kunden, und war zu beschäftigt gewesen, als daß er sich
die Physiognomie des Käufers hätte einprägen können. „Ich
bin," bemerkte Karlchen sehr richtig, „noch nicht Manns genug,
um das ganze Geschäft zu übersehen."

Da war guter Rath theuer. Karlchen wurde mit dein
Befehle wieder zu Bett geschickt, ernstlich nachzudenken und am
nächsten Morgen eine genaue Personalbeschreibung des Sattcl-
känfcrs zu geben. Herr und Frau Pickel aber setzten sich etwas
mißgestimmt wieder zu ihrem Geldhauscn, um denselben weiter
zu zählen. „Morgen," meinte Pickel, „werde ich schon auf
den Richtigen kommen." So sagte er, aber er glaubte cs
selbst nicht.

Es vergingen acht, cs vergingen vierzehn Tage, ohne daß
Herr Pickel um einen Pfifferling klüger geworden wäre. Im
Gcgentheil, je mehr er über den Fall nachdachte, um so dunkler
wurde ihm derselbe. Der sonst so heiter dreinschauende
Mann war jetzt häufig mürrisch und handelte bisweilen wie
geistesabwesend. Es kam vor, daß er nur mit einem Stiefel
in den Laden kam, daß er Karlchen mit „Sie" anredete und
dem Dienstmädchen in die Backe kniff statt seinem Rickchen.

Seiner Frau machte das viele Sorgen; sie sagte aber
nicht, wie manche an ihrer Stelle wohl gcthan haben würde:
O diese Männer! sic sagte vielmehr: O dieser Sattel! Als
resolutes Weibchen beschloß sie endlich, der Geschichte ein Ende
zu machen. Als sic mit dem Gemahl eines Abends wieder
beim Geldzählen saß, da begann sie mit sanften Vorwürfen
wegen seiner Grübelei: den Sattel könne man schon verschmerzen;
Gott sei Dank, das Geschäft gehe ja so, daß man mit der
Zeit doch zu etwas kommen werde, auch wenn noch einmal
ein Sattel verloren gehen sollte. „Wenn Du aber," so schloß
sie, „den Sattel partout bezahlt haben willst, so werde ich Dir
ein einfaches Mittel sagen: Du schreibst den Sattel jedem
Deiner Kunden auf die Jahresrechnung, und dann werden sich
bei der Bezahlung der Rechnung diejenigen schon melden, die

G c s ch ü f t.

den Sattel nicht geholt haben. Derjenige aber, der ihn geholt
hat, wird ihn auch mit bezahlen."

Das leuchtete dem Manne ein. Halt, dachte er, dabei
läßt sich vielleicht noch ein gutes Geschäft machen; möglicher
Weise bezahlen Mehrere den Sattel! Wie viele Landleute
gibt cs wohl, welche deine Jahresrechnungen genau durchsehen?
wie Mancher bezahlt nicht, der sich nur die Summa angcschaut
hat! — Pickel's Gesicht verklärte sich just so, wie in jenem seligen
Augenblicke, als sein Rickchen, damals noch Jungfer Rickchen,
auf seine pathetische Liebeswerbung erwidert hatte: „Ach, machen
Sic's nur nicht gar zu feierlich, Herr Pickel, ich will ja!"

Heute sagte er, daß er wolle.

Es war noch ungefähr ein Vierteljahr bis Neujahr; die
Zeit verging Pickel unendlich langsam, aber sic verging. Es
war ihm doch etwas bang um das Herz, als er jedem Kunden
— es waren in Summa 31 — auf die Rechnung setzte:
„10. September ... 1 Sattel ... 35 Thlr."

Aber was blieb ihm übrig? Nur so konnte er zu.seinem
Geldc kommen.

Mit Bangen harrte er des ersten Kunden, der ihm wegen
dieses ungerechtfertigten Postens den Kopf waschen würde. Er
zog den Lehrling ein wenig in das Geheimnis;, indem er ihm
sagte: jedesmal, wenn er, der Meister, ihn wegen eines Sattels
zur Rede stellen, und ihn wohl gar seine Hand fühlen lassen
sollte, möge Karlchen nichts weiter sagen als: er werde künftig
aufmerksamer sein. Jede Ohrfeige, die Karlchen in dieser
Sattclangelegcnhcit erhalte, werde ihm mit 50 Pfennig ver-
gütet werden, — so wahr er Meister Pickel und Karlchen ein
dummer Junge sei! Die Aussicht auf diese Ohrfeigen machte
Karlchen zum glücklichsten Menschen.

Etwa vier Wochen später bezahlte einer der Einunddreißig,
ein Herr Jost, seine Rechnung und — den Sattel mit. Das
ist ein guter Anfang! dachte Pickel; nur noch 30 mal so, und
ich bin ein geiuachter Mann.

-- (Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein gutes Geschäft"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsdatum
um 1881
Entstehungsdatum (normiert)
1876 - 1886
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 74.1881, Nr. 1872, S. 186

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