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bald hier bald da unter den auf meinem Pulte liegenden Piecen
311 thnn machte, störte mich nicht im Geringsten. Ich fetzte mit
einer wahren Todesverachtung und war vollkommen überzeugt.
Alles auf's beste zu erledigen.

Schneller, als ich's geahnt, sollte ich andern Sinnes werden.

Acht Tage lang hatte ich im Schweiße meines Angesichts
registrirt. Wie ich am Morgen des neunten in das Bureau
trete, erblicke ich daselbst zwei Majore, einen Oberstlieutenant
und drei Herren in Civil, anscheinend in vollständiger Rath-
losigkeit durcheinanderwirbeln.

„Liebster Kreuzschnabel", fahrt der eine Major auf mich
los, „was in aller Welt haben Sie da wieder angerichtet? Die
ganze Registratur ist ja aus dem Leim!"

„Die Registratur ist aus dem Leim?" fragte ich kaltblütig
zurück, „na, Kinderchens! Dann leimt sie wieder zusammen.
Wozu seid Ihr hier? Ihr habt ja weiter nichts zu thnn."

Die Herren sahen mit allen Zeichen des Entsetzens ein-
ander an.

„Wissen Sie, Kreuzschnäbelchen?" ließ sich der Abtheilnngs-
chef im sanftesten Tone von der Welt vernehmen, „da Sie ein
so großes Gewicht auf das Leimen zu legen scheinen — wie
wär's, wenn Sie's 'mal in der historischen Abtheilung versuchten?
Bei uns hier ... ist mehr das Meißeln an der Tages-
ordnung. Wir bilden und bauen, aber leimen nicht."

„Aber, Herr Oberst!" leimte ich nun meinerseits.

„Meinen besten Dank, Kreuzschnäbelchen!" lispelte der Herr
Oberst und winkte mir mit vollendeter Grazie ein „Adieu" zu.

Ich verbeugte mich und ging. „Immer tapfer, Kreuzschnabel!"
ermuthigte ich mich, „durch mußt du, es mag kommen wie es
will! Bist du durch die Feldzüge gekommen, kommst du auch
durch den großen Generalstab."

Pünktlich mit dem Beginn der Dienststunden stand ich am
folgenden Tage vor dem Oberst v. Witzleben II, der den Vorsitz
in der historischen Abtheilung führte und mich bereits erwartete.

großen Generalstabe erging.

Der war nun zwar auch ein grundgelehrter Herr, aber seine
Persönlichkeit war mir wenigstens insofern sympathisch, als er
zu den gutmüthig derben offenen Charakteren zählte, die frank
und frei von der Leber weg sprechen.

„Na . . . Sie alter Sünder?" begrüßte er mich, „kommen
Sie endlich auch uns Visite abstatten? Nun sagen Sic mal,
liebster, bester Kreuzschnabel! Sie sind nun schon einen vollen
Monat im großen Generalstabe. Haben Sie denn schon Einiges
profitirt?"

„Ich denke doch, Herr Oberst! Ich verstehe mich auf die
Vermessung der Dünen. Ich kenne den Registraturdienst, habe
eine Menge von geographischen Namen auswendig gelernt, weiß
mit der Curvc und mit der Radlinie Bescheid, habe eine Idee
vom gleichschenkligen Dreieck —"

„Das Alles, bester Kreuzschnabel, werden Sie bei mir nicht
brauchen. Sie haben hier weiter nichts zu thnn, als meinen
Mitarbeitern die Quellen zugänglich zu machen, auf welche sie
bei ihren literarischen Arbeiten zurückgehen müssen."

„Gut, Herr Oberst! Ich werde das schon zur allseitigen
Zufriedenheit besorgen."

„Na . . . dann fangen Sic in Gottes Namen an."

Und mjt jenem Feuereifer, mit dem ich alles Neue erfaßte,
begann ich meine Funktionen als Quellenfindcr. Es war ein
jammervoller Dienst. Jedem der Herren Mitarbeiter mußte ich
das Material zu seinem „geistigen Schaffen" aufbauen, mußte
tagelang in alten bestäubten Folianten herumwühlen und Hunderte
von historischen und militärischen Werken durchblärtcrn.

Mitunter traf ich's, häufiger aber auch nicht, und dann
hieß es: „Unser guter Kreuzschnabel hat wieder einmal nicht
verstanden. Er ist gar sehr schwerhörig."

Da passirte mir endlich ein ganz absonderlicher Streich.

Kommt da eines Tages auch so ein Federheld der jüngeren
Schule, die Brille auf der Nase, schlank und dürr wie eine
Giraffe, der richtige Professor in Uniform, auf mein Bureau.

„Oberstleutnant Kraizschnabel", krähte er los, „brauche
eine Quelle . . . Dingsda über Friedrich den Großen . . .

Ä ä—h! Berichtigungen über Schlacht von Molwitz! . . .
Äh! . . . Nicolai, wenn ich nicht irre. Nicolai's charakteristische
Anekdoten von Friedrich dem Zweiten. Bitte suchen Sie. mir
doch das Buch und die Stelle darin so bald als möglich." j

„Nikolai?" nickte ich, „ist mir bekannt.,, Dabei kam mir
plötzlich und ich kann es heut noch nicht begreifen, wie, der
alte Feldwebel Nikolai vom . . . ten Grenadier-Regiment in
den Sinn, welcher Mitarbeiter am „Soldatenfreund" war und
der sich einst gerühmt hatte, er schriebe seine Anekdoten und
Charakterzüge über Friedrich den Großen nach einer höchst
werthvollen, authentischen Quelle, die nur noch in einem einzigen
Exemplar, das er zufällig besitze, vorhanden sei. Dieses Exemplar
der historischen Abtheilung zugänglich zu machen, erschien mir
als der höchste Triumph meines Quellenfinderpostens.

Ich setzte sofort ein Telegrauim an das erwähnte Regiments-
bureau auf: Feldwebel Nikolai möge das Buch, nach welchem
er seine Anekdoten schriebe, dem Generalstabe auf kurze Zeit
zur Verfügung stellen oder wenigstens Titel, Verfasser und

194 Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wie es dem Oberstlieutenant Kornschnabel im großen Generalstabe erging"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 78.1883, Nr. 1977, S. 194

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