210
Aus meinem Trutz-Schänkenbuch.
Ich aber beim Glas noch im letzten Kuß
Besiegle Dir meine Treue!
Die Braut aus der Goldwage.
(Ein prosaischer Roman.)
Melitta und Erwin liebten sich. Erwin trat vor
Melitta's Vater hin und bat um die Hand seiner Melitta.
Aber der gestrenge Vater sagte: „Nichts da! Meine Tochter ist
nur mit Gold auszuwiegen." — Erwin war niedergeschmettert,
denn er besaß weder Gold noch Stellung, nur Zuneigung.
Schon wollte er dem stolzen Vater den Rücken kehren, da zuckte
ihm ein Ge-
danke durch' s
Gehirn:
„Schriftlich!"
sagte er. Der
Vater lächelte,
setzte sich hin
und schrieb:
„Herr Erwin
Habenichts
erhält meine
Tochter zur Frau, wenn er sie mit Gold aufwiegen kann."
Erwin löste ein Eisenbahnbillet nach Calisornien, dort wo die
Goldminen am dicksten sind. Er grub und grub; der Leser
vermuthet, er werde Gold finden, ja Kuchen, — und nicht einmal
diesen. Aber der Muth unb die Leidenschaft für Melitta er-
loschen nicht in seiner Brust. Die Beiden schrieben sich täglich
Briese. Erwin wollte nicht eher ruhen, bis er sie mit Gold
auswiegen könne. Melitta ließ sich heimlich wiegen und sandte
Die Braut auf der Goldwage,
ihm das Ge-
wicht ; im
Golde hätte
das gerade
35000 Doll,
betragen. Er-
win hatte nun
nur mehr
einen Gedan-
ken: 35000 Dollars zu verdienen. Siehe da! Das Glück war
ihm günstig; er entdeckte ein Goldlager und grub und grub, und
nach kaum 8 Wochen hatte er 26000 Dollars herausgegraben.
Es ging ihm zu langsam, er verlegte sich auf's Kartenspiel;
Fortuna lächelte ihm auch hier; nach weiteren 3 Wochen hatte
er die runde Summe von 33000 Dollars beisammen. Also
ganz nahe am
Ziel. Da wen-
dete sich sein
Glück — an
einem einzigen
Abend verlor
er 4OOODoll.
— er besaß
nur mehr
29000 Doll.
Verzweiflung
bemächtigte sich seiner. Es war gerade sein Geburtstag. Da
kam ein Brief von ihr. Was schrieb sie? „Geliebter! Durch
consequentes Fasten ist es mir gelungen mein Gewicht herabzn-
setzen; ich wiege, in Gold ausgedrückt, nur mehr 29000 Dollars;
Du siehst, daß nicht nur Du allein fleißig an unserem Glück
gearbeitet hast" . . . „Hurrah!" rief Erwin, und eilte zur Bahn.
In kaum 14 Tagen betrat er das Haus seiner Braut, des
heldenmüthigen, edlen Mädchens, welches sich während der ganzen
Zeit auf die nothwendigste Nahrung beschränkt hatte. — Sie
hatte inzwischen wieder 1500 Dollars im Gewicht verloren.
— Erwin erschrack allerdings, als er Melitta sah, die ihre
frühere Formensülle bis ans die Erinnerung eingebüßt hatte.
— In aller Eile wurde eine Wage herbeigeholt, — das
Gewicht stimmte. — Melitta's Vater kam mit seinem Segen
herbeigeeilt. _
Aus meinem Trutz-Schänkenbuch.
Ich aber beim Glas noch im letzten Kuß
Besiegle Dir meine Treue!
Die Braut aus der Goldwage.
(Ein prosaischer Roman.)
Melitta und Erwin liebten sich. Erwin trat vor
Melitta's Vater hin und bat um die Hand seiner Melitta.
Aber der gestrenge Vater sagte: „Nichts da! Meine Tochter ist
nur mit Gold auszuwiegen." — Erwin war niedergeschmettert,
denn er besaß weder Gold noch Stellung, nur Zuneigung.
Schon wollte er dem stolzen Vater den Rücken kehren, da zuckte
ihm ein Ge-
danke durch' s
Gehirn:
„Schriftlich!"
sagte er. Der
Vater lächelte,
setzte sich hin
und schrieb:
„Herr Erwin
Habenichts
erhält meine
Tochter zur Frau, wenn er sie mit Gold aufwiegen kann."
Erwin löste ein Eisenbahnbillet nach Calisornien, dort wo die
Goldminen am dicksten sind. Er grub und grub; der Leser
vermuthet, er werde Gold finden, ja Kuchen, — und nicht einmal
diesen. Aber der Muth unb die Leidenschaft für Melitta er-
loschen nicht in seiner Brust. Die Beiden schrieben sich täglich
Briese. Erwin wollte nicht eher ruhen, bis er sie mit Gold
auswiegen könne. Melitta ließ sich heimlich wiegen und sandte
Die Braut auf der Goldwage,
ihm das Ge-
wicht ; im
Golde hätte
das gerade
35000 Doll,
betragen. Er-
win hatte nun
nur mehr
einen Gedan-
ken: 35000 Dollars zu verdienen. Siehe da! Das Glück war
ihm günstig; er entdeckte ein Goldlager und grub und grub, und
nach kaum 8 Wochen hatte er 26000 Dollars herausgegraben.
Es ging ihm zu langsam, er verlegte sich auf's Kartenspiel;
Fortuna lächelte ihm auch hier; nach weiteren 3 Wochen hatte
er die runde Summe von 33000 Dollars beisammen. Also
ganz nahe am
Ziel. Da wen-
dete sich sein
Glück — an
einem einzigen
Abend verlor
er 4OOODoll.
— er besaß
nur mehr
29000 Doll.
Verzweiflung
bemächtigte sich seiner. Es war gerade sein Geburtstag. Da
kam ein Brief von ihr. Was schrieb sie? „Geliebter! Durch
consequentes Fasten ist es mir gelungen mein Gewicht herabzn-
setzen; ich wiege, in Gold ausgedrückt, nur mehr 29000 Dollars;
Du siehst, daß nicht nur Du allein fleißig an unserem Glück
gearbeitet hast" . . . „Hurrah!" rief Erwin, und eilte zur Bahn.
In kaum 14 Tagen betrat er das Haus seiner Braut, des
heldenmüthigen, edlen Mädchens, welches sich während der ganzen
Zeit auf die nothwendigste Nahrung beschränkt hatte. — Sie
hatte inzwischen wieder 1500 Dollars im Gewicht verloren.
— Erwin erschrack allerdings, als er Melitta sah, die ihre
frühere Formensülle bis ans die Erinnerung eingebüßt hatte.
— In aller Eile wurde eine Wage herbeigeholt, — das
Gewicht stimmte. — Melitta's Vater kam mit seinem Segen
herbeigeeilt. _
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus meinem Trutz-Schänkenbuch" "Die Braut auf der Goldwage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 78.1883, Nr. 1979, S. 210
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg