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Eine orientalische Geschichte.
langer Zeit kam einmal ein abendländischer Reisender, der von
seiner Regierung zur Erforschung fremder Länder ausgesandt
worden war, in die Residenz eines türkischen Statthalters. Am
Morgen des Tages, an welchem der Reisende die Stadt wieder
verlassen wollte, sagte Ibrahim-Pascha zu Murad-Efendi, seinem ersten Würden-
träger: „Des fremden Mannes Gebieter ist ein mächtiger Fürst des Abend-
landes. Er soll mit freundschaftlichen Gedanken von uns scheiden. Ich selber
habe ein edles arabisches Roß für ihn ausgewählt. Geh', entbiete ihm meinen
Gruß und bringe ihm das Roß zum Geschenk. Allah sei mit Dir!" Und
Murad-Efendi begab sich in den Marstall und empfing von dem Oberaufseher
desselben den arabischen Renner, den der Pascha ausgewählt hatte.
Murad-Efendi aber sagte ganz leise zu sich selber: „Wozu braucht denn
eigentlich der fremde Giaur dies edle Pferd?"
Er nahm es deßhalb einstweilen mit nach seinem Hause, ließ einen Roß-
kamm kommen und vertauschte den arabischen Vollbluthengst gegen einen
ganz gewöhnlichen Grauschimmel und 30 Gold-Medschidiös. Die 30 Goldstücke
steckte er in die weite Tasche seines Kaftans. Dann über-
gab er den Grauschimmel seinem Hofmeister Hassan-Aga,
wiederholte diesem die Worte des Paschas mit den nöthigen
Abänderungen und hieß ihn, dem fremden Reisenden das
Roß überbringen.
Auf seinem Wege begegnete dem Hofmeister ein
Maulthiertreiber, und der Anblick eines besonders schönen
Exemplars von Maulesel brachte Hassan-Aga auf einen
einträglichen Gedanken. Nach kurzem Handeln erstand
er gegen den Grauschimmel das besonders schöne Exem-
plar von Maulesel und baare 300 Piaster dazu. Die
letzteren wickelte er vorsichtig in seinen Turban.
Hassan-Aga mochte aber wohl gewichtige Gründe
haben, das eigenartige Geschenk des Paschas nicht selbst
dem Empfänger zu überbringen. Er ging deßhalb zu
einem befreundeten Kaufmann und bat diesen, den Auf-
trag für ihn auszuführen. Die Gründe, die Hassan-Aga
für sein Begehren erfand, erschienen dem Kaufmann trif-
tig genug, und er erklärte sich bereit, dem Wunsche seines
Freundes zu willfahren.
Nun aber betrieb Ali-Babur, der Kaufmann, unter
andern Geschäften auch einen Handel mit Früchten, die
er von seinen Sclaven in der Stadt feilbieten ließ. Aus
diesem Grunde konnte er gerade jetzt den Maulesel ganz
besonders gut gebrauchen und spannte ihn deßhalb vor
einen seiner Fruchtwagen. Sodann griff Ali-Babur von
der Straße einen herrenlosen, halb verhungerten Hund
auf, wusch und schor ihn und legte ihm. ein seidenes
Bändchen um den mageren Hals. Ferner nahm Ali-
Babur ein schönes Gewand aus seinem Laden, hieß einen
seiner Sclaven sich damit bekleiden, instruirte ihn genau
und sandte ihn mit dem abscheulichen Hunde zu dem
fremden Reisenden in die Karawanserei.
Der Abendländer war gerade im Begriffe abzureisen,
als der Gesandte bei ihm eintrat.
„Salem aleikum", begann der Sclave, „möge Dein
Weg mit Rosenblättern aus Schiras bestreut sein! Mein
Herr und Gebieter, der mächtige Ibrahim-Pascha ent-
sendet Dir den Gruß seiner Freundschaft und Treue, und
als Symbol der Treue nimm hier dies Thierlein zum
Geschenk, das mein erhabener Gebieter selbst für Dich
ausgewählt hat. Mögen Quellen der Freude sprudeln,
wo Dein Fuß wandelt! Friede sei mit Dir!"
Dabei übergab der Sclave dem Fremden den häß-
lichen alten Hund, der mit heiserm Bellen um sich biß.
Der abendländische Reisende aber kannte sehr wohl
die Sitten und Gebräuche des Morgenlandes. Er sah
dem Sclaven scharf in die Augen, und Jener senkte scheu
seinen Blick zu Boden.
„Deinem erhabenen Gebieter Gruß und Dank", ent-
gegnete nun der Fremde, „mögen seine Augen sich immer-
dar im Glanze baden, möge sein Haupthaar triefen vom
Oel des Glücks! Sage ihm, meine Seele sei erfreut über
sein herrliches Geschenk und bitte ihn, ein Gegengeschenk
zum guten Angedenken von mir entgegen zu nehmen.
Hier, bringe Deinem mächtigen Herrn diesen Stab! Friede
sei mit Dir!"
Dabei überreichte der Reisende dem Sclaven ein
altes, abgeschabtes Bambusrohr, dessen er sich gewöhnlich
bei Fußwanderungen als Stütze bediente.
Eine orientalische Geschichte.
langer Zeit kam einmal ein abendländischer Reisender, der von
seiner Regierung zur Erforschung fremder Länder ausgesandt
worden war, in die Residenz eines türkischen Statthalters. Am
Morgen des Tages, an welchem der Reisende die Stadt wieder
verlassen wollte, sagte Ibrahim-Pascha zu Murad-Efendi, seinem ersten Würden-
träger: „Des fremden Mannes Gebieter ist ein mächtiger Fürst des Abend-
landes. Er soll mit freundschaftlichen Gedanken von uns scheiden. Ich selber
habe ein edles arabisches Roß für ihn ausgewählt. Geh', entbiete ihm meinen
Gruß und bringe ihm das Roß zum Geschenk. Allah sei mit Dir!" Und
Murad-Efendi begab sich in den Marstall und empfing von dem Oberaufseher
desselben den arabischen Renner, den der Pascha ausgewählt hatte.
Murad-Efendi aber sagte ganz leise zu sich selber: „Wozu braucht denn
eigentlich der fremde Giaur dies edle Pferd?"
Er nahm es deßhalb einstweilen mit nach seinem Hause, ließ einen Roß-
kamm kommen und vertauschte den arabischen Vollbluthengst gegen einen
ganz gewöhnlichen Grauschimmel und 30 Gold-Medschidiös. Die 30 Goldstücke
steckte er in die weite Tasche seines Kaftans. Dann über-
gab er den Grauschimmel seinem Hofmeister Hassan-Aga,
wiederholte diesem die Worte des Paschas mit den nöthigen
Abänderungen und hieß ihn, dem fremden Reisenden das
Roß überbringen.
Auf seinem Wege begegnete dem Hofmeister ein
Maulthiertreiber, und der Anblick eines besonders schönen
Exemplars von Maulesel brachte Hassan-Aga auf einen
einträglichen Gedanken. Nach kurzem Handeln erstand
er gegen den Grauschimmel das besonders schöne Exem-
plar von Maulesel und baare 300 Piaster dazu. Die
letzteren wickelte er vorsichtig in seinen Turban.
Hassan-Aga mochte aber wohl gewichtige Gründe
haben, das eigenartige Geschenk des Paschas nicht selbst
dem Empfänger zu überbringen. Er ging deßhalb zu
einem befreundeten Kaufmann und bat diesen, den Auf-
trag für ihn auszuführen. Die Gründe, die Hassan-Aga
für sein Begehren erfand, erschienen dem Kaufmann trif-
tig genug, und er erklärte sich bereit, dem Wunsche seines
Freundes zu willfahren.
Nun aber betrieb Ali-Babur, der Kaufmann, unter
andern Geschäften auch einen Handel mit Früchten, die
er von seinen Sclaven in der Stadt feilbieten ließ. Aus
diesem Grunde konnte er gerade jetzt den Maulesel ganz
besonders gut gebrauchen und spannte ihn deßhalb vor
einen seiner Fruchtwagen. Sodann griff Ali-Babur von
der Straße einen herrenlosen, halb verhungerten Hund
auf, wusch und schor ihn und legte ihm. ein seidenes
Bändchen um den mageren Hals. Ferner nahm Ali-
Babur ein schönes Gewand aus seinem Laden, hieß einen
seiner Sclaven sich damit bekleiden, instruirte ihn genau
und sandte ihn mit dem abscheulichen Hunde zu dem
fremden Reisenden in die Karawanserei.
Der Abendländer war gerade im Begriffe abzureisen,
als der Gesandte bei ihm eintrat.
„Salem aleikum", begann der Sclave, „möge Dein
Weg mit Rosenblättern aus Schiras bestreut sein! Mein
Herr und Gebieter, der mächtige Ibrahim-Pascha ent-
sendet Dir den Gruß seiner Freundschaft und Treue, und
als Symbol der Treue nimm hier dies Thierlein zum
Geschenk, das mein erhabener Gebieter selbst für Dich
ausgewählt hat. Mögen Quellen der Freude sprudeln,
wo Dein Fuß wandelt! Friede sei mit Dir!"
Dabei übergab der Sclave dem Fremden den häß-
lichen alten Hund, der mit heiserm Bellen um sich biß.
Der abendländische Reisende aber kannte sehr wohl
die Sitten und Gebräuche des Morgenlandes. Er sah
dem Sclaven scharf in die Augen, und Jener senkte scheu
seinen Blick zu Boden.
„Deinem erhabenen Gebieter Gruß und Dank", ent-
gegnete nun der Fremde, „mögen seine Augen sich immer-
dar im Glanze baden, möge sein Haupthaar triefen vom
Oel des Glücks! Sage ihm, meine Seele sei erfreut über
sein herrliches Geschenk und bitte ihn, ein Gegengeschenk
zum guten Angedenken von mir entgegen zu nehmen.
Hier, bringe Deinem mächtigen Herrn diesen Stab! Friede
sei mit Dir!"
Dabei überreichte der Reisende dem Sclaven ein
altes, abgeschabtes Bambusrohr, dessen er sich gewöhnlich
bei Fußwanderungen als Stütze bediente.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine orientalische Geschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 94.1891, Nr. 2375, S. 44
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg