Literatur fin de siede.
dieSch önheit des Häßlichen ent-
deckt worden! Fort mit all' dem Wust
von Blüthenduft und Lenzeszauber,
von Seclenadcl und Hcrzcnsgröße;
das Niedrige, das Gewöhnliche allein
hat noch Recht! Nennt man darum die
besten Namen solcher Werke, so wird
man nur Titel hören wie „Lieder eines
Wurmstichigen" — „angefressene Ge-
schichten" — „aus allen Winkeln"
— „der Traum der Lumpensamm-
lerin" und ähnliche.
Daß bei solchen Bestrebungen die
alten Formen nicht mehr taugen,
daß sich die modernen Dichter auch
nach neuen Klasscnnamcn für ihre
Produkte Umsehen müssen, ist nur
begreislich, und möchten ihnen daher
vielleicht nachfolgende bescheidene An-
regungen nicht ganz unwillkommen
sein. Wie wäre es, wenn man fort-
hin, statt der Humoreske, die Haut-
goutmoreske pflegte, statt des Sonetts,
um gleich den Mißklang anzudcutcn,
den der moderne Dichter in der Seele
erzeugen will, nur noch Dissoncttc
und Mißsvnctte schriebe? Statt der
Epopöe schlagen wir die Hintcrtrep-
popöe vor — wer sieht da nicht
schon vor seinem geistigen Auge den
Schauplatz des Werks! — statt der
Allegorie kann nur noch die Skandal-
egorie existircn, statt des Idylls das
Dynamityll, statt der erotischen Dich-
tung die bankcrotijche. Auch die Roh-
manze hat ihr Recht, und was bisher
lyrisch war, sei nun dclirisch!
Und erst gar der dramatische
Dichter! Welche Fülle von Namen
findet er! Statt des Rührstücks das
Degenerirstück, statt der Posse die
Misanthroposse, statt des Dramas
das Hypochondrama, statt des Melo-
drams das Kümmelodram; dazwischen
hinein vielleicht, statt fader Einakter,
hin und wieder sogar ein kleines
Schweinakterchcn! —
Wir zweifeln nicht, daß es der
genialen Produktivität unserer mo-
dernen Dichter gelingen wird, aus
diesen wenigen Andeutungen eine
großartige Fülle der neuesten häß-
lichst-schönsten Bezeichnungen und
Werke abzuleiten und so der Ver-
armung der Sprache kräftig entgegen
zu wirken!
„Ach, sehen Sie nur, Frau Doktor, eben
liest meine Tochter mit ihrer Freundin die
Verlobungsanzeige von Fräulein Ernestinchen
. . . da kommt diese selbst vorüber!"
„Wie, die ist's?. . So ernst für eine glück-
liche Braut?"
„Glücklich — ich bitte Sie! Sie hat ja
nichts wie ein paar Loose und muß nun mit
dem Heirathen warten, bis die — ge-
zogen werden!"
dieSch önheit des Häßlichen ent-
deckt worden! Fort mit all' dem Wust
von Blüthenduft und Lenzeszauber,
von Seclenadcl und Hcrzcnsgröße;
das Niedrige, das Gewöhnliche allein
hat noch Recht! Nennt man darum die
besten Namen solcher Werke, so wird
man nur Titel hören wie „Lieder eines
Wurmstichigen" — „angefressene Ge-
schichten" — „aus allen Winkeln"
— „der Traum der Lumpensamm-
lerin" und ähnliche.
Daß bei solchen Bestrebungen die
alten Formen nicht mehr taugen,
daß sich die modernen Dichter auch
nach neuen Klasscnnamcn für ihre
Produkte Umsehen müssen, ist nur
begreislich, und möchten ihnen daher
vielleicht nachfolgende bescheidene An-
regungen nicht ganz unwillkommen
sein. Wie wäre es, wenn man fort-
hin, statt der Humoreske, die Haut-
goutmoreske pflegte, statt des Sonetts,
um gleich den Mißklang anzudcutcn,
den der moderne Dichter in der Seele
erzeugen will, nur noch Dissoncttc
und Mißsvnctte schriebe? Statt der
Epopöe schlagen wir die Hintcrtrep-
popöe vor — wer sieht da nicht
schon vor seinem geistigen Auge den
Schauplatz des Werks! — statt der
Allegorie kann nur noch die Skandal-
egorie existircn, statt des Idylls das
Dynamityll, statt der erotischen Dich-
tung die bankcrotijche. Auch die Roh-
manze hat ihr Recht, und was bisher
lyrisch war, sei nun dclirisch!
Und erst gar der dramatische
Dichter! Welche Fülle von Namen
findet er! Statt des Rührstücks das
Degenerirstück, statt der Posse die
Misanthroposse, statt des Dramas
das Hypochondrama, statt des Melo-
drams das Kümmelodram; dazwischen
hinein vielleicht, statt fader Einakter,
hin und wieder sogar ein kleines
Schweinakterchcn! —
Wir zweifeln nicht, daß es der
genialen Produktivität unserer mo-
dernen Dichter gelingen wird, aus
diesen wenigen Andeutungen eine
großartige Fülle der neuesten häß-
lichst-schönsten Bezeichnungen und
Werke abzuleiten und so der Ver-
armung der Sprache kräftig entgegen
zu wirken!
„Ach, sehen Sie nur, Frau Doktor, eben
liest meine Tochter mit ihrer Freundin die
Verlobungsanzeige von Fräulein Ernestinchen
. . . da kommt diese selbst vorüber!"
„Wie, die ist's?. . So ernst für eine glück-
liche Braut?"
„Glücklich — ich bitte Sie! Sie hat ja
nichts wie ein paar Loose und muß nun mit
dem Heirathen warten, bis die — ge-
zogen werden!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lange Qual"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1893
Entstehungsdatum (normiert)
1888 - 1898
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 99.1893, Nr. 2521, S. 185
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg