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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Rückert, Otto: Handwerk und neues Bauen
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Schwab, Alexander: Anmerkungen zur Bauausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0218
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des, der von Hause dazu berufen ist, den Sauer-
teig der menschlichen Gesellschaft abzugeben.
Noch steht das Handwerk an dem Anfang einer
Entwicklung; noch erhitzen sich die Gemüter im
Kampf um das Neue einerseits und um die er-
hoffte Rückkehr zur „guten, alten Zeit". Und
trotzdem dieser Kampf von den „Neuerern" in
der Minderheit geführt wird, werden eines Tages
diese recht behalten, da gegen Entwicklungen,
die auf einem gesunden Boden gewachsen sind,
sich niemand stemmen kann.

Eines erscheint mir jedoch wichtig!

Man sollte gerade das Handwerk zur positiven
Mitarbeit an den neuen Geschehen heranziehen,
ihm Einblick geben in die Dinge der Zeit und
seine Stimme und seinen Rat den Entwicklungen
nutzbar machen. Zurücksetzungen kränken und
wirken zersetzend; gegenseitiges Vertrauen
stärkt dagegen das Verantwortungsgefühl eines
Standes, mildert die Gegensätze und führt zum
endlichen Erfolg, besser als alle anderen Maß-
nahmen äußerer Art.

ANMERKUNGEN ZUR BAUAUSSTELLUNG

ALEXANDER SCHWAB

Aus der Vogelschau.

Die Bauwirtschaft stellt aus, die größte deutsche
Ausstellung seit der Berliner Gewerbeausstellung
1896. derweil gut die Hälfte aller deutschen Bau-
facharbeiter erwerbslos sind. Das bedeutet: die
Bauwirtschaft wirbt um Aufträge. In der Zeit der
lastenden, auf die scharfe Krise folgenden Depres-
sion suchen die wirtschaftlichen und geistigen
Kräfte des Bauwesens der Welt und sich selber zu
zeigen, was sie können, halten einen Generalappell
ab. einen Bereitschaftsappell für kommende bessere
Zeiten. Nun. was die besseren Zeiten anlangt: wir
alle haben Anlaß, uns einen langen Atem zu
wünschen.

Daß für einen solchen Generalappell als Ort
Berlin gewählt wurde, war an sich richtig, ja das
einzig Mögliche. Berlin als Reichshauptstadt, als
Stadt von wachsender internationaler Bedeutung ist
ein objektives Faktum, an dem man bei diesem An-
laß kaum vorbeigehen konnte. Weniger zweifelsfrei
ist. was Berlin als subjektiver Faktor beizutragen
hatte. Als Ausstellungsstadt hat Berlin noch eine
junge, sehr schwankende, unsichere Tradition, eher
sollte man sagen: erbliche Belastung. Die Leitung
der vorjährigen Schau ..Das alte Berlin" war die
erste, die es durchgesetzt hatte, daß der Charakter
ihrer Veranstaltung nicht durch Erscheinungen eines
messemäßigen Rummels beeinträchtigt wurde.
Durch die Anlage des — nunmehr weiter ausgebau-
ten — Messegeländes ist die Aussicht auf eine Ein-
beziehung der lebendigen Stadt selbst in die aus-
stellungspolitische Arbeit Berlins wohl endgültig
verbaut; Berlin hat sich entschlossen, in der guten
Stube zu repräsentieren und bei der Arbeit sich zu
verstecken.

Um das Programm und die Gestaltung der Bau-
ausstellung haben die verschiedensten Kräfte lange
Zeit gerungen. Die Resultante, die aus dem Parallel-
logramm dieser Kräfte hervorging, ist seltsam ge-
nug. Man könnte auf den ersten Blick meinen, der
Kampf um den Typ — Ausstellung oder Messe — sei
reinlich entschieden. So gut wie keine Prospekte,
so gut wie kein Anreißertum. „Lehrschau" heißt das
Stichwort. Aber man braucht nur einmal durch die

Hallen und erst recht durch das Freigelände zu
gehen, so fühlt man: die ganze Ausstellung zittert
vor Konkurrenz. Die Luft ist förmlich geladen mit
stummen, aber darum nicht weniger eindringlichen
Offerten. Am deutlichsten wird das in der Halle der
Baustoffe und beim Stahlbau. ..Wenn Menschen,
schweigen, werden Steine reden."

Es kann wohl nicht gut anders sein. Nachdem alle
Versuche, der Ausstellung eine leitende Idee zu
schaffen, gescheitert waren — gescheitert vielleicht
an der Unzulänglichkeit der Vorschläge, eher noch
an der Abneigung maßgebender Organisationen,
ganz besonders aber an der Konstruktion des Berli-
ner Messeamtes —, nachdem ferner bei den Dimen-
sionen des Projektes eine Finanzierung durch ge-
schäftlich nicht beteiligte Kräfte undenkbar war, er-
weist sich der etwas schulmeisterliche Gedanke
einer Lehrschau als zu schwach, um die Stimmen
der Werbeinstrumente zu einem harmonischen Or-
chester zusammenzufassen. Daraus ergibt sich der
Eindruck des Zuviel, des gegenseitigen Übertönens,
der ermüdenden Massenhaftigkeit, der jedem Unbe-
fangenen, zumal dem Nichtfachmann, sich aufdrängt.

Und gerade an den Nichtfachmann wendet sich
grundsätzlich jede echte Ausstellung, an den Kon-
sumenten, an den großen oder kleinen, aktuellen
oder latenten Auftraggeber, an die öffentliche Mei-
nung, an das Informationsbedürfnis der breiten
Masse. Besonders aber eine Ausstellung, die drei
Monate dauert. Für den Fachmann ist ihre Haupt-
funktion die, ihn aus dem Spezialistentum der
Tagespraxis herauszuheben, ihm den allgemeinen
Stand des ganzen Gebietes, das Neue auf seinem
Teilgebiet und die Zusammenarbeit der Teile zum
Ganzen vor Augen zu führen. Die echte Messe hin-
gegen, die mit gutem Grund in der Regel nur drei
bis sechs Tage dauert, hat in der Hauptsache ge-
schäftliche Zwecke: Information über technische
Neuigkeiten, über Entwicklungstendenzen des Mark-
tes mit Angebot, Nachfrage und Preisen. Hier ge-
hört volle, offene Entfaltung der geschäftlichen Mo-
mente geradezu wesentlich zum Sinn der ganzen
Veranstaltung. Messe bedeutet: Entfesselung der
Konkurrenz.

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