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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Schwab, Alexander: Anmerkungen zur Bauausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0219

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Ausstellung bedeutet nun gewiß nicht: Beseiti-
gung der Konkurrenz: das zu verlangen wäre sinn-
los, solange unser ganzes Wirtschaftsleben grund-
sätzlich — und alle Bindungen des organisierten Ka-
pitalismus ändern daran gar nichts — auf dem Prin-
zip der Konkurrenz aufgebaut ist. Wohl aber bedeu-
tet Ausstellung: Fesselung der Konkurrenz unter
einer leitenden Idee, geistige Bindung der wirt-
schaftlichen Kräfte an einen kulturellen Gedanken,
Unterwerfung der technischen und kommerziellen
Mittel unter einen menschlichen Zweck. Letzten
Endes also: Dokumentierung des Menschen und der
menschlichen Gesellschaft als des eigentlichen
Zweckes und Maßstabes aller materiellen Bemühun-
gen. Darin liegt vielleicht die höchste, freilich auch
schwerste Aufgabe einer ernsthaften Ausstellungs-
politik: an ihrem Teil beizutragen zu der Erkenntnis,
daß unsere Welt aus den Fugen ist. weil das Ver-
hältnis von Zweck und Mittel sich umgekehrt hat,
aber auch, zu ihrem Teil, das richtige Verhältnis
wiederherzustellen, wenn auch gewiß nicht faktisch
so doch bildhaft und dokumentarisch.

Nun, man kann nicht behaupten, daß diese Auf-
gabe von der Leitung der Bauausstellung erfüllt wor-
den sei; sie ist nicht einmal geahnt worden. Ein-
zelne Gruppen, von denen noch zu sprechen sein
wird, machen eine rühmliche Ausnahme. Was man
erreicht hat, ist dies: man hat die Stimme der Kon-
kurrenz gedämpft, sie kann nicht mehr sprechen,
sie brummt nur noch. Damit hat man auch die immer
wertvolle wirtschaftliche Information, die sonst dem
Chor der Offerten zu entnehmen ist, beseitigt. Da-
nach wäre die Ausstellungsleitung verpflichtet ge-
wesen, ihrerseits für eine durchgängige, einheitlich
angelegte Information des Publikums zu sorgen. Sie

hat das nicht getan. Sie hat vielmehr vor das Ganze
als eine Art repräsentative Attrappe den Gedanken
der „Lehrschau" gehängt und glaubte, damit eine
Ausstellung fertig zu haben.

Ob in irgendeinem Stadium mehr gedacht und ge-
plant war, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber es
wäre wohl denkbar, daß man mit besseren Absich-
ten gescheitert ist, als heute erkennbar wird. Denn
die Wirtschaft ist natürlich ein widerspenstiges Ma-
terial; ihre prominenten Vertreter fühlen sich gern
als die berufenen Führer der Völkerschicksale —
ein Mißverständnis der Tatsache, daß unser aller
Schicksal mehr als je vom anonymen Wirken anar-
chischer wirtschaftlicher Entwicklungen abhängig
ist. Verwöhnt durch dieses sehr verbreitete Miß-
verständnis sind die maßgebenden Vertreter der
großen Wirtschaftsgruppen in der Regel wenig ge-
neigt, das über sich ergehen zu lassen, was im
Falle der Berliner Bauausstellung unbedingt nötig
gewesen wäre, nämlich eine scharfe Auswahl, eine
Bewertung durch eine unabhängige, freiwillig von
der Wirtschaft anerkannte Stelle. (Nur in der von
Mies van der Rohe geleiteten Halle II ist etwas
hiervon zu spüren.) Eine solche unabhängige Wer-
tung wäre auch die Voraussetzung für diejenige Art
von Information gewesen, die das Publikum dieser
Ausstellung erwarten durfte. Denn in einer neutra-
len, den Vergleich ermöglichenden Information über
die wirtschaftlichen Fragen des Bauens hätte einer
der größten Werte des Unternehmens liegen kön-
nen, in einer Information, die nicht nach den Inter-
essen der Beteiligten, sondern nach einheitlichen
objektiven Gesichtspunkten des Bedarfs und der
öffentlichen Meinung angeordnet gewesen wäre.

Foto: C. Rehbein, Berlin

Bauausstellung Berlin. Aus der Gruppe „Internationale Ausstellung für Städtebau und W°hnungswese^'. Schaubild „Sied.ungs-
form". Leitung / Direction / Management: Bruno Taut. Einrichtung / Amenagement / Arrangement. Monoly Nagy

Emprunte au groupe de l'Exposition internationale de la construction urbaine et de l'habitation. Vue d'ensemble de la „formes de colonisat.on"
In the group „International Exhibition of Town Planning and Housing" Panorama „Forms of Settlements"

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