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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Rundschau
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Unter der Lupe
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0369

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Ehrenplatz die Staatliche Porzellanmanufaktur Berlin er-
halten, die durch lebendige Aufnahme heutiger Auf-
gaben ihre alte Tradition besser wahrt als die Meißener
Manufaktur, die die zum Teil guten Grundformen ihrer
neuen Service mit einem Dekor versieht, der, so modern
er sich gibt, doch als romantische Nachahmung alter
Formen empfunden wird. Gute reine Formen sind
auch von den Porzellanfabriken Arzberg, Langenthal,
Schorndorf und Waldershof zu finden. Auch von der
Staatlichen Porzellanmanufaktur Nymphenburg, von Hut-
schenreuther und Thomas und von Parafeu-Holland sind
gute undekorierte Formen ausgestellt. Als fehlend wäre

hier zu nennen Krautheim und Adelberg, die ein sehr
gutes, ganz schlichtes Tafelservice herstellen, und Wedg-
wood-Etruria, die ausgezeichnete undekorierte Stein-
zeugservice fabrizieren, deren Formen z. T. schon
150 Jahre alt sind, aber durch ihre Vollkommenheit als
Gebrauchsform noch heute als modern empfunden
werden.

Der Glas- und Porzellanausstellung soll als nächste
Ausstellung der Württembergischen Werkbundgruppe eine
Ausstellung „Metallgerät" folgen, die auch auf diesem
Gebiet die reinen vollkommenen Formen zusammen-
tragen will. Bier

Unter der Lupe

Frank Lloyd Wright und die Kritik

Es mag manchen überrascht haben, daß in vielen deut-
schen Zeitungen eine Erklärung von Frank Lloyd Wright
veröffentlicht wurde, in der er sich an seine „Kritiker
zwischen Rhein und Donau" wendet. Wir wissen nicht,
welche Kritiken den Anlaß zu diesen Erklärungen Wrights
gegeben haben. Aber es ist uns aufgefallen, daß ein
Berliner Kritiker an verschiedenen Stellen sich höchst un-
gnädig über die Ausstellung der Pläne und Modelle
Wrights geäußert hat. Wir begegneten seinen Aus-
führungen in einer sehr angesehenen Monatsschrift, die
auf den gleichen geistigen Grundlagen wie eine unserer
großen politischen Parteien fußt und die in ihren Artikeln
über moderne Gestaltung dank ihren ausgezeichneten
Mitarbeitern über ein höchst beachtenswertes Niveau ver-
fügt. Es wurde in diesem Artikel über Frank Lloyd Wright
etwa gesagt, daß er ungefähr bis 1910 eine Entwicklung
seines Schaffens aufzuweisen hat, die mit Recht An-
erkennung in der ganzen Welt, vor allem in Europa, ge-
funden hat. Später aber sei aus diesem genialen „Außen-
seiter" ein „begabter Interpret amerikanischer Vorstellun-
gen von Romantik" geworden. Dieser „Absturz" wird
„soziologisch" erklärt. Es wird gesagt, daß der „reuige
Sohn damit zu den Fleischtöpfen der Babbitts" zurück-
gekehrt sei. Es wird noch allerhand von „Absturz", von
einem „Genasführten" gesagt, gemeint ist Wright. Das
Ganze mündet dann in eine sehr überhebliche Verdam-
mung der amerikanischen Psyche, wobei auch viel Wahres
und Bekanntes erzählt wird. Die sehr heftige Verdam-
mung eines um die moderne Entwicklung höchst ver-
dienten Architekten aber, diese vollkommene Verständ-
nislosigkeit für die besondere Individualität dieses greisen
Architekten mußte den Kenner der Dinge mit einem
unbehaglichen Gefühl erfüllen. Die Motivierung des „Ab-
sturzes" Wrights mit der Behauptung, daß Wright sich
dem Geschmack der amerikanischen Multimillionäre an-
gepaßt habe, mußte nach der Lektüre dieses Aufsatzes
den Verdacht aufkommen lassen, daß der weltanschau-
liche Boden der Zeitschrift, in der dieser Aufsatz stand,
den Verfasser dazu verführte, statt objektiver, kultureller
und künstlerischer Wertung vom politischen Boden aus
Maßstäbe anzulegen, die nicht zum Thema gehören. Man
mußte deshalb überrascht sein, die gleichen Gedanken
und Sätze in einem etwas verkürzten Aufsatz des gleichen
Verfassers in einer Fachzeitschrift für Architektur wieder-
zufinden. Eine Fachzeitschrift übrigens, die für eine sehr
gemäßigte, beruhigte bauliche Gestaltung eintritt, die
einen guten Einschuß süddeutscher Romantik liebt, und

konsequente moderne Architektur konsequent bekämpft.
Der Aufsatz trägt dort den Untertitel: „Größe und Nieder-
gang eines Bahnbrechers der modernen Architektur" und
schließt mit dem Satz: „Man muß schon sagen, daß
Amerika und seine Babbitts den Mann sich völlig amalga-
miert haben, der einmal eine ganz große Hoffnung und
ein Vorbild auch für uns gewesen ist."

Wir bringen in diesem Heft einen Aufsatz von Frank
Lloyd Wright und illustrieren ihn durch einige Arbeiten
und Entwürfe von seiner Hand. Wir glauben nicht, daß
es nötig ist, Wright und sein Werk etwa in Schutz
nehmen zu müssen gegen die erwähnten „Angriffe".
Wir wollen auch nicht mit dem Kritiker über das streiten,
worüber er sich lustig macht, etwa über die durchbroche-
nen Ornamentdächer der Tankstellen oder über dieZimmer-
preise der Hotelsiedlung in der Wüste von Arizona. Aber
es erschien uns doch sehr merkwürdig und in einem ge-
wissen Sinn auch wieder bezeichnend, daß wir viele
Objekte für diese Veröffentlichung herausgesucht oder
in einer früheren Publikation (Heft 13/1930) veröffentlicht
haben, die sich den besonderen Groll unseres Kritikers
zugezogen haben. Deshalb seien einigen Gedanken hier
Raum gegeben. An einer so wichtigen Stelle, wie dem
Feuilleton der „Frankfurter Zeitung", die sich der Ent-
gegnung Wrights besonders angenommen hat, hat unser
Freund Walter Curt Behrendt einen Aufsatz geschrieben
„Wright oder Corbusier", zu dessen Schlußabsatz wir
nicht versäumen möchten, einige Bedenken zu äußern.
Dieser Schlußabsatz lautet: „Es geht heute in der Bau-
kunst nicht um ästhetische Prinzipien und Stilfragen, es
geht um das tieferliegende Problem der Gestalt, in dem
die struktiven Veränderungen unseres sozialen und gei-
stigen Lebens sich auswirken. Damit ist der Bewegung,
die sich um die Erneuerung der Baukunst müht, ihr Weg
vorgezeichnet. Und daher lautet die Frage, an der sich
ihr künftiges Schicksal entscheidet: Wright oder Cor-
busier?" Aber auch mit dem besten Willen wird es nicht
möglich sein, vom Standpunkt der struktiven Verände-
rungen unseres sozialen und geistigen Lebens einen
Unterschied zwischen den Arbeiten Wrights und den
Arbeiten Le Corbusiers zu finden. Beide sind große
Individualitäten, beide sind Poeten der Architektur im
besten Sinn. Und die Bauherren der beiden unterscheiden
sich nur nach ihrer Nationalität. Wenn wir Walter Curt
Behrendt richtig verstehen, so wollte er auf einen Gegen-
satz hinweisen, wie er etwa zwischen Haesler und Mies
van der Rohe besteht. Und wenn er gefragt hätte nach

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